Gazprom lässt Deutschland aufhorchen
Bleibt der russische Gashahn für Deutschland zu?

Der Stopp der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 zeigt erste Auswirkungen. Deutschland kommt bei der Gasspeicherung nur noch im Schneckentempo voran.
Publiziert: 13.07.2022 um 17:43 Uhr
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Durch Nord Stream 1 fliesst derzeit wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr.
Foto: keystone-sda.ch

Russland hat Deutschland den Gashahn zugedreht. Durch die Leitung Nord Stream 1 fliesst seit Montag wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr. In Deutschland geht seither die Sorge um, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird. Die Angst vor einem dauerhaften Lieferstopp ist am Mittwoch nochmals angestiegen.

Eigentlich hätte Nord Stream 1 nach der zehntägigen Wartung wieder in Betrieb gehen sollen. Doch nun hat der russische Gasriese Gazprom in einer Erklärung bekannt gegeben, dass dies nicht garantiert werden könne. Gazprom benötigt für die Reparatur eine Turbine aus Kanada, deren Lieferung noch nicht bestätigt worden sei, teilte Gazprom am Mittwoch mit.

Angst vor dem Winter

Noch ungewiss ist, ob der Lieferung die Sanktionen gegen Russland im Weg stehen. Bleibt die Leitung dicht, dürfte dies für Deutschland gravierende Auswirkungen haben. Durch die Wartungsarbeiten ist die Einspeicherung von Gas in Deutschland praktisch zum Erliegen gekommen. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 war zuletzt die wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland.

Die EU will bis Ende Jahr deutlich weniger Gas – und mittelfristig überhaupt keine Energie mehr aus Russland beziehen. In Deutschland befürchtet die Regierung deswegen für den kommenden Winter eine Gasmangellage und versucht auf Hochtouren, seine Gasspeicher so schnell wie möglich zu füllen.

Speicher nicht annähernd gefüllt

Laut Gesetz sollen die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein. Aktuell ist Deutschland von diesem Ziel allerdings noch weit entfernt. Die Gasspeicher sind gerade einmal zu 64,6 Prozent gefüllt, wie Bundesnetzagentur berichtete. Sie korrigierte damit frühere Angaben, nach denen der Füllstand schon bei 64,9 Prozent lag.

Russlands Energieriese Gazprom pumpt nach der vorübergehenden Abschaltung von Nord Stream 1 sein Gas aber trotz des Krieges weiter über die Ukraine nach Europa. Die für Mittwoch vereinbarte Liefermenge liegt allerdings nur bei 41,3 Millionen Kubikmeter und damit nicht einmal bei der Hälfte des möglichen Umfangs. Das geht aus Mitteilungen des ukrainischen Gasnetzbetreibers und von Gazprom hervor.

Der Umfang entsprach dem der vergangenen Tage, obwohl durch die Abschaltung von Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten bis 21. Juli eigentlich grössere Mengen durchgeleitet werden könnten.

Kohlekraftwerke hochfahren

Um Gas zu sparen und damit mehr Einspeicherung zu ermöglichen, dürften in Deutschland schon bald vermehrt Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung zum Einsatz kommen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine entsprechende Verordnung. «Wir wollen jetzt im Sommer Gas einsparen, um unsere Speicher für den Winter zu füllen», erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Kraftwerke, die mit Kohle und Öl betrieben werden und sich aktuell in der Netzreserve befinden, können demnach bis zum Ende des Winters befristet an den Strommarkt zurückkehren. Die Verordnung soll schon am Donnerstag in Kraft treten.

Ohne Russengas durch den Winter

Aus Sicht der Energieökonomin Claudia Kemfert muss eine Gasmangellage aber selbst dann nicht zwingend eintreten, wenn Russland sämtliche Gaslieferungen nach Deutschland einstellen sollte. «Ob es wirklich zu einem Gasmangel kommt, hängt an verschiedenen Aspekten», sagte die Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Deutschen Presse-Agentur. Dazu zählten vor allem der Aufbau von Gaslieferbeziehungen mit anderen Ländern als Russland, das stete Befüllen der Speicher und das Einsparen von Gas.

Daneben gebe es weitere Möglichkeiten. «Aber wenn zumindest die ersten drei Komponenten gut geschafft sind, sehe ich nicht, dass wir tatsächlich eine Gasmangellage bekommen müssen», sagte Kemfert. Deutschland habe mit diesen Massnahmen begonnen oder sei bereits auf einem guten Weg. (SDA/smt)


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