Noch hat der Winter sein Kurz-Comeback. Doch mit dem bevorstehenden Frühlingswetter kommt die Wandersaison in Gang. Und mit dieser kehren die Menschenmassen in die Schweizer Berggebiete zurück. Zumal die Tourismusbranche davon spricht, dass die Pandemie aus touristischer Sicht nun überwunden ist. Herrschen bald wieder Zustände wie 2019?
Damals riet der Schweizer Tourismus-Verband seinen Mitgliedern, im Kampf gegen Touristenmassen Lenkungsmassnahmen zu ergreifen. Ein berühmtes Beispiel folgte in Iseltwald BE, wo der Zugang zu einem Steg mittels Drehkreuz beschränkt wurde. Iseltwald gilt unter asiatischen Touristen als ein Instagram-Hotspot in der Schweiz. Auch andere beliebte Schweizer Touristenziele ergriffen Massnahmen. Doch ein Symbol des «Overtourism», das Gasthaus Aescher im appenzellischen Alpstein-Gebirge, ergriff keine Massnahmen.
Zur Erinnerung: 2018 kapitulierte das damalige Wirtepaar des berühmten Gasthauses direkt an der Felswand unterhalb der Ebenalp. Die unter anderem dank Instagram-Beiträgen von Roger Federer (42) und Ashton Kutcher (46) weltberühmt gewordene Bergbeiz konnte mit dem Besucheransturm schlicht nicht mehr mithalten. Kurz darauf kam die Pandemie. Und obwohl es hiess, alle sollten daheimbleiben, rannten frischluftsuchende Schweizerinnen und Schweizer den Alpstein und das Gasthaus Aescher ein. Parkingchaos, zu wenige Toiletten, randvolle Wanderwege: Das Image des Naturparadieses litt.
Die lokalen Tourismusbehörden prüften zahlreiche Massnahmen, um Herr der Lage zu bleiben. Umgesetzt wurde aber wenig. Warum?
Viele Gäste, aber kein Overtourism
«Unter diesem Image leiden wir heute noch, auch wenn die damalige unglückliche Konstellation nicht mehr zutrifft», sagt Guido Buob (58), Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus. Es habe sich schon letztes Jahr gezeigt, dass sich die Besucherströme besser verteilen. Viele Menschen arbeiten Teilzeit und haben unter der Woche freie Tage, was die Wochenendspitzen entlastet. Zudem spiele das Wetter eine wesentliche Rolle: «Wenn es eine Woche regnet und am Wochenende schönes Wetter angesagt ist, kommen viele Gäste, wenn aber über mehrere Tage schönes Wetter angesagt ist, verteilt es sich», so Buob.
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Ist das nicht etwas zu schönfärberisch? Buob entgegnet: «Wir brauchen 10 bis 25 starke Tage im Alpstein, um auch über Schlechtwetter-Perioden offen zu haben und die Löhne zahlen zu können.» Starke Tage mit sehr vielen Gästen seien aber nicht mit Overtourism gleichzusetzen: «Davon spricht man erst bei einer ständigen und langanhaltenden Konfliktsituation zwischen Einheimischen und Gästen.»
Das Parkplatzproblem bleibt
Ganz untätig blieb die Region aber angesichts des erhöhten Zuspruchs aber nicht. «Wir bieten seit zwei Jahren Gratisparkplätze in Gossau an, damit man von dort mit den Appenzeller Bahnen von Gossau nach Wasserauen fahren kann», sagt Buob. Das habe jedoch keine Nachfrage generiert: «Alle wollen bis zum Zielort mit dem Auto fahren.»
Trotzdem gibt es auch nach jahrelangen Diskussionen weiterhin kein Parkhaus in Wasserauen AI, wo die Talstation der Ebenalpbahn liegt. Dazu Buob: «Ein Parkhaus muss am Ende immer auch rentieren.» Im Winterhalbjahr stünde es leer. Es bleibe aber ein Thema: «Im Moment wird über diverse mögliche Standorte nachgedacht.» Zudem ist ein Parkleitsystem beabsichtigt. Der Kanton Appenzell-Innerrhoden arbeitet derzeit eine Gesamtverkehrsstrategie aus.
Immerhin: Eine neue Schnellverbindung mit Appenzeller Bahn und Postauto aus dem Raum St. Gallen nach Wasserauen wird laut Buob schon gut genutzt.
Keine Zugangsbeschränkung beim Aescher
Mehr Massnahmen sind aktuell nicht geplant, trotz Bevölkerungswachstum und Verkehrsherausforderungen. «Eine Zugangsbeschränkung beim Äscher braucht es sicher nicht», führt Buob aus. Dort sei Ruhe eingekehrt: «Nach einem Pächterwechsel, Anpassung des Speiseangebots und baulichen Massnahmen herrscht dort Normalbetrieb wie früher.»
Eine Idee mit Rangern, die auf gute Manieren bei den Wanderern achten, wurde ebenso verworfen. Weil die meisten Besucher wissen, was sich gehört: «Dass ein paar Querschläger-Gäste in den sozialen Medien an den Pranger gestellt werden und man davon ein gesamtgesellschaftliches Verhalten ableitet, gehört zum heutigen Zeitgeist», analysiert Buob. Das sei aber falsch und unfair gegenüber der grossen Masse, die sich korrekt verhält.
Dann gab es noch die Idee, einen Naturpark oder gar Nationalpark aus dem Alpstein zu machen. «Im Alpstein gibt es nicht nur Wandergäste, sondern auch eine funktionierende Alpwirtschaft, die kein Interesse an einem Naturpark hat», entgegnet Buob.
Der Alpstein setzt uneingeschränkt auf Wandergäste, darunter viele Jugendliche. Dafür müssen sich Biker an wenige Bikerouten halten. Mit diesem Entscheid verzichte der Alpstein auf eine grosse Anzahl potenzieller Gäste.