Systembedingte Masseneinwanderung
Wir leben in einer zunehmend vaterlandslosen Gesellschaft

Die Welt sei zu einer Menükarte geworden, sagt Werner Vontobel. Durch den Standortwettbewerb verlieren Bürgerinnen und Bürger das Verantwortungsgefühl für ihr Land.
Publiziert: 21.10.2023 um 10:33 Uhr
Werner Vontobel ist Wirtschaftsexperte. Er ordnet Spannungsfelder im Wirtschaftsgeschehen ein.
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

Wo man hinschaut, werden neue Wohnfabriken gebaut. Alle zieht es in die Schweiz. Im Gegenzug entvölkern sich ganze Landstriche - Süditalien, das Burgund, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Kroatien, Rumänien, usw. Dichtestress und teure Wohnungen hier, Verödung dort. Aus- und Einwanderung sind Teufelskreise: Sind erst einmal die Nachbarn und Freunde weg, hält einen auch nichts mehr – und im Zweifelsfall zieht man dahin, wo man schon ein paar Leute kennt. Und wo die Menschen wegziehen, wird auch nicht investiert.

Doch der wichtigste selbstverstärkende Prozess sind die Einrichtungskosten. Für jede Familie, die ihre Wohnung in – sagen wir Pommern - verlässt, muss hier erst eine Wohnung gebaut und eingerichtet werden. Und wie alle, die hier leben, brauchen die Zugezogenen auch Lehrer, Ärztinnen, Spielplätze, ÖV, Kuriere usw. Wir argumentieren zwar immer mit Fachkräften für die Exportindustrie, aber volkswirtschaftlich gesehen arbeiten die Immigranten vor allem für den eigenen Bedarf. Per saldo führt der Standortwettbewerb nur dazu, dass Tätigkeiten von einem Ort an den anderen verschoben werden – mit all den Zusatzkosten, die die Verschiebung mit sich bringt.

Verantwortungsgefühl ist das Fundament der Wirtschaft

Dieses Problem hat sich massgeblich verschärft. Wir leben immer mehr in einer entwurzelten, vaterlandslosen Gesellschaft: Angeführt von einer zunehmend reichen Oberschicht von Standortoptimieren. Die Mittelschicht ist bestens vernetzt, sie kennt an allen guten Standorten ein paar Leute und weiss, wo man mehr verdienen kann. Das gilt auch für die Unterschicht, die durch wirtschaftliches Elend oder kriegerische Ereignisse zur Auswanderung gedrängt wird.

Das Verantwortungsgefühl des Bürgers für «sein» Dorf und «sein» Land ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Und es ist auch das Fundament der Wirtschaft: Mehr als 90 Prozent unserer Arbeit, unbezahlt oder bezahlt, leisten wir für die Menschen vor Ort. Exporte sind auch wichtig, Betonung auf auch. Dieses Verantwortungsgefühl geht verloren. Siehe die norwegischen Millionäre – und all die anderen Steuerflüchtlinge – und Einkommensoptimierer. Die Welt ist zu einer Menükarte geworden – einmal Schweiz bitte!

Zugang in die Schweiz erschweren

Die Vaterländer können ihren Bürgern die Ausreise nicht verbieten. Aber wir könnten Ihnen und vermutlich auch uns helfen, indem wir den Zugang in die Schweiz erschweren. Professor Reiner Eichenberger propagiert ein staatliches Eintrittsgeld. Eine gute Idee, denn damit würde der von Bodenbesitzer bereits erhobene Eintrittspreis ein Stück weit sozialisiert. Denkbar wäre auch, dass wir von allen Einwanderern die gesparten Steuern einkassieren und an die Heimatländer zurückerstatten.

Würden wir damit unsere Standortvorteile aufgeben und uns selbst schaden? Und wer ist «wir»? Die Mieter oder die Grundbesitzer? Genau darüber sollten wir diskutieren.

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