Es herrscht Fachkräftemangel – trotzdem finden Ukrainerinnen keinen Job
«Die Firmen in der Schweiz sind verwöhnt»

Weniger als 10 Prozent der erwerbsfähigen ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz haben bislang einen Job gefunden. Dabei würden die Zehntausenden arbeitslosen Flüchtlinge im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen! Blick erklärt die Gründe.
Publiziert: 05.08.2022 um 13:47 Uhr
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Von den 60'000 ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz sind über 30'000 im erwerbsfähigen Alter.
Foto: keystone-sda.ch
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Von den 60'000 ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz sind über 30'000 im erwerbsfähigen Alter.
Foto: keystone-sda.ch
Sarah Frattaroli

60'000 ukrainische Flüchtlinge sind bisher in der Schweiz angekommen. Mehr als die Hälfte davon ist im erwerbsfähigen Alter. Das entspricht über 30'000 Arbeitskräften. Tatsächlich einen Job gefunden haben bislang aber erst 3000, wie Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) zeigen.

Arbeitsmarktexperte Tino Senoner (63) ist trotzdem überzeugt, dass in den ukrainischen Flüchtlingen enormes Potenzial für die Schweizer Wirtschaft schlummert. «Über 80 Prozent der Ukrainerinnen können einen Job in einem Bereich übernehmen, wo heute Fachkräftemangel herrscht», prognostiziert der Personalvermittler. Das reicht bei aktuell 30'000 erwerbsfähigen Ukrainerinnen zwar längst nicht aus, um den Fachkräftemangel in der Schweiz zu lösen. Schliesslich sind aktuell eine Viertelmillion Stellen ausgeschrieben!

Dennoch: Es ist ein Anfang. Dass es mit der Stellensuche aktuell noch hapert, liegt nicht nur an der Sprachbarriere. Eine ukrainische Köchin muss schliesslich kein Deutsch sprechen, um gegen den Fachkräftemangel in der Gastronomie antreten zu können. «Die Firmen in der Schweiz sind verwöhnt», kritisiert Senoner. So seien die Dossiers der Ukrainerinnen vielleicht nicht perfekt – aber längst nicht untauglich. «Manchmal müssten die Arbeitgeber noch etwas in die Ausbildung investieren.» Oft reichten schon 1000 oder 2000 Franken, so Senoner.

Mehrheit will arbeiten

In der Pflicht sind allerdings auch die Ukrainerinnen. «Sie stehen sich selber im Weg, haben kein Vertrauen und bewerben sich auf die falschen Stellen», findet Personalvermittler Senoner. Statt als Köchin schicken sie eine Bewerbung als Küchenhilfe raus – und werden abgelehnt, weil es dort bereits genügend andere Bewerberinnen gibt.

Der Mythos, wonach ukrainische Flüchtlinge nicht arbeiten wollen, sondern auf eine baldige Rückkehr in die Heimat hoffen, ist hingegen kaum Grund für die tiefe Erwerbsquote unter den Geflüchteten: In Deutschland hat eine Umfrage des renommierten Ifo-Instituts jüngst ergeben, dass 90 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge arbeiten wollen. In der Schweiz dürfte es nicht anders aussehen.

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Jörg Scheidegger
07.08.2022, 09:38 Uhr
Der Mangel ist nur gespielt
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Tom Bardo
06.08.2022, 22:16 Uhr
Den Witz mit dem Fachkräftemangel hat mal ein "Experte" gut auf den Punkt gebracht: "Die Unternehmen sind sich sich gewöhnt, auf eine Stellenanzeige 50 oder mehr Bewerbungen zu kriegen. Wenn dann nur noch 10 oder 15 reinkommen, schreien sie in Panik "Hilfe, Wir haben einen Fachkräftemangel!"
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Peter Meier
06.08.2022, 22:15 Uhr
Es gibt auch viele Schweizerinnen und Schweizer, welche keinen passenden Job finden! Wieso sollen Ukrainerinnen, welche temporär hier leben, denn sofort etwas finden sollen ?
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Mike Brunner
06.08.2022, 20:59 Uhr
Die Firmen sind schlicht und einfach zu geizig um eine Person auszubilden. Sogar bei schweizerischen Bewerbern wird pingelig darauf geachtet, ob sie genau dieselbe Tätigkeit anderswo schon gemacht haben. Einarbeitungszeit und Know-how Transfer sollen immer nichts kosten.
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Beat Eisenring
06.08.2022, 18:59 Uhr
Unser Arbeitsmarkt ist schlicht und einfach „verspezialisiert“. Wo früher Allrounder wie z.B. Automechaniker alles rund ums Auto beheben konnten, braucht man heute eine Armada von Spezialisten wie Diagnostiker etc. um den Betrieb aufrecht zu halten. Als Nächstes werden noch Bäcker für Gipfeli links gebogen gesucht. Ich empfehle den Berufsverbänden wieder die Lehren zu vereinfachen und zu verkürzen ansonsten wird sich die Lage noch verschärfen.
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Martin Zürcher
06.08.2022, 20:35 Uhr
Also, wenn man die heutigen Lehren analysiert, kommt man zum Schluss, dass sich alles vereinfacht hat. Früher war es viel schwieriger einen Lehrabschluss zu machen. Das Problem liegt ganz klar bei den Jungen, sie wollen nur noch Fun und in den Ausgang, statt sich ernsthaft für etwas zu interessieren. Daher ist die heutige Spass- und Konsumgesellschaft vielfach den beruflichen Anforderungen im erwähnten Arbeitsmarkt nicht mehr gewachsen und das Ganze wird sich in Zukunft noch verschärfen.
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