Zusammenfassung
Knapp 4,5 Stunden dauerte die erste UBS-Generalversammlung seit der Fusion mit der Credit Suisse zur «Superbank». Das kommt nicht ganz an die letzte CS-GV im Frühling 2023 mit 5 Stunden heran – aber nur knapp.
Wie erwartet, erntete die UBS-Spitze von den Kleinanlegern viel Schimpf und Schande, insbesondere für die Höhe der Vergütungen. Sergio Ermotti verdient für das vergangene Jahr 14,4 Millionen Franken – er gehört damit zu den bestbezahlten Bankmanagern Europas.
Neben der Vergütung für das Management sorgte auch die Situation beim Personal von UBS und CS für Diskussionen. Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass die Millionensaläre an der Konzernspitze zynisch wirken, wenn gleichzeitig unzählige Mitarbeitende die Kündigung erhalten. Alleine in der Schweiz werden im Zuge der Bankenfusion 3000 Stellen abgebaut.
Auch der UBS-Nachhaltigkeitsbericht sorgte für viele Wortmeldungen. Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener Umweltorganisationen waren in der St. Jakobshalle präsent – und hatten bereits vor dem Start der Generalversammlung mit einer Aktion vor der Halle auf sich aufmerksam gemacht. Sie bauten ein überdimensionales Kartenhaus auf, das die fragilen Ökosysteme symbolisieren sollte.
Wie an Generalversammlungen üblich, waren die Kleinaktionäre laut, konnten am Ende aber nichts ausrichten: Sämtliche Anträge der UBS-Spitze wurden an der GV mit hohen Zustimmungswerten durchgewunken. Vom Vergütungsbericht über den Nachhaltigkeitsbericht bis zur Wiederwahl sämtlicher Verwaltungsräte.
Ende der Generalversammlung
Nach der Wiederwahl der Revisionsstellen und Stimmrechtsvertreter – rein formelle Anliegen – schliesst Verwaltungratspräsident Colm Kelleher die diesjährige Generalversammlung. Er lädt die Aktionäre zum Apéro Riche ein und wünscht ihnen «lebhafte Diskussionen».
Millionen für die Konzernspitze freigegeben
Die Generalversammlung gibt grünes Licht für einen nachträglichen Zusatzbetrag über 2,2 Millionen Franken für die Vergütung des Verwaltungsrats von der GV 2023 bis zur GV 2024. Der Verwaltungsrat begründet, die nachträglichen Mittel seien notwendig, um abzugelten, dass sich die Aufgaben mehrerer VR-Mitglieder aufgrund der CS-Übernahme erweitert hätten. 89,7 Prozent stimmen dem Zusatzbetrag zu.
Anschliessend sagt die GV Ja zum Maximalbetrag von 16,5 Millionen Franken für die Vergütung der VR-Mitglieder von heute bis zur nächsten GV im Frühling 2025. Der Ja-Stimmenanteil liegt bei 89,84 Prozent.
Für die Konzernleitung gibt die GV 108 Millionen für variable Vergütungen für das vergangene Geschäftsjahr 2023 frei. Auch hier ist das Resultat mit 88,45 Prozent deutlich.
Darüber hinaus stimmt die GV 33 Millionen Franken für die Festzahlungen der Konzernleitungsmitglieder im Geschäftsjahr 2025 zu. Die Zustimmung liegt bei über 90 Prozent.
Wahlen in den Verwaltungsrat
Die GV wählt sämtliche UBS-Verwaltungsräte wieder – mit hohen Zustimmungswerten von teils über 99 Prozent. Am «schlechtesten» fällt noch das Wahlresultat des Verwaltungsratspräsidenten Colm Kelleher mit 96 Prozent aus. Auch eine neue Verwaltungsrätin, Gail Kelly, ist in das oberste UBS-Gremium gewählt worden.
Entlastung der Konzernspitze
Nachdem die UBS-GV der Schaffung von Wandlungskapital in Höhe von bis zu 70 Millionen Dollar zugestimmt hat, geht es nun um die Entlastung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, auch Décharge genannt. Verweigern die Aktionäre die Décharge, dann entlasten sie den Verwaltungsrat und die Konzernleitung nicht für alle bekannten Geschäftsvorfälle. Eine Klage wäre möglich. So verweigerte die CS-GV in der Vergangenheit etwa ihrer Konzernspitze die Décharge, nachdem die Bank Milliarden mit Archegos und Greensill versenkt hatte.
Bei der UBS kam es anders: 94,81 Prozent stimmten der Entlastung der UBS-Konzernspitze zu.
Jetzt wird abgestimmt
Die Rednerliste zu den Traktanden 1, 2 und 3 ist nach rund 3 Stunden erschöpft. Nun geht es zur Abstimmung. Die Aktionäre stimmen ab über den Geschäftsbericht, den Vergütungsbericht und den Nachhaltigkeitsbericht. Trotz stundenlanger Kritik ist bereits vorab klar, dass alle Traktanden angenommen werden. Die in der St. Jakobshalle anwesenden Kleinaktionäre sind im Vergleich zu grossen, institutionellen Anlegern, nur kleine Fische.
Der Geschäftsbericht wird mit mehr als 99 Prozent angenommen. Beim Vergütungsbericht liegt die Zustimmung bei vergleichsweise tieferen 83,5 Prozent. Der Nachhaltigkeitsbericht geht mit 93,3 Prozent Ja-Stimmenanteil durch.
Anschliessend geht es direkt weiter mit der Abstimmung über die Dividende: 70 Rappen je Aktie will die UBS ausschütten – und die Aktionäre sagen mit mehr als 99 Prozent ja dazu.
Colm Kelleher zum Filialnetz
Von einem Aktionär auf den anstehenden Abbau von Bankfilialen angesprochen, legt Colm Kelleher noch einmal deutlich dar, wie es mit den Filialen weitergeht: Die UBS habe aktuell 192 Filialen. Die CS deren 95. An 85 Standorten gebe es Überschneidungen. «An diesen Lagen werden wir uns für jeweils einen Standort entscheiden.» Rund 190 Filialen werden nach Abschluss der Fusion weiterexistieren. Heisst auch: Mehr als 80 Filialen werden geschlossen.
Schelte von Juso-Präsident Siegrist
Der abtretende Juso-Präsident Nicola Siegrist hält eine flammende Rede gegen Sergio Ermottis Millionensalär. «Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Mut», sagt er zynisch. «Es ist mutig, dieses Salär anzunehmen.» Vor zehn Jahren habe die Schweiz noch intensiv über Managerlöhne diskutiert. «Heute müssen wir uns die Frage stellen: Hat sich etwas geändert?», fragt sich der Politiker. Und beantwortet sie gleich selber: «Nein.»
Er spricht die Putzkräfte an, die in der St. Jakobshalle für Ordnung sorgen. Diese müssten 330 Jahre lang arbeiten, um auf Ermottis Lohn zu kommen. «Natürlich ist Herr Ermotti wichtig, aber die Leute da draussen sind genauso wichtig für den heutigen Tag», sagt Siegrist. Und scherzhaft: «Ohne die Gipfeli und den Apéro geht es nicht!»
Personalvertreter: «Schaue in viele müde Gesichter»
Friedrich Dumke, Präsident der Arbeitnehmervertretung der UBS, ergreift das Wort. «Die letzten zwölf Monate waren für die Mitarbeitenden sehr intensiv und arbeitsreich», sagt Dumke. Zu den angestammten Arbeiten kamen neue Aufgaben für die Integration der CS hinzu. «Auch der emotionale Stress ist zu spüren. Unsere Mitarbeitenden gehen viele Extrameilen», so der Arbeitnehmervertreter. Und weiter: «Ich schaue in viele müde Gesichter.»
Dumke fordert, der Stellenabbau müsse mit Bedacht und Respekt umgesetzt werden. «Jede Stelle, die verloren geht, ist schmerzhaft.» Es gehe darum, das Wissen der Mitarbeitenden zu erhalten. «Lassen Sie uns den Mitarbeitenden Sorge tragen und ihnen danken.»
Zwischenverpflegung für hungrige Aktionäre
Die GV läuft seit bald drei Stunden. Immer wieder stehen Aktionärinnen und Aktionäre kurz auf, um draussen die Toilette aufzusuchen. Wer den Blutzuckerspiegel auf Vordermann bringen will, kann sich mit Schokoküssen und Äpfeln eindecken. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Es ist möglich, dass VRP Colm Kelleher die Generalversammlung bald für eine Weile unterbricht, um auch der UBS-Spitze eine Toilettenpause zu ermöglichen. Möglich ist aber auch, dass Kelleher die GV ohne Unterbrechung durchzieht bis zum Ende.
Ob Sergio Ermotti (63) letzte Nacht gut geschlafen hat? Er braucht heute ein dickes Fell: An der UBS-Generalversammlung in der Basler St. Jakobshalle werden ihn UBS-Kleinaktionäre wohl mit Schimpf und Schande für sein Millionensalär eindecken. Generalversammlungen sind als Chropfleerete bekannt, die Aktionäre werden kein Blatt vor den Mund nehmen.
14,4 Millionen Franken kassiert Ermotti für seine Arbeit an der UBS-Spitze im Jahr 2023. Mindestens. Wenn er in den kommenden Jahren besonders erfolgreich geschäftet und die Boni-relevanten Ziele voll erfüllt, könnten am Ende für das neue Jahr sogar bis zu 20 Millionen rausspringen.
«Bei der CEO-Vergütung ging jegliches Mass verloren», urteilt Actares, eine Organisation individueller Aktionäre, die sich für mehr Konzernverantwortung einsetzt. Ermottis zweistelliges Millionensalär sei «eine krasse Fehlleistung, die schmerzlich an vergangene CS-Sünden erinnert.» Im Vergleich zu den Voten, die Einzelaktionäre heute am Rednerpult gegen Sergio Ermotti richten werden, dürfte dies noch handzahm daher kommen.
Angestellte unter den Aktionären
Neben Ermottis Lohn dürfte auch die Zukunft des Bankpersonals in der Schweiz zu reden geben: 3000 Stellen sollen hierzulande abgebaut werden. Gemäss unbestätigten Berichten soll es noch dieses Jahr fünf grosse Entlassungswellen geben.
Die Verunsicherung bei den Angestellten von UBS und CS ist enorm. Einige halten die Füsse still – andere haben längst das Weite gesucht. Die Abgänge sind so schmerzhaft, dass die UBS ihnen im Geschäftsbericht ein eigenes Unterkapitel widmete.
Wer keine Anschlusslösung hat, ist allerdings schlecht beraten, ins Blaue zu kündigen: Das Stellenangebot bei den zehn grössten Schweizer Banken erreichte im April einen Tiefstwert.
Unter den Aktionären in Basel dürften auch viele UBS- und CS-Angestellte sein. Ob sie sich trauen, ans Rednerpult zu treten, um der Bankenspitze die Kappe zu waschen, ist allerdings fraglich. Wer will sich schon selber in die Schusslinie begeben?
Direkter Draht zu Ermotti
Jeder kann sich als Redner eintragen lassen. «Ich rechne damit, dass die GV dieses Mal sehr lange dauert», prophezeit Actares-Geschäftsführer Roger Said (53). An die letzte CS-Generalversammlung letzten Frühling dürfte sie allerdings nicht herankommen: Fünf Stunden dauerte diese, die Aktionäre mussten zwischendrin mit Schoggistängeli, Lindor-Kugeln und Wasserflaschen gestärkt werden, weil sich der anschliessende Apéro riche dermassen nach hinten verschob.
Trotz empörter Voten werden die Anträge der Konzernspitze an Generalversammlungen jeweils durchgewunken. Auch wenn die Aktionäre in der St. Jakobshalle laut sind: Sie sind kleine Fische im Vergleich etwa zum Vermögensverwalter Blackrock und der norwegischen Zentralbank Norges, den beiden grössten Aktionären der UBS. Diese haben bereits angekündigt, allen Anträgen der Bank zuzustimmen, vom Vergütungsbericht über die Entlastung des Managements bis zur Klimastrategie.
Ebenso die grossen Stimmrechtsvertreter Glass Lewis und ISS, die viele Aktionäre unter sich vereinen.
«Klar geht es bei der GV zum Teil um Show», sagt Actares-Geschäftsführer Roger Said. «Aber für die Kleinaktionäre ist das der einzige direkte Zugang zur Unternehmensspitze.» Ein Manager vom Format eines Sergio Ermotti nimmt den Sturm der Entrüstung gelassen zur Kenntnis. Los geht es um 10.30 Uhr. Blick tickert live aus der Basler St. Jakobshalle.