Trotz des Zinsanstiegs sind die Preise für Wohneigentum nicht merklich gesunken. Woran liegt das – und werden die Preise doch noch in Bewegung kommen?
Anna Pohl: Die Preise von Wohneigentum sind allenfalls partiell gesunken, beispielsweise im Luxussegment. In den Grossstädten sowie in deren Agglomerationen stagnieren die Preise. Und an den Rändern der Agglomerationen – beziehungsweise im ländlichen Gebiet – sind sie leicht gesunken. Grundsätzlich bleiben die Nachfrage und damit die Preise nach Wohneigentum in der Schweiz weiterhin hoch. Insbesondere, weil sich die Zinssituation sowie die Inflationsrate stabilisiert haben. Ein weiterer Treiber ist die aktuell starke Zuwanderung, die sich zwar vorwiegend auf die Nachfrage bei den Mietwohnungen auswirkt, dadurch aber vielleicht auch den einen oder anderen Mieter dazu bewegt, Wohneigentum anstelle einer hohen Miete in Betracht zu ziehen. Kurzum: Ich gehe derzeit nicht davon aus, dass sich die Preise für Wohneigentum markant bewegen werden.
Wie stark dämpft der Zinsanstieg das Geschäft mit Renditeimmobilien?
Als Dienstleister und Transaktionsmanager haben wir bereits im dritten Quartal 2022 eine Verunsicherung der Investorinnen und Investoren wahrgenommen. Diese Verunsicherung hat sich durch die letzten zwölf Monate gezogen. Grund dafür war nicht nur der Zinsanstieg, sondern auch die Volatilität der Aktienmärkte, vergangene und aktuelle Krisen sowie die Inflation. Die Immobilienmärkte im europäischen Ausland sind bereits 2022 sehr stark unter Druck gekommen. Im Gegensatz dazu ist das hiesige Marktgeschehen noch immer in Bewegung bezüglich Preis und Angebot – wenn auch auf tiefem Niveau.
Werden viele Renditeimmobilien zum Verkauf angeboten?
Das Angebot ist relativ gross, ja. Das rührt daher, dass einzelne Investorinnen aufgrund ihrer Finanzierungsmodelle unter Druck geraten, dass bei anderen die Immobilienquote im Kontext zur Gesamtassetallokation zu hoch geworden ist und opportunistische Investoren sich eher Anlagealternativen zuwenden. Die Preisvorstellungen von Käuferinnen und Verkäufern divergieren in diesem Jahr viel stärker als in den Vorjahren; der «Run» auf die Immobilien ist aufgrund endlich wieder vorhandener Anlagealternativen und punktueller Abwertungen der Immobilien vorbei.
Welche Art von Wohnung ist derzeit besonders gefragt?
Wegen der geringen Verfügbarkeit von Mietwohnungen sowie der hohen Mieten in den Grossstädten machen sich Menschen, die über genügend Eigenmittel verfügen, sicherlich vermehrt Gedanken über einen Erwerb von Wohneigentum. Trotzdem wird nicht jede Wohnung eines Neubauprojekts ab Plan zu Höchstpreisen verkauft. Die Qualität muss stimmen – die Käuferinnen sind zunehmend besser informiert und sensibilisiert.
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Homeoffice hat sich in der Schweizer Wirtschaft etabliert. Ist die Vermietung von Büroräumen schwieriger geworden, weil die Unternehmen wegen der Telearbeit weniger Büroflächen benötigen?
An den Toplagen ist der Büromarkt in stabiler Verfassung. An nicht zentralen Lagen hat sich die Nachfrage seit der Pandemie jedoch nicht erholt. Ob dies am Trend zu mehr Telearbeit liegt, ist nicht eindeutig zu identifizieren. Mir stellt sich die Frage, ob der Homeoffice-Trend wirklich nachhaltig ist. In den letzten Wochen sind vermehrt widersprüchliche Aussagen zum heiss diskutierten Thema aufgetaucht. Einige Unternehmen versuchen gar, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zurückzuholen – wenn nötig auch mithilfe eines Belohnungssystems. Zudem gilt: Die Flächennutzung verändert sich generell wegen der Digitalisierung – diese Entwicklung wird mit dem Begriff «New Work» umschrieben. Flex-Desks, Quiet Zones, Collaboration Areas und Community Spaces sind heute Teil eines modernen Bürokonzeptes. Das führt auch in Büros, in denen Arbeitsplätze geteilt werden, nicht zwingend zu weniger Quadratmetern an Bürofläche.
Der CO2-Ausstoss von Immobilien muss sinken – was zu vielen Sanierungen führen wird. Wird Wohnen wegen dieses grünen Umbaus teurer?
Diese Frage ist eine politische, da einige Kantone bereits heute regulatorisch eingreifen, was dazu geführt hat, dass das Wohnen nach Sanierungen nicht teurer werden kann. In diesen Fällen verzögern sich jedoch auch einige notwendige Sanierungen, da die Investoren wertvermehrende Investitionen nicht oder nicht vollständig auf die Mieterinnen umwälzen dürfen. Natürlich führen Sanierungen zur Steigerung oder Erzielung der Nachhaltigkeit zu hohen Initialkosten, was zu potenziell höheren Mieten führen kann. Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Mietkosten werden von der spezifischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Landschaft der Schweiz beeinflusst werden. Der Übergang zu nachhaltigeren Gebäuden wird langfristig sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile bieten – dies gilt es zu betonen.
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Lange bauten viele Investoren lieber Mietwohnungen statt Stockwerkeigentum. Werden nun wieder vermehrt Eigentumswohnungen entwickelt?
Vorneweg: Die Sorgen der Immobilienentwickler sind noch immer spürbar. Der gesamte Immobilienmarkt kommt aus einer selten zuvor dagewesenen Hochphase und muss sich an die neuen Gegebenheiten und die damit einhergehenden geringeren Gewinne gewöhnen. Die Komplexität von Entwicklungen hat stark zugenommen. Und die gestiegenen Zinsen und weiterhin steigende Baukosten sowie langwierigere Bewilligungsprozesse lassen Entwickler sorgfältiger agieren. Ob Mietwohnungen oder Stockwerkeigentumseinheiten entwickelt werden, ist aber vorrangig eine Frage der Strategie. In den absoluten Topzentren sind die erzielbaren Mieterträge derart hoch, dass der Bau von Mietwohnungen weiterhin attraktiver sein könnte als Stockwerkeigentum.
Pensionskassen, die in den letzten Jahren massiv in Immobilien investiert haben, sehen nun wieder andere interessante Anlagemöglichkeiten. Sind die Kassen deshalb weniger stark im Immobilienmarkt aktiv?
Die sinkenden Kurse von Obligationen und Aktien führten bei institutionellen Anlegern dazu, dass die strategisch vorgegebene Immobilienquote in den Portfolios ihr oberes Limit erreichte oder es sogar überschritt. Das konnten wir bereits in den Jahresabschlüssen 2022/23 sehen. Gerade die Pensionskassen gingen deshalb anfangs auf die Einkaufsbremse – obwohl das Kapital eigentlich da gewesen wäre. Dank steigender Zinsen gibt es wieder echte Anlagealternativen. Es sind jedoch bei weitem nicht nur die Pensionskassen, die bei den Investments zurückhaltender waren. Die meisten institutionellen Investoren waren im Jahr 2023 abwartend bis zurückhaltend. Nicht zuletzt aufgrund der stetigen Erträge bleiben Immobilienanlagen für Pensionskassen aber eine attraktive und sichere Anlagemöglichkeit. Wir gehen davon aus, dass diese Institutionen auch in Zukunft aktive Marktteilnehmerinnen sein werden. Generell geniesst der Schweizer Immobilienmarkt im internationalen Vergleich eine vorteilhafte Stellung. Während die Immobilienmärkte in den USA, in Grossbritannien und der EU erhebliche Einbrüche verzeichneten, hat die Stabilität des Schweizer Frankens, die vergleichsweise niedrige Inflation und die Zinspolitik der SNB dazu beigetragen, dass unser Immobilienmarkt, wenn auch auf bescheidenerem Niveau, weiterhin gut funktioniert.
Anna Pohl beantwortete die Fragen schriftlich.