«Die Unsicherheiten machen es momentan sehr schwierig»
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Flughafen-Zürich-CEO:«Die Unsicherheiten machen es momentan sehr schwierig»

Flughafen-Chef Stephan Widrig bringt die Corona-Krise nicht ins Trudeln
«Wir brauchen keine Staatshilfe»

Kaum eine andere Branche ist derart coronagebeutelt wie die Luftfahrt. Wie es in der Pandemie um den Flughafen Zürich steht, einen der grössten Arbeitgeber der Region, sagt CEO Stephan Widrig im Exklusiv-Interview mit Blick.
Publiziert: 03.01.2022 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2022 um 07:52 Uhr
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Stephan Widrig arbeitet seit 22 Jahren beim Flughafen Zürich. Seit 2008 ist er in der Geschäftsleitung und seit 2014 CEO des grössten Schweizer Flughafens.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Ulrich Rotzinger

London sagte die Neujahrsfeier ab, Paris ebenso. Israel lässt Touristen nicht mehr ins Land. Thailand führt wieder die Einreise-Quarantäne ein. Angesichts der hochansteckenden Omikron-Variante droht neues Reise-Chaos. Mitten drin: der Flughafen Zürich. Dieser ist wieder im Blindflug. «Seit Omikron auf dem Radar aufgetaucht ist, ist die Luftfahrtbranche fast wieder zurück auf Feld 1», sagt Chef Stephan Widrig (49). Verlässliche Prognosen? Derzeit Fehlanzeige. Immerhin gehe der Flugbetrieb weiter.

Blick: Herr Widrig, wie beunruhigt sind Sie wegen der Ausbreitung von Omikron?
Stephan Widrig: Die Unsicherheiten nehmen für uns wieder deutlich zu, die Planbarkeit in den nächsten Monaten nimmt merklich ab. Die Ausbreitung von Omikron verlängert die Krise. Viel hängt jetzt davon ab, wie sehr und wie lange der Reiseverkehr eingeschränkt wird.

Sie sind ein Kritiker der Quarantäne-Liste?
Reisen muss möglich bleiben. Dabei ist auch verständlich, dass Vorgaben gemacht werden rund um Impfungen, Tests und Masken. Die Quarantäne verunmöglicht das Reisen nahezu komplett und ist unverhältnismässig in einer Zeit, wo andere Mittel bestehen. Wegen Omikron ist ein Test bei der Einreise aus Risikogebieten in die Schweiz vertretbar.

Was erwarten Sie vom Bundesrat?
Ich appelliere an den Bundesrat, dass er verhältnismässig bleibt, nicht pauschale Reiseverbote verhängt und mindestens innerhalb Europas nicht mehr mit einer Quarantäne-Liste arbeitet.

Trotzdem wird auch innerhalb Europa das Grenzregime wegen Omikron verschärft.
Es ist in Ordnung, wenn man zwischen den Kontinenten eine gewisse Reiseverlangsamung sicherstellt. Aber innerhalb von Schengen muss man frei reisen können. Es ist eine Scheinvorstellung, dass man zwischen den Ländern Europas eine pandemische Abschottung betreiben kann. Wir sind dermassen vernetzt...

Seit November sinken die Passagierzahlen in Zürich wieder massiv.
Wir hatten gehofft, dass der Passagierzuwachs vom Sommer und Herbst über den Winter weitergeht. Bis zum Frühjahr ist dies nun äusserst fraglich.

Bringt Sie die Ruhe auf dem Rollfeld um den Schlaf?
Wir sind 2021 mit höheren Fallzahlen gestartet. Dieses Jahr ebenso. Wir stehen aber an einem ganz anderen Punkt als vor zwölf Monaten, sind in den Mitteln, die wir zur Pandemiebekämpfung haben, einen grossen Schritt weiter. Und wir haben gesehen, dass die Leute die Lust auf Reisen nicht verloren haben. Im Frühjahr dürften wir das Schlimmste überstanden haben, dann geht es wieder aufwärts, da bin ich zuversichtlich.

Ihr Flughafen hat aber massiv weniger Passagiere.
Wir rechnen 2021 mit 10 Millionen Passagieren. Das ist weniger als ein Drittel gegenüber 2019 vor Corona. Das heisst auch, wir haben fast zwei Drittel weniger Umsatz im Flugbetrieb. Hinzu kommen tiefere kommerzielle Erträge wegen der Homeoffice-Pflicht und geringerem Pendlerverkehr.

Geht dem Flughafen das Geld aus?
Nein. Wir haben zum Glück in den guten Zeiten Reserven gebildet, auch das Geschäft diversifiziert. Letztes Jahr haben wir zudem 900 Millionen Franken Fremdkapital aufgenommen, um jederzeit die Liquidität sicherstellen zu können. Das Jahr 2020 haben wir dann mit einem Verlust von fast 70 Millionen Franken abgeschlossen.

Schreiben Sie 2021 erneut rote Zahlen?
Der Flughafen Zürich durchlebt die grösste Krise seiner Geschichte. Wir werden auch im Jahr 2021 sicher nochmals einen Verlust in den Büchern haben.

Ein Leben am Flughafen

Stephan Widrig (49) arbeitet seit 22 Jahren beim Flughafen Zürich. Er leitete unter anderem den Immobilienbereich und arbeitete für den Schwesterflughafen im indischen Bangalore. Seit 2008 ist er in der Geschäftsleitung und seit 2014 CEO des grössten Schweizer Flughafens. Am grössten Arbeitgeber der Region hängen direkt 1700, indirekt 25'000 Jobs. Widrig wohnt mit Frau und drei Töchtern in einer Flughafengemeinde.

Philippe Rossier

Stephan Widrig (49) arbeitet seit 22 Jahren beim Flughafen Zürich. Er leitete unter anderem den Immobilienbereich und arbeitete für den Schwesterflughafen im indischen Bangalore. Seit 2008 ist er in der Geschäftsleitung und seit 2014 CEO des grössten Schweizer Flughafens. Am grössten Arbeitgeber der Region hängen direkt 1700, indirekt 25'000 Jobs. Widrig wohnt mit Frau und drei Töchtern in einer Flughafengemeinde.

Wird Ihr Unternehmen die Krise überleben?
Wir haben ausreichend finanzielle Mittel, um diese Krise durchzustehen. Und wir benötigen auch bei einem schwierigen 2022 keine Staatshilfe, einmal abgesehen von der Kurzarbeitsentschädigung.

Wie viele Angestellte sind noch auf Kurzarbeit?
Das Mittel der Kurzarbeit hat enorm geholfen, dass wir kaum Entlassungen aussprechen mussten. Trotzdem ist die Infrastruktur, die es zu warten gilt, genau gleich gross, weshalb wir hier nicht beliebig Kurzarbeit machen können. Im Moment machen vor allem Einheiten noch Kurzarbeit, welche direkt am Flugbetrieb hängen, so etwa Busfahrer oder Airport Guides.

Gehen Sie kein zu grosses Risiko ein, indem Sie Flughafenprojekte in aller Welt haben?
Auch in der Krise dürfen wir das langfristige Handeln nicht aus den Augen lassen. Wir diversifizieren in der Schweiz mit Immobilien wie The Circle, um krisenresistenter zu werden. In Brasilien und Indien sehen wir grossen Nachholbedarf an Flughafeninfrastruktur. Diese Projekte geben uns eine langfristige Wachstumsperspektive im Kerngeschäft Aviatik.

Sie investieren in der indischen Metropole Delhi fast 700 Millionen Franken. Was soll das?
Rund 40 Prozent der Finanzierung, 300 Millionen Franken, stemmen wir mit eigenen Mitteln, der Rest ist Fremdkapital von lokalen Banken vor Ort. Wir investieren damit etwa 6 Prozent unseres aktuellen Unternehmenswertes in ein wichtiges Zukunftsprojekt. Wir rechnen mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2024.

Bis dahin dauert es wohl auch, bis die Branche sich komplett vom Corona-Einbruch erholt hat.
Ja, es wird sicher noch Jahre dauern, bis ein uneingeschränkter weltweiter Reiseverkehr wieder hergestellt ist. Aktuell gehen wir davon aus, dass dies etwa im Jahr 2025 wieder der Fall sein wird.

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