Heilige Kuh des Onlinehandels
Schluss mit Gratis-Retouren – Erste verlangen Geld dafür

Kostenlose Retouren sind die Heilige Kuh des Onlinehandels. Doch es zeichnet sich ab, dass allmählich ein Umdenken bei den Unternehmen stattfindet. Nun müssen nur noch die Konsumentinnen und Konsumenten mitziehen.
Publiziert: 16.11.2022 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 18:08 Uhr
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Sie testet in unterschiedlichen Ländern kostenpflichtige Retouren: H&M-Chefin Helena Helmersson.
Foto: imago images/TT
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Ulrich RotzingerWirtschaftschef

Wer bei Onlinehändlern bestellt, kann die Produkte in den meisten Fällen kostenlos zurückschicken. Bis jetzt. Denn es bahnt sich hier die Retouren-Revolution an. Bei den ersten Unternehmen ist Schluss mit gratis!

Zum Beispiel sind für den schwedischen Kleiderriesen H&M kostenpflichtige Retouren kein No-Go mehr. Derzeit läuft ein Test in Norwegen sowie in Grossbritannien. Ob weitere Länder dazukommen, hänge davon ab, wie die Kundinnen darauf reagieren, sagt H&M-Chefin Helena Helmersson (49) in einem Interview mit der US-Nachrichtenagentur Bloomberg. Offenbar testet der schwedische Moderiese jetzt auch in der Schweiz. Auf der H&M-Website werden Kunden über Rücksendekosten von 4.90 Franken informiert. «Der Betrag wird direkt vom Rückerstattungsbetrag abgezogen», heisst es in der Service-Rubrik. Für Mitglieder des Loyalitätsprogramms von H&M bleibt die Retoure jedoch gratis.

Gebühren für Online-Rücksendungen hat erst kürzlich Konkurrentin Zara in Grossbritannien, Irland, den Niederlanden und Belgien eingeführt. Auch in der Schweiz tat sich was. Zara verlangt hierzulande seit Sommer 2.95 Franken pro Rücksendung, wenn diese nicht in der Filiale zurückgegeben, sondern über Drittanbieter wie etwa die Post zurückgeschickt wird.

Zalando setzt auf Gratis-Kultur

Rollt die Retouren-Revolution auch bei Zalando an? Der Schuh- und Modegigant arbeitet seit kurzem mit einem Mindestbestellwert von 29.90 Franken. Eine Sprecherin von Zalando zu Blick: «Kostenlose Rücksendungen sind seit dem ersten Tag ein wichtiger Bestandteil unseres Serviceversprechens. Gleichzeitig arbeiten wir daran, vermeidbare Retouren zu reduzieren.» Zum Beispiel, in dem Zalando Grössenempfehlungen verbessere.

«Kostenfrei und ohne Angaben von Gründen» können C&A-Kundinnen auch in Zukunft Ware retournieren. Gleiches gilt für Schuh- und Kleiderbestellungen beim grössten Schweizer Onlinekaufhaus Digitec Galaxus. Kostenpflichtig sind dagegen Retoursendungen aus anderen Produktbereichen. Zum Beispiel, wenn ein Kunde sich eine Auswahl verschiedener Kinderspiele bestellt, aber nur eines behalten will, sagt ein Sprecher.

Das Gros der Rücksendungen entfällt aber auf die Modeanbieter, wo die Retouren bis zu 60 Prozent ausmachen. Hier wird im Schnitt jeder fünfte Artikel zurückgeschickt, zeigt die kürzlich veröffentlichte Studie der Hochschule Luzern (HSLU) auf. Hierfür wurden 230 Schweizer Onlinehändler befragt. Sie besagt auch: Je einfacher der Rückversand gestaltet ist, desto öfters wird die Ware retourniert.

Retouren sind Kostentreiber für Unternehmen

Bei den Retouren orten Unternehmen Sparpotenzial. Aber geht es tatsächlich nur darum, Kosten zu kompensieren, wie H&M-Managerin Helmersson sagt? Die Sichtung und Kontrolle von Rücksendungen ist auf jeden Fall ein Kostentreiber. Was die Unternehmen ebenfalls teuer zu stehen kommt: wenn die zurückgesendete Ware nicht mehr zum bisherigen Preis als neu verkauft werden kann.

Wie vereinbar sind Retouren mit der Nachhaltigkeit, die Unternehmen sich immer häufiger auf die Fahnen schreiben? Gewisse Onlinehändler sollen Häufig-Retournierer sogar bereits ausschliessen. Wer das macht, ist von den Studienautoren der Hochschule Luzern nicht in Erfahrung zu bringen. Vielerorts muss sich der Nachhaltigkeitsgedanke dem Wettbewerbsdruck unterordnen.

Umdenken muss von Kundenseite kommen

Noch verhindert Letzterer im Onlinehandel das grosse Umdecken bei den Retouren. Solange die grosse Mehrheit am Kostenlos-Prinzip festhält, erwarten auch Kundinnen und Kunden den Gratis-Service, heisst es in der E-Commerce-Branche. Passend dazu das Resultat einer DPD-Studie: Die Schweiz retourniert 27,1 Prozent der gekauften Ware und ist damit mit grossem Abstand Spitzenreiter in Europa.

Thomas Wozniak (42), E-Commerce-Experte und Studienleiter der HSLU, sieht eine Abschaffung der Gratis-Retoure nicht als Lösung, um Retouren und Versandmüll zu vermeiden. Vielmehr gelte es Massnahmen wie bessere Grössenangaben zu implementieren, um den Rückversand einzudämmen.

Allerdings: Laut früheren Befragungen planen rund die Hälfte der Konsumentinnen und Konsumenten den Rückversand schon bei der Bestellung ein, weil sie zu Hause eine Auswahl mehrerer Grössen und Artikel haben wollen. Solange es hier kein Umdenken gibt, wird sich nur schwer etwas ändern.

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