Auf einen Blick
Die Wohnungsnot ist nicht auf die Zentren beschränkt. Sie spitzt sich schweizweit zu. Doch der Missstand trifft nicht alle gleich. Es sind vor allem Geringverdiener und zum Teil auch der Mittelstand, deren Wohnraum zunehmend schwindet. Für den Wohlstand gibt es derweil mehr als genug Platz in der Schweiz, heisst es im neuen Immo-Monitoring von Wüest Partner.
Der Immobilienberater hat das Mietwohnungsangebot in der Schweiz ausgewertet. Das Resultat: Während sich das Angebot an günstigen Wohnungen hierzulande in den letzten drei Jahren halbiert hat, nimmt das Angebot an Luxuswohnungen stetig zu!
Im dritten Quartal 2024 wurden insgesamt 102'900 Objekte inseriert – das sind 7,8 Prozent weniger als im Vorjahresquartal. Dieser Rückgang überrascht nicht. Er spiegelt die sinkende Leerstandsziffer wider: Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) sank die Zahl der leerstehenden Mietwohnungen seit 2020 schweizweit um 39 Prozent.
Günstiger Wohnraum schwindet
Wüest Partner hat auch die Mietpreisklassen der ausgeschriebenen Wohnungen untersucht. Demnach ist der Rückgang bei günstigen Mietwohnungen besonders stark: Das Angebot an Mietwohnungen mit einem maximalen Quadratmeterpreis von 200 Franken pro Jahr ist gegenüber 2019 um über 60 Prozent geschrumpft.
Gleichzeitig nahm das Angebot an teuren Mietwohnungen stetig zu. In den Preisklassen von 320 bis 360 Franken stieg die Anzahl der Inserate im dritten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr um 17,6 Prozent. Und in jener über 360 Franken pro Quadratmeter und Jahr um 23,2 Prozent. Diese beiden Preisklassen machen heute zusammen 29,6 Prozent des Angebots aus. Anfang 2019 betrug ihr Anteil noch 14,9 Prozent!
Fragt sich, ob die Schweiz so viele Luxuswohnungen braucht? Blick berichtete zuletzt mehrmals über teure Mietwohnungen, die trotz aktuellem Wohnungsmangel keine Abnehmer finden. So beispielsweise die Überbauung Harmonie in Rapperswil-Jona oder die teuren Mietwohnungen Letz9 in Zürich.
Situation wird sich zuspitzen
Klar ist: Der Graben zwischen Arm und Reich wird auf dem Wohnungsmarkt in nächster Zeit noch grösser. Denn die anhaltende Knappheit auf dem Mietwohnungsmarkt wird die Mieten für Wohnungssuchende noch weiter in die Höhe treiben. Einerseits sei es eine logische Folge, dass beim Wohnungsmangel die günstigen Wohnungen zuerst knapp werden. «Andererseits spielen aber auch die hohen Baulandpreise eine Rolle», sagt Robert Weinert (45) von Wüest Partner.
Im dritten Quartal 2024 lagen die mittleren Angebotsmieten 3,8 Prozent über dem Vorjahresquartal. Bereinigt um Qualitätsunterschiede im Angebot stiegen sie sogar um 7,1 Prozent. Und für das kommende Jahr rechnet Wüest Partner mit einem weiteren Anstieg.
Geben Neubauten Gegensteuer?
Aktuell kann die Bautätigkeit mit der hohen Nachfrage nicht mithalten. Die meisten Mietwohnungen, die in den kommenden Monaten fertiggestellt werden, stammen aus Baubewilligungen in den Jahren 2022 und 2023 – aus einer Zeit also, in denen die Anzahl bewilligter Mietwohnungen besonders gering war.
In den nächsten Jahren könnte sich die Neubautätigkeit jedoch erhöhen. Wüest Partner erwartet eine Ausweitung von Neubaugesuchen und Baubewilligungen. Die Zahl der Wohneinheiten in Baugesuchen von Mitte 2023 bis Mitte 2024 sei um 22 Prozent gestiegen. Trotz aktuell tiefer Bewilligungsquoten rechnen die Experten daher auch im Mietwohnungssegment mit einer Zunahme der Bautätigkeit.
Besonders die Regionen Zürich, Winterthur, Aarau, Lausanne und Genf dürfen sich auf neuen Wohnraum freuen. Doch von diesen Neubauten werden wieder vor allem Gutverdiener profitieren. «Ein bedeutender Teil wird im mittleren und hohen Preissegment gebaut», sagt Weinert. Laut dem Experten gibt es aber einen Lichtblick: «Ich gehe fest davon aus, dass in den kommenden Jahren wieder mehr im Tiefpreissegment gebaut wird.» Es werde aber noch einige Zeit dauern, bis dieses Angebot im Markt ankomme.