Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Die renovierte Altbauwohnung in Zürich hat angeblich 2,5 Zimmer, misst 58 Quadratmeter, liegt zentral im Kreis 3 und soll nur 910 Franken Miete im Monat kosten. Die Vermieterin gibt sich als Ana M. aus, will 58-jährig sein und für das spanische Innenministerium arbeiten. Doch die Wohnung existiert nicht – genauso wenig wie die Vermieterin. Ana M. dürfte in Wahrheit Cristian P.* heissen, ein eiskalter Betrüger.
Als Ana M. versucht er, bei potenziellen Opfern Vertrauen aufzubauen. Nach einer Besichtigungsanfrage erzählt er von seiner angeblichen Familie, dem acht Jahre alten Labrador und davon, dass er bald stolze Grossmutter werde.
Geld soll an Privatadresse überwiesen werden
Dann geht es ans Eingemachte: Gerade mal drei Wochen sei es her, dass er für einen Besichtigungstermin vergebens nach Zürich geflogen sei. Cristian P. braucht deswegen eine Garantie in Form einer Kaution über 1200 Franken. Er gibt vor, die Transaktion über einen bekannten Schweizer Mietkautionsanbieter abwickeln zu wollen.
Spätestens beim E-Mail des vermeintlichen Kautionsunternehmens schrillen alle Alarmglocken. In dem Dokument wird erklärt, dass die Zahlung an den internationalen Hauptsitz in Madrid zu erfolgen habe – der tatsächliche Hauptsitz liegt jedoch in Zürich. Was das Unternehmen zu dem Namensmissbrauch sagt? Die Firma lässt eine entsprechende Anfrage von Blick unbeantwortet.
Die Überweisung des Geldes soll auf ein spanisches Privatkonto erfolgen, angeblich direkt an den zuständigen Bankangestellten. Gemäss Rechnung heisst er Cristian P. und wohnt in Madrid.
Bei diesen Nachrichten sollte man vorsichtig sein
Bereits seit mehreren Jahren versuchen Betrüger, mit dieser Masche Geld zu verdienen – und scheinen damit immer wieder Erfolg zu haben. Bei der Polizei gehen jeden Monat im einstelligen, manchmal im tiefen zweistelligen Bereich Anzeigen ein, wie die Zürcher Stadtpolizei gegenüber Blick sagt.
Die Inserate sind alle sehr ähnlich aufgebaut. Die Zürcher Stadtpolizei kennt die Muster und erklärt, wann man misstrauisch werden sollte: Der Vermieter kann nicht selber zur Wohnungsübergabe erscheinen und will den Schlüssel per Post zustellen. Eine Kaution oder Miete wird verlangt, noch bevor man einen Schlüssel erhalten hat. Die Zahlung geht an eine Person, deren Name nicht mit jenem des Vermieters übereinstimmt. «Wir raten, kein Geld im Voraus zu bezahlen und sich nie auf eine Wohnung einzulassen, die man nicht persönlich besichtigt hat», sagt Polizeisprecher Pascal Siegenthaler.
Was tun die Portale?
Die Ermittlungen gestalten sich sehr aufwendig. «Die IP-Adressen der mutmasslichen Täterschaft sowie die verwendeten Bankkonten führen fast immer ins Ausland, was die Strafverfolgung erschwert», so Siegenthaler. Trotzdem gelinge es immer wieder, Personen wegen Betrugsdelikten zu verhaften.
Die Polizei ist auf die Mithilfe der Plattformbetreiber angewiesen, damit betrügerische Inserate so rasch wie möglich gelöscht werden. Doch wieso gelangen solche Inserate überhaupt noch auf die Portale, wenn die Masche eigentlich seit Jahren bekannt ist? Man habe nachhaltig und mit Erfolg in hochmoderne Technik und spezialisiertes Personal investiert, betont Sebastian Sinemus, Sprecher der Swiss Marketplace Group: «Wir führen eine gesamthafte Statistik über alle Inserate, welche die Anzahl von Betrugsversuchen erfasst. Tatsächlich sind 99,9 Prozent der Inserate auf Homegate und ImmoScout24 seriös.»
Anstieg während Pandemie
Neue Inserate werden auf Zugriff und Inhalt gescannt. «Hierbei passen wir uns ständig an neue Taktiken oder technische Kniffe krimineller Subjekte an, testen und implementieren entsprechende Gegenmassnahmen», sagt Sinemus. «Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich mit der Abwehr von Betrugsversuchen auseinandersetzen, würden es als Katz- und Mausspiel beschreiben», führt er aus. Auch Nutzer melden immer wieder verdächtige Inserate. Schaffe es doch einmal ein Betrügerinserat auf eines der Immobilienportale, werde es meist in weniger als einer Stunde gelöscht.
Die Betrugsversuche unterliegen starken Schwankungen. «Sie kommen in regelrechten Wellen vor. Auch weil es Trittbrettfahrer gibt, die von einer neuen Idee, wie man Menschen abzocken kann, profitieren wollen», sagt Sinemus. So habe die Zahl der betrügerischen Inserate gerade während der Covid-19-Pandemie zugenommen. Die Einschränkungen während der Pandemie liessen die Begründung der Betrüger, nicht vor Ort sein zu können, plausibler erscheinen.
Bei Recherchen konnte Blick in den letzten Wochen gleich mehrere betrügerische Inserate ausfindig machen und die Betrüger kontaktieren. Auf den Betrug angesprochen, brach der Mailverkehr jeweils ab. Auch Cristian P. liess nichts mehr von sich hören.
*Name der Redaktion bekannt