«Es ist an der Zeit zu kaufen, wenn Blut in den Strassen fliesst», soll der Finanzier Baron Nathan Mayer Rothschild vor über zweihundert Jahren der Legende nach gesagt haben. Was der sehr vermögende Bankier damit meinte: Die besten Kaufgelegenheiten an den Börsen ergeben sich in dem Moment, wenn die Kurse hoffnungslos in den Keller rasseln und kein Optimist weit und breit daran glaubt, dass es mit den Aktienkursen wieder aufwärts geht.
Ein Blick zurück zeigt, dass heftige Kurskorrekturen und Bärenmärkte eine wiederkehrende Eigenschaft an den Finanzmärkten sind. Dies war am Schwarzen Montag während des Börsencrashs 1987 der Fall, 2001 nach dem Platzen der Dotcom-Blase, 2008 mit der grossen Finanzkrise und auch 2020 mit dem Börsenabsturz bei Ausbruch der Corona-Epidemie.
Gemeinsam ist allen vier Ereignissen, dass es wieder hochging mit den Kursen. Wer auf einen Zeithorizont von 20 Jahren in den S&P 500 Index investierte, hat dabei immer einen Gewinn erzielt. Beim Börsencrash 1987 dauert es 3,5 Jahre, bis der S&P 500 Index die Verluste wieder wettgemacht hatte. Beim Tief während der Finanzkrise vergingen 5 Jahre bis 2013, ehe der Index zu einem neuen Rekordniveau eilte. Die schnellste Erholung war während der Corona-Pandemie, als der S&P einen Kursverlust von 25 Prozent innert 5 Monaten wieder wett machte.
Aussitzen der Baisse zahlt sich mehr als aus
Um an diesen langfristigen Chancen zu partizipieren, empfiehlt die Investment-Legende Warren Buffett, Gründer von Berkeshire Hathaway: «Sei ängstlich, wenn andere gierig sind und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.» Seine Philosophie: Aktien eines gut laufenden Unternehmens kaufen, wenn der Markt sie panisch abstösst und Gewinne mitnehmen, wenn die ganze Welt nur noch an einen ewig steigenden Aktienmarkt glaubt.
Nicht wenige Anleger machen allerdings das Gegenteil dessen, was Buffett empfiehlt. Sie fallen in Panikmodus bei Kursstürzen oder schlechter Börsenstimmung und verkaufen alles, wenn die Kurse praktisch am Tiefpunkt angekommen sind. Beim Blick zurück schmerzen aber nicht nur die realisierten Verluste. Weit gravierender ist, dass man dann meist den richtigen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg verpasst.
Dies hat zur Konsequenz, zu Beginn des Aufschwungs unterinvestiert zu sein. Welches Gewinnpotenzial Investierende damit verschenken, zeigt eine Untersuchung des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock. Wer die 25 besten Börsentage in den letzten 30 Jahren verpasst hat, verschenkte sehr viel Renditepotenzial. Wer über die letzten 30 Jahren die 25 besten Tag an der Börse verpasst, schmälert seine Rendite enorm.
Verluste werden doppelt so stark empfunden
Wer über die letzten 30 Jahre im S&P 500 Index investiert war, hat seinen Portfolio-Wert von 100'000 Dollar auf 324'019 Dollar (+324 Prozent) gesteigert. Wer allerdings die zehn besten Börsentage verpasst hat, konnte seinen Wert nur auf 161'706 Dollar (+161,7 Prozent) steigern. Noch schlechter sieht es aus, wenn die 25 besten Börsentage verpasst wurden. Das schmälerte den Ertrag auf 82'256 Dollar (+82,2 Prozent).
Es ist allerdings nicht nur das Investiert-Sein, welches den Anlegerinnen und Anlegern einen Strich durch die Rechnung machen kann. Eine potenzielle Fehlerquelle ist auch der sogenannte Dispositionseffekt. Dieser Begriff bezeichnet in der Verhaltensökonomik die Neigung von Anlegerinnen und Anlegern, jene Anteile abzustossen, deren Wert gestiegen ist, und solche zu halten, deren Wert gesunken ist.
Dies, weil Investoren subjektiv betrachtet Verluste etwa doppelt so stark empfinden wie Gewinne. So führt die asymmetrische Risikoaversion dazu, dass private und institutionelle Anleger im Gewinnbereich befindliche Positionen tendenziell zu früh verkaufen und verlustbehaftete zu lange halten. Deshalb gilt es, langfristig an den erfolgreichen Unternehmen festzuhalten, deren Aktienkurse sich in einem Aufwärtstrend befinden.
Warren Buffett: «Unsere bevorzugte Haltedauer ist ewig»
Langfristig gesehen bringen Aktien den grössten Ertrag, wenn sie über mehrere Jahrzehnte im Depot gehalten werden. Die erfolgreichen Investoren Peter Lynch, Benjamin Graham, Jesse Livermore und Warren Buffett sind gut gefahren, in unsicheren Zeiten oder während Krisen in solide Unternehmen zu investieren.
Erfolgreiches Investieren erfordert gemäss Buffett Zeit, Disziplin und Geduld. Egal, wie gross das Talent oder die Anstrengung ist, manche Dinge brauchen einfach Zeit. Ein Blick auf den Wert seines Vermögens zeigt dabei, welch langer Atem notwendig ist, um richtig reich zu werden.
Der Starinvestor hat mehr als 90 Prozent seines Vermögens von rund 112 Milliarden Dollar erst erzielt, nachdem er das Alter von 65 Jahren überschritten hatte. Buffett ist heute 92 Jahre, sein Partner Charlie Munger 99 Jahre alt.