Im Hafen von Triest hinderten die italienischen Behörden eine 143 Meter lange Segelyacht am Auslaufen. Das Schiff soll rund 530 Millionen Euro wert sein und gehört Andrei Melnitschenko, einem russischen Oligarchen mit Wohnsitz St. Moritz GR.
Es ist nur eine von vielen Meldungen, die seit Kriegsbeginn in der Ukraine weltweit Schlagzeilen machten. Der Westen macht Jagd auf die Vermögen der Geldelite im Umfeld von Wladimir Putin (69), koordiniert durch eine internationale Taskforce.
Die Schweiz hat die EU-Sanktionsliste gegen russische Oligarchen und Regierungsmitglieder übernommen. Diese Woche gab das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bekannt, dass bisher Vermögen in Höhe von 5,75 Milliarden Franken eingefroren wurden.
«Lächerlich kleiner Betrag»
Was nach viel klingt, ist laut Mark Pieth (69), Geldwäschereiexperte und emeritierter Professor für Strafrecht, eher unbedeutend: «Die Schweiz hat für Russland sowohl als Finanzplatz als auch als Rohstoffdrehscheibe eine enorme Bedeutung. Angesichts dessen sind die 5,75 Milliarden Franken, die das Seco bisher eingefroren hat, ein beinahe lächerlich kleiner Betrag.»
Pieth findet es unverständlich, dass sich das Seco auf eine Meldepflicht verlässt, statt selbst Nachforschungen anzustellen. Es sei naiv zu glauben, dass man die Vermögen der Oligarchen mit einer schlichten Bitte um Deklaration ausfindig machen kann: «Russische Oligarchen mussten spätestens seit der Krim-Annexion 2014 damit rechnen, irgendwann auf einer Sanktionsliste zu landen. Sie dürften deshalb alles unternommen haben, um ihre Vermögensverhältnisse zu verschleiern.»
Ob dem Bund in den kommenden Wochen weitere Vermögenswerte sanktionierter Russen gemeldet werden, weiss niemand. Dabei stehen der Bund und insbesondere das Seco zunehmend unter Druck, aktiv nach Oligarchengeldern zu suchen. Gestern äusserten sich im Blick selbst bürgerliche Parteichefs in diesem Zusammenhang zu Wort. Auch Oleksandr Rodnjanskyj, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski, fordert im SonntagsBlick-Interview verstärkte Bemühungen.
EU und Seco drücken sich um klare Antwort
Unklar ist auch, was mit Oligarchen-Geldern, die nun eingefroren werden, in Zukunft geschehen soll. Das US-Justizministerium liess entsprechende Anfragen unbeantwortet – die EU sowie das Seco drückten sich bislang um eine klare Antwort.
Gespräche mit Sanktionsexperten zeigen jedoch, dass die Oligarchen wohl früher oder später wieder frei über ihre Yachten, Villen und Bankkonten verfügen dürfen. «Die Vermögen der russischen Oligarchen sind eingefroren, aber nicht dauerhaft eingezogen», sagt Frank Meyer (46), Strafrechtsprofessor und Experte für internationale Rechtshilfe an der Universität Zürich. Dies sei ein wichtiger Unterschied. So dürften die Betroffenen zum Beispiel nach wie vor in ihren Villen leben, sie aber nicht vermieten oder verkaufen. In Ausnahmefällen kann das Seco andererseits Zahlungen aus gesperrten Konten bewilligen, etwa zur Vermeidung von Härtefällen.
Heerscharen von Anwälten
«Dass die Vermögen der Oligarchen irgendwann tatsächlich eingezogen werden, ist sehr unwahrscheinlich», sagt Meyer weiter. Eine Einziehung von Vermögenswerten sei extrem langwierig und habe hohe Hürden. «Die Oligarchen würden wohl Heerscharen an 1000-Dollar-die-Stunde-Anwälten engagieren, um sich dagegen zu wehren. Und es wäre extrem schwierig, vor Gericht zu beweisen, dass die Vermögen der Oligarchen unrechtmässig erworben worden sind.»
Meyer geht davon aus, dass das Einfrieren der Oligarchen-Gelder vor allem ein Druckmittel ist, um die russische Seite zu isolieren und zum Einlenken zu bewegen.