Wer zum ersten Mal investieren will, sollte sich einige wichtige Punkte vor Augen halten, um kostspielige Fehler zu vermeiden. Christian Gattiker (54), Leiter der Forschungsabteilung bei der Privatbank Julius Bär, erklärt, worauf Börsen-Neulinge achten sollten.
Kenne die Risiken
Der Aktienmarkt ist kein System zur schnellen Bereicherung und es gibt keine Garantie, dass man Gewinne erzielt. Der Wer von Aktien kann schnell schwanken, was innert kurzer Zeit zu hohen Verlusten führen kann. «Die Börse belohnt geduldige Menschen», bemerkt Gattiker. Wer auf schnelle Gewinne aus ist, habe es schwer und verliere oft das Geld oder die Nerven.
Eine Möglichkeit, das Risiko zu minimieren, besteht in der Diversifizierung des Portfolios. Beispielsweise lassen sich Investitionen auf verschiedene Arten von Aktien und zusätzliche Vehikel wie Anleihen oder Investmentfonds aufteilen. Die Diversifizierung trägt dazu bei, das Gesamtrisiko zu senken. Wenn eine Anlage schlecht abschneidet, können die anderen möglicherweise Verluste ausgleichen.
Lege Anlageziele fest
Vor dem Start sollte man sich über die eigenen Anlageziele im Klaren sein. Wie viel Risiko bist du bereit einzugehen? Wie lange willst du investieren? Welche finanziellen Ziele hast du? Die Antworten auf diese Fragen helfen zu entscheiden, welche Art von Aktien und Investitionen geeignet sind. «Bargeld zu horten, macht nur vorübergehend Sinn, etwa im Falle einer schweren Wirtschaftskrise», sagt Gattiker. Ansonsten seien Investitionen vorteilhafter. «Im Moment ist es nicht notwendig, zu hohe Risiken einzugehen. Stabile Anlagen bringen derzeit attraktive Zinsen oder Dividenden ein.»
Wer Ersparnisse hat, die in den nächsten drei bis vier Jahren nicht angezapft werden müssen, sollte nach guten Unternehmen suchen, «deren Aktien kaufen und sie nur noch selten anschauen», meint der Experte. Sein Schwiegervater habe jedes Jahr zum Geburtstag seiner drei Kinder und zu Weihnachten 50 Franken in einen Fonds mit mittelgrossen Aktien eingezahlt. Diese brachten 18 Jahre lang durchschnittlich 10 Prozent pro Jahr ein. Statt der insgesamt eingezahlten 1800 Franken befand sich bei der Volljährigkeit der Kinder mehr als das Dreifache im Depot.
Wer langfristig investieren möchte, kann sich auf Aktien mit einer stabilen Wachstumsgeschichte konzentrieren. Also beispielsweise Blue-Chip-Aktien, das sind Aktien von grossen und bekannten Unternehmen mit gutem Ruf. Wer eher an kurzfristigen Gewinnen interessiert ist, kann sich auf Aktien mit einem höheren Risiko- und Volatilitätsniveau konzentrieren. Beispielsweise Small-Cap-Aktien von Unternehmen mit einem Börsenwert zwischen 300 Millionen und 2 Milliarden Franken.
Behalte die Marktaussichten im Auge
«Nach einem vielversprechenden Jahresbeginn sehen wir, dass es noch Spielraum für Aktien gibt», so Gattiker. Der Zinsschub liege mehrheitlich hinter uns und Anleihen dürften für Anleger kein Hemmnis mehr darstellen.
Die wichtigsten Trends, die es zu beobachten gilt, sind die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft und der nachlassende Inflationsdruck. «Sollten sich die Aussichten deutlich verdüstern – die Wirtschaft beginnt sich abzuschwächen oder die Teuerung beschleunigt sich plötzlich wieder – müsste man über die Bücher gehen», so der Experte.
Finde die interessanten Sektoren
Mit Ausnahme von Technologie- und Rohstoffwerten sind Schweizer Anleger mit einer grossen Auswahl an lokalen Titeln gut bedient. «Wir glauben, dass Titel im Gesundheitsbereich wie Pharma, die in unserem Land stark vertreten sind, auch aus einer globalen Perspektive relevant sind», so Gattiker. Bei Technologie stehen US-Titel im Vordergrund. Was die Rohstoffaktien betrifft, so sind diese in den letzten zwei Jahren etwas ausgereizt worden. In den kommenden Monaten werde es wahrscheinlich bessere Kaufgelegenheiten geben.
Schweizer Aktien sind die «amerikanischsten» in Europa, erklärt der Chefstratege von Julius Bär: «Die Unternehmen an der hiesigen Börse behaupten sich im europäischen Vergleich als stabile Wachstumswerte.» Nach enttäuschenden Jahren haben die europäischen Aktien jedoch zuletzt wieder an Stärke gewonnen. Für den Schweizer Markt bedeutet dies, dass Titel aus der zweiten Reihe an Boden gewinnen. Dabei handelt es sich um etwas agilere Unternehmen, die aber in schlechten Zeit stärker schwanken als die Schwergewichte.
Denke auch an Immobilien und Gold
Der Immobilienmarkt ist weltweit stark gewachsen, während die Zentralbanken in den letzten Jahren viel Geld in die Wirtschaft gepumpt haben. «Inzwischen haben die Immobilienfonds einen deutlichen Abschwung eingepreist», hält Gattiker fest. In der Schweiz ist der Rückgang vielleicht nicht so stark wie in den USA, Grossbritannien oder Schweden. Aber es gilt vorsichtig zu bleiben, bis klar ist, wie sich der Anstieg der Hypothekenzinsen auf die Hauspreise und das Angebot auswirkt.
In Bezug auf Gold betont der Experte, dass es sich vor allem um eine Krisenanlage handelt. «Wenn die Weltpolitik Krisen durchläuft oder die USA wider Erwarten in eine Rezession rutschen, geht Gold durch die Decke», so der Experte. Zu Zeiten von wirtschaftlichen Aufschwüngen ist Gold aber eher ein Lockvogelprodukt.