Stadler-Patron Peter Spuhler (62) gibt sich gerne als Unternehmer und Zugbauer, der sich nicht in die Politik an den Standorten seiner Werke einmischt. Diese Taktik könnte nun in Belarus bald nicht mehr aufgehen. Dort betreibt Stadler in Fanipol nahe Minsk ein Werk mit rund 1500 Mitarbeitenden. Über 100 Millionen Franken hat Stadler in die Fabrik investiert.
Doch nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Jets in der weissrussischen Hauptstadt Minsk und der anschliessenden Verhaftung des weissrussischen Bloggers Regimekritikers Roman Protasewitsch (26) versucht die EU, Diktator Alexander Lukaschenko (66) mit Sanktionen unter Druck zu setzen. Zum Beispiel, indem Brüssel den EU-Luftraum für die weissrussische Staatsairline Belavia seit Samstag gesperrt hat. Schärfere Sanktionen, die vor allem die weissrussische Wirtschaft direkt treffen, könnten folgen.
Ukraine als Plan B
Dem kann sich auch Spuhler nicht entziehen. Allfällige internationale Sanktionen gegen Belarus würde er selbstverständlich befolgen, falls sie Stadler beträfen, räumt er gegenüber den Zeitungen von CH Media ein. Die Zeitungen skizzieren auch einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma, basierend auf Spekulationen der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine.
Denn sollten Sanktionen gegen Belarus die Stadler-Produktion im Land blockieren, bliebe gemäss Interfax folgender Ausweg: «In dieser Situation sieht es so aus, als ob die Stadler-Konzernleitung beschlossen hat, einen Produktionsstandort in der Ukraine zu schaffen, um die Kapazitäten des weissrussischen Werks hierhin zu verlagern.»
Stadler dementiert Pläne
Davon will Stadler allerdings nichts wissen, auch wenn CH Media schreibt: «Spuhler erwägt seit einiger Zeit den Aufbau eines Produktionsstandorts in der Ukraine. Dazu hat er vor einem Monat mit dem Chef der Ukrainischen Eisenbahnen im Beisein von zwei Ministern eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet.» Diese sei allerdings noch ziemlich unverbindlich und an die Vergabe von Aufträgen an den Schweizer Zugbauer geknüpft.
Stadler-Sprecher Fabian Vettori dementiert alle Spekulationen: «Eine Verlegung unseres weissrussischen Werks ist kein Bestandteil der Verhandlungen mit der Ukraine, und eine Verlegung ist auch nicht geplant.» Denn diese wäre mit einem enormen logistischen Aufwand verbunden. In der Geschichte steckt vor allem ukrainisches Wunschdenken: Ein Stadler-Werk wäre in der wirtschaftlich schwachen Ukraine hochwillkommen. (koh)