Darum gehts
Harte Verhandlungen mit den Amerikanern, damit kennt sich Thomas Borer (67) aus. Der Diplomat leitete in den 1990er-Jahren die «Taskforce Schweiz – Zweiter Weltkrieg» und musste die Rolle des Landes in den Kriegsjahren verteidigen. Die von US-Präsident Donald Trump (78) aufgebrummten Strafzölle von 31 Prozent sind zwar ausgesetzt, aber noch lange nicht vom Tisch. Was die Schweiz nun tun sollte, erklärt der Ex-Botschafter an seinem Firmen- und Wohnsitz in Thalwil ZH.
Blick: Herr Borer, die hohen Zölle kommen im Moment nicht, kann die Schweizer Wirtschaftsdiplomatie sich nun entspannt zurücklehnen?
Thomas Borer: Nein, auf keinen Fall. Sie wird intensiv an einem Programm arbeiten müssen, das man den USA zur Abwendung von weiteren Zollmassnahmen unterbreiten kann. Der Bundesrat hat bis jetzt vieles richtig gemacht …
… Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) konnte am Mittwoch 25 Minuten mit Donald Trump telefonieren. Ein Erfolg?
Ja, ganz gewiss. Zwar werden bei solchen Gesprächen keine eigentlichen Verhandlungen geführt, aber sie sind für die Gesamtatmosphäre und die Beruhigung der Lage sehr wichtig.
US-Medien berichten, auch das Telefon der Bundespräsidentin habe zum Umdenken beigetragen. Ist die Schweiz wichtiger, als wir annehmen?
Wir dürfen uns nicht überschätzen, aber auch nicht immer kleinreden. Wir sind eine starke wirtschaftliche Mittelmacht und in Bezug auf die USA, insbesondere als sechstgrösster Investor, wichtig. Das hat Bedeutung.
Zusätzlich hat die Schweiz einen Sonderbotschafter ernannt und eine Taskforce eingesetzt. Das richtige Rezept?
Das scheint mir vor allem ein innenpolitischer Entscheid, um die Schweizer zu beruhigen. An sich sind die Strukturen unserer Wirtschafts- und Sicherheitsdiplomatie genügend ausgebaut, um derartige Herausforderungen zu bewältigen. Wir haben auch eine grosse Botschaft in Washington. Aber der Bundesrat meinte vielleicht: Doppelt genäht hält besser.
Thomas Borer (67) hat Rechtswissenschaft studiert und beim Eidgenössischen Aussendepartement als Völkerrechtler gearbeitet. Dort prägte er 1993 massgeblich die Schweizer Strategie in der Neutralitätspolitik, die bis heute gilt. Von 1993 bis 1996 leitete er als Botschafter die Taskforce «Schweiz – Zweiter Weltkrieg». Danach war er Botschafter in Deutschland bis 2002. Seither ist er als Unternehmensberater tätig, mit nationalen und internationalen Mandaten.
Thomas Borer (67) hat Rechtswissenschaft studiert und beim Eidgenössischen Aussendepartement als Völkerrechtler gearbeitet. Dort prägte er 1993 massgeblich die Schweizer Strategie in der Neutralitätspolitik, die bis heute gilt. Von 1993 bis 1996 leitete er als Botschafter die Taskforce «Schweiz – Zweiter Weltkrieg». Danach war er Botschafter in Deutschland bis 2002. Seither ist er als Unternehmensberater tätig, mit nationalen und internationalen Mandaten.
Welche Fehler darf die Schweiz jetzt nicht machen?
Die Gelassenheit verlieren. Wenn Sie der kleinere Partner sind, dann dürfen Sie nicht mit Gegenmassnahmen drohen. Vor allem, wenn der Gegenspieler Donald Trump heisst, der den Hang zum Überreagieren hat. Die Schweiz muss Hand für einen Deal bieten. Einen Deal, bei dem Trump wie der Sieger aussieht.
Wie könnte der Deal aussehen?
Es braucht ein ganzes Paket mit Vorschlägen, die das Interesse der Amerikaner wecken. Man könnte insbesondere Investitionen von über 100 Milliarden in den nächsten vier Jahren in Aussicht stellen. Aus Washingtoner Kreisen habe ich vernommen, dass dies für das Weisse Haus eines der wichtigen Elemente wäre. Oder die Schweiz könnte erneut ein Freihandelsabkommen vorschlagen …
… das beim letzten Mal am Widerstand der Bauern in der Schweiz gescheitert ist.
Richtig, aber die Schweiz muss sich bewusst sein, es wird wehtun. Wir können nicht einfach profitieren wie bisher. Trump will nicht der Wall Street gefallen, sondern seiner Wählerschaft. Darunter hat es viele Landwirte, die Rindfleisch oder Soja produzieren und erwarten, dass er etwas für sie tut. Umgekehrt erbringen die Bauern in der Schweiz weniger als ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Ich habe nichts gegen die Bauern, ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Aber es geht um Wichtigeres, etwa ob die Pharma- oder die Maschinenindustrie zollfrei in die USA exportieren können. Es geht um das Interesse des gesamten Landes. Den Verlust, den die Bauern einfahren würden, müsste man durch Direktzahlungen ausgleichen. Zudem hätte ein Freihandelsabkommen einen weiteren Vorteil.
Nämlich?
Wir könnten es Trump als einen Erfolg in seinem Kampf gegen die EU verkaufen. Denn dadurch hätten Schweizer Exporteure einen grossen Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus den Nachbarstaaten. Die Produkte des süddeutschen Maschinenbauers wären weiterhin mit Zöllen belastet, während der Schweizer Konkurrent zollfrei in die USA exportieren kann. Das würde viele EU-Staaten unter Druck bringen, ein ähnliches Abkommen mit den USA zu erzielen. So etwas würde Trump gefallen.
Sollte die Schweiz jetzt nicht viel eher mit der EU zusammenspannen?
Nein, wir sollten uns mit niemandem zusammentun. Weder mit China noch mit der EU. Aussenpolitik ist immer Interessenpolitik – und damit zum Teil auch Machtpolitik. Die EU betreibt mit uns die gleiche Machtpolitik, die wir auch Trump vorwerfen. Das hat sich in den jüngsten Verhandlungen zu den Bilateralen III gezeigt.
Bundespräsidentin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) reisen Ende April ans Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank nach Washington. Eine Chance für ein persönliches Gespräch oder gar Verhandlungen?
Nein, das sind formelle Treffen mit Hunderten Ministern und Staatspräsidenten, die jetzt alle das Gleiche wollen: einen Termin mit Trump. Da würde ich mir keine allzu grosse Hoffnungen machen. Viel wichtiger ist, dass Seco-Chefin Helene Budliger Artieda mit den richtigen Leuten ins Gespräch kommt. Auf diesem Level werden die entscheidenden Verhandlungen geführt.
Wie verhandelt man erfolgreich mit den USA?
Man muss sich immer wie ein Staatsmann benehmen und nicht wie ein Streetfighter. Diesen Fehler hat zum Beispiel Selenski gemacht, er wollte fighten, dabei hätte er besser alles geschluckt. Im Streetfight sind die Amerikaner einfach besser. Und dann muss man ihnen zuerst sagen, wie gut und toll sie sind, ihnen den Schmus bringen. Erst danach darf man sagen: But! – aber wir hätten da auch noch ein Anliegen.
Es scheint, Trump verbringe fast mehr Zeit auf dem Golfplatz, als im Weissen Haus – müssen jetzt alle Politiker Golfstunden nehmen?
Nein, das lernt man nicht so schnell, aber es kann zu unerwarteten Begegnungen mit Donald Trump führen. Das ist mir passiert.
Erzählen Sie?
Das war in Miami im Trump National Doral. Er kam auf mich zu, weil er mein Golfspiel beim Landeanflug mit dem Helikopter gestört hat. Er hat sich bei mir persönlich entschuldigt – und mir dann das Nachtessen im Golfklub spendiert. Er war sehr charmant und umgänglich. Das war vor seiner Zeit als US-Präsident.