Um den Ansturm von koreanischen Touristen auf einen Steg am Brienzersee zu bewältigen, setzt Iseltwald BE auf Drehkreuz-Gebühren von fünf Franken und Eintrittsgebühren für Carunternehmen von 50 Franken. Diese «Lenkung der Touristenströme» sind notwendig geworden, weil das Dorf seit Monaten von Tausenden Touristen überrannt wird. Auslöser war eine Netflix-Serie in Korea, die auch an besagtem Steg in Iseltwald gedreht worden ist.
Nicht nur am Brienzersee wollen ausländische Gäste Selfies schiessen. In der Schweiz gibt es zahlreiche Tourismus-Hotspots, die die Gäste aus Europa und Übersee anziehen. Blick hat sich an vier besonders beliebten Adressen umgehört und gefragt, wie sie die Touristenströme – gerade auch im Hinblick auf die kommende Hochsaison im Sommer – lenken.
Verzascatal im Tessin
In Sommermonaten stürmten auch schon über 10'000 Gäste das Verzascatal nahe Locarno TI. Besonders bei den Deutschschweizern ist der Ort beliebt. Zu den Ferientouristen komme eine hohe Anzahl an Tagesbesuchern hinzu, sagt Jeanne Gerber, Sprecherin der Tourismusorganisation Lago Maggiore e Valli. «Auch wir haben in den letzten Jahren einige konkrete Massnahmen implementiert, um die Besucher- und Verkehrsströme besser zu lenken.» Anders als Iseltwald setzte das Verzascatal nicht auf Gebühren, sondern baute das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel aus, führte eine Parkkarte ein und förderte die Mobilität mit dem Velo und E-Bike.
Mehr zu Iseltwald BE
Aescher-Hütte in Schwende AI
Im Jahr 2018 wurde ein Schweizer Berggasthof im Alpstein zum Internet-Hype. Fotos und Videos von der Aescher-Hütte gingen um die Welt. Die malerischen Bilder der Hütte am Abgrund wurden in den sozialen Medien millionenfach geteilt. In der Folge überrannten Touristen das Berggasthaus. Die Pächter warfen im Herbst desselben Jahres entnervt hin. Die neuen Besitzer freuen sich über die Touristen, wie die Geschäftsführerin Melanie Gmünder Blick bestätigt. Auch wenn der ganz grosse Hype etwas nachgelassen hat, werde die Aescher-Hütte weiterhin unzählige Male pro Tag von ausländischen Touristen fotografiert. Lenkungsmassnahmen seien nicht notwendig und wolle man auch in Zukunft verhindern.
Aussichtsturm auf dem Uetliberg
Früher war der 72 Meter hohe Turm auf dem Zürcher Hausberg gratis zugänglich. Seit 2015 verlangt das Hotel Uto Kulm – die Betreiberin des Aussichtsturms – zwei Franken Eintritt. «Der Turm hat mehrere Millionen Franken gekostet. Zudem sind wir vom Kanton Zürich gemäss Gestaltungsplan dazu verpflichtet worden, den Turm stets instand zu halten und ihn 365 Tage im Jahr der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, obwohl er sich im Privatbesitz der Familie Fry befindet», sagt Uto-Kulm-Sprecher Benjamin Styger zu Blick. «Das generiert alles Kosten – Unterhalt und Wartung des Turms beispielsweise. Die zwei Franken Eintritt sollen einen Teil dieser Fixkosten decken.»
Die Touristenströme bereiten ihm noch keine Kopfschmerzen. Styger sagt aber auch: «In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass an schönen Sommertagen immer mehr Menschen auf den Uetliberg kommen. Der Ansturm ist teilweise gewaltig.» Und weiter: «Wenn es mit dem Bevölkerungswachstum in diesem Stil weitergeht, kann ich mir durchaus vorstellen, dass irgendwann auch auf dem Uetliberg gewisse Lenkungsmassnahmen nötig werden – wenn auch nicht in Form von Eintritts- oder Zutrittskosten.»
Titlis
Im Mai 2019 reisten 12'000 Touristen aus China durch die Schweiz. Die XXL-Touristengruppe aus dem Reich der Mitte machte auch auf dem Titlis Halt. Ein solcher Ansturm sei aber eine Ausnahme, hält Urs Egli, Sprecher der Bergbahnen Titlis, gegenüber Blick fest. «Touristen sind für uns eine grosse Freude und wir haben langjährige Erfahrung im Umgang mit ihnen.» Auf dem Titlis müssen sie in den kalten Monaten des Jahres auf die Touristenströme schauen, wenn die Skifahrerinnen und Skifahrer kommen. «Im Winter haben wir mit dem dynamischen Preismodell eine Massnahme, welche die Gästeströme aktiv lenkt», sagt Egli. «So haben wir nicht zu viele Menschen im Skigebiet und auf den Zufahrtsstrassen. Denn der Schweizer steht auch nicht gerne lange an.»