Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie macht die Swiss wieder Gewinn. Dank kräftig angestiegener Nachfrage und Restrukturierungen konnte die Fluggesellschaft im ersten Halbjahr einen Betriebsgewinn von 67 Millionen Franken einfliegen – trotz gestiegener Kerosinpreise.
Was der Geschäftsleitung hingegen Kopfschmerzen bereiten dürfte, ist die Personalsituation: Vor wenigen Tagen haben die Piloten den neu verhandelten Gesamtarbeitsvertrag abgelehnt. Deutliche 81 Prozent der Fliegenden stimmten dagegen. Die Swiss hatte den letzten GAV Anfang 2021 gekündigt, weil dieser in ihren Augen nicht krisenfest war.
Seither wird um einen neuen Vertrag gerungen – bisher erfolglos. Die Piloten sind seit Monaten vertragslos. Erst blockierte die Swiss die Verhandlungen, nun ist es das Personal. Kein GAV heisst auch: keine Friedenspflicht. Anders etwa als beim ebenfalls unzufriedenen Swissport-Personal, wo der GAV noch bis Ende Jahr gilt, könnte es bei den Piloten jeden Moment zum Streik kommen.
Deutsche Piloten machen es vor
Der Berufsverband des Cockpitpersonals, Aeropers, hält den neuen Vertragsentwurf für untauglich. «Es ging der Geschäftsleitung offensichtlich darum, die Arbeitsbedingungen der Piloten auch weit über die Krise hinaus nachhaltig zu verschlechtern», so der Vorwurf. Aeropers kritisiert unter anderem, dass es im neuen GAV markant tiefere Gewinnbeteiligungen in guten Jahren gebe. Zudem würde das Anheuern von Freelancern ermöglicht.
«Der Aeropers-Vorstand und die Mitglieder wollen zeitnah die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung der Swiss wieder aufnehmen und zügig einen ausgewogenen und tragfähigen Abschluss finden», sagt Thomas Steffen von Aeropers zu Blick. Sollte die Geschäftsleitung keine «adäquate» Lösung anbieten, müssten die Pilotinnen und Piloten deutlicher werden.
In Deutschland hat bereits eine überwältigende Mehrheit von 97,6 Prozent des Lufthansa-Cockpitpersonals einem Streik zugestimmt. Das Mandat liegt nun beim Verband Vereinigung Cockpit. Vergangene Woche legte schon das Lufthansa-Bodenpersonal seine Arbeit nieder.
Dilemma des Cockpitpersonals
Doch im Gegensatz zu Deutschland sind Streiks hierzulande unüblich. Aeropers sieht sich in einem Dilemma. «Einerseits müssen die Piloten der Geschäftsleitung noch deutlicher zeigen, dass sie unzufrieden sind, andererseits wollen sie der eigenen Firma und der Kundschaft aber nicht schaden», so Steffen. Heute will er noch nichts von einer konkreten Streikdrohung wissen: «Streik ist für uns das allerletzte Mittel.»
Analog zum Verfahren in Deutschland müsste auch Aeropers zuerst seine Mitglieder zu einem möglichen Streik befragen. Derzeit läuft eine Umfrage, um die Stimmungslage besser einzuschätzen.
Die Swiss evaluiert in den kommenden Wochen, wie es weitergehen soll. Man sei gesprächsbereit und werde sich bei Aeropers wieder melden. «Auswirkungen auf die Stabilität des Flugbetriebs erwarten wir durch die Ablehnung des GAVs nicht», teilt die Swiss gegenüber Blick mit. Wenn die Stabilität bleibt, dürfte auch das Jahresergebnis der Swiss positiv ausfallen.