Die Credit Suisse hat in den vergangenen zwei Jahren mit Pannen, massiven Verlusten und dem Absturz an der Börse viel Vertrauen verspielt. Im neuen Jahr muss die Grossbank nun mit ihrer Restrukturierung entscheidend vorankommen. Der Umbau wird laut dem Bankenexperten Teodoro Cocca (51) aber «eine knappe Sache».
Die Dringlichkeit der Lage wird von der Grossbank erkannt: Im Oktober kündigte die CS-Führung ein «Strategie-Update» mit umfangreichen Kosteneinsparungen sowie einer klaren Redimensionierung der verlustträchtigen Investmentbank-Einheit an. Dennoch bleibt das Misstrauen am Aktienmarkt hoch.
Kommt die neue Strategie zu spät?
So vermissen Bankanalysten weiterhin Klarheit bezüglich zahlreicher entscheidender Punkte in der neuen Strategie. Die 2022 um fast 70 Prozent abgesackte CS-Aktie bleibt zum Jahresbeginn unter 3 Franken und muss künftig wohl um ihren Verbleib im Swiss Market Index bangen.
Der Plan der Credit Suisse sei wohl richtig, komme aber «sehr spät» und in einer Phase höchster Unsicherheit rund um die Bank, sagt Teodoro Cocca, Professor für Asset Management an der Universität Linz, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Die CS habe in der Vergangenheit offenbar gemeint, durch kleinere Anpassungen die richtigen Lehren aus den Ereignissen zu ziehen. «Hätte man den genau gleichen Plan viel früher angekündigt, wäre er genauso richtig gewesen, und man hätte aus einer viel stärkeren Position agieren können.»
Immerhin könnten die steigenden Zinsen und «allenfalls steigende Börsen» helfen, die Ertragskraft zu stabilisieren, so der Schweizer Bankenexperte. Mit diesem Rückenwind der Märkte erscheine die Strategieumsetzung «mit viel Glück» realistisch. «Es wird aber eine knappe Sache werden.»
6 Prozent der Vermögen aus CS abgezogen
Allerdings würden weitere Geldabflüsse im wichtigen Vermögensverwaltungsgeschäft ebenso wie weitere grosse Verluste die Umsetzung der Strategie gefährden, betonte Cocca. Zwischen Anfang Oktober und Mitte November hatten CS-Kunden nach Gerüchten um eine Schieflage der Bank rund 6 Prozent der verwalteten Vermögen abgezogen. CS-Präsident Axel Lehmann hatte in der Folge aber mehrfach versichert, dass sich die Situation seither stabilisiert habe.
«Sollten zusätzliche wesentliche Massnahmen notwendig werden, wird das ab jetzt heissen, dass die CS, wie wir sie heute kennen, nicht mehr existiert – da sich entweder die Besitzverhältnisse verändern würden oder eine weitergehende Aufspaltung notwendig wäre», mahnt Cocca.
Szenarien einer möglichen Aufspaltung der Grossbank sind nicht neu. Bereits im vergangenen Jahr hatten Analysten mehrfach entsprechende Gedankenspiele angestellt: Nach einer Reduktion der Investmentbank könnte danach das Vermögensverwaltungsgeschäft übernommen und gleichzeitig das rentable Schweizer CS-Geschäft an die Börse gebracht werden.
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Misstrauen an den Märkten weiterhin gross
Auf das anhaltende Misstrauen an den Märkten deuten auch die weiterhin hohen Preise für eine Absicherung gegen einen Zahlungsausfall der Credit Suisse-Anleihen, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS), hin. Diese notieren noch immer bei rund 380 Punkten gegenüber etwa 76 Punkten für die Konkurrentin UBS.
Aus den Derivatpreisen liess sich zum Jahresende hin eine Ausfallwahrscheinlichkeit der CS-Anleihen von rund 12 Prozent innerhalb der kommenden zwei Jahre ableiten, so Bankenexperte Cocca. Allerdings sei das eine Momentaufnahme: «Wenn die CS bald wieder positivere Nachrichten verkünden kann, wird dies zu einer Beruhigung rund um die Bank führen. Zumindest kurzfristig.» (SDA/shq)