Entscheide fürs Volk oder für die Reichen? Vontobel ordnet ein
Ist das noch unser Bundesrat?

Ist das noch unser Bundesrat oder der seiner reichen Klientel? Der jüngste Entscheid betreffend Nachzahlung in die 3. Säule wecke Zweifel, sagt Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Publiziert: 29.11.2023 um 16:38 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2023 um 23:42 Uhr
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Ist das wirklich noch unser Bundesrat?
Foto: keystone-sda.ch
Werner Vontobel

Emanuel Macron ist der «président des riches», der Präsident einer reichen Oberschicht, die letztlich auch seine Wahlkämpfe finanziert hat. Dasselbe unangenehme Gefühl müssen jetzt auch wir Schweizer haben. Was ausser Klientel-Politik kann der Grund sein, warum der Bundesrat die schätzungsweise 10 Prozent der Reichsten steuerlich um rund 500 Millionen entlasten will?

Geht es nach dem Bundesrat, können alle Schweizer die bisher nicht bezahlten 3. Säule-Beiträge demnächst nachzahlen – und von der Steuer abziehen. Um davon zu profitieren, muss man aber in der Lage sein, rund 14'000 Franken vom jährlichen Einkommen zu sparen – 7025 Franken für die laufende Einzahlung und weitere maximal 7025 Franken für die Nachzahlung.

Dass dazu maximal die reichsten 10 Prozent in der Lage sind, zeigt etwa die Rentenstatistik von 2022 wonach auch das reichste Viertel der Neurentner ein mittleres 3. Säule-Guthaben von bloss 65'000 Franken kassiert hat. Sie konnten somit pro Arbeitsjahr weniger als 2000 Franken einzahlen. Dazu passt auch diese (etwas ältere Studie), wonach nur die reichsten 13 Prozent genügend verdienen, um den laufenden Maximalbetrag (geschweige denn das Doppelte) zahlen zu können.

Reiche steuerlich bevorzugt

Doch die 7000 Franken Steuerabzug sind nur die Kirsche auf der Sahnetorte für die Grossverdiener. Diese können seit vielen Jahren auch die Nachzahlungen in die 2. Säule steuerlich abziehen. Dabei geht es um viel höhere Beträge. Nehmen wir ein Beispiel: Mister X kriegt eine Lohnerhöhung von 150'000 auf 200'000 Franken. Dann kann er ausrechnen lassen, wie hoch sein PK-Kapital wäre, wenn er schon immer so viel verdient hätte. Die Differenz von – sagen wir – 150'000 Franken kann er in Tranchen steuerlich absetzen.

Angenommen, die erste Tranche betrage 50'000 Franken, dann sind von seinem Bruttoeinkommen von 200'000 Franken Sparbeträge von 114'000 Franken steuerfrei: 50'000 Franken für die die Nachzahlung 2. Säule, rund 30'000 Franken laufende Beiträge für die 2. Säule, 14'050 Franken Beiträge und Nachzahlung für die Säule 3a und etwa 20'000 Franken für die AHV. Mr. X zahlt somit nicht mehr Steuern als Otto Normalverdiener mit seinen 86'000 Franken.

Wir sparen zu viel

In einer Zeit, in der die Mieten und die Krankenkassenprämien explodieren, die Renten sinken und viele den Gürtel enger schnallen müssen, ist dieses Steuergeschenk ein erstaunlich instinktloser Verstoss gegen den sozialen Zusammenhalt. Zumal auch die nötigen Einsparungen oft zulasten der Armen gehen. Ist das wirklich noch «unser» Bundesrat? Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das ein grober Fehler.

Warum sollen wir das Sparen weiter fördern? Wir sparen eh zu viel. Inzwischen sind unsere beiden Säulen etwa 1300 Milliarden Franken schwer und jedes Jahr kommen noch 30 bis 40 Milliarden dazu. Geld, das nicht zuletzt in die Immobilien fliesst – und die Mieten weiter hochtreibt.

Was soll das? Wem nützt das? Wem ausser den Banken und Versicherungen, die diesen «Schatz» verwalten? Ist «unser» Bundesrat am Ende ihr Bundesrat?

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