Ingrid Rauter (46) mag es gerne bunt. Zum Treffen mit Blick erscheint sie im giftgrünen Blazer, ihre blonden Haare tragt sie offen. Mit ihrem Auftreten entspricht sie so gar nicht dem Stereotypen der unmodischen Wissenschaftlerin im weissen Kittel. Ihr freches Erscheinungsbild passt aber gut zu ihrem Arbeitgeber. Die Österreicherin schreibt gerade an der David-gegen-Goliath-Geschichte der Schweizer Firma Vaccentis mit.
Das kleine Pharma-Unternehmen aus Zürich arbeitet an einer Krebsimpfung – mitten drin: Ingrid Rauter, die als Chefin von Forschung und Entwicklung den ganzen Prozess des Heilmittels verantwortet. «Wir rechnen mit einer potenziellen Zulassung in den USA und in Europa bis 2027 oder 2028.» Damit will die aktuell bloss zehn Mitarbeitende grosse Vaccentis AG den internationalen Pharmagrössen ein Schnäppchen schlagen. Denn der US-Konzern Moderna und der deutsche Riese Biontech liefern sich ein Rennen um den ersten Impfstoff gegen Krebsleiden – Moderna will bereits 2025 liefern.
Impfung basiert auf eigenem Tumor
Die zwei Pandemie-Gewinner – Moderna und Biontech verdienten mit ihren Corona-Spritzen Milliarden – setzen bei ihren Krebsimpfungen wiederum auf die mRNA-Technologie. Das Zürcher Unternehmen geht einen anderen Weg. Zuerst aber zu den Gemeinsamkeiten: Die Krebsimpfungen sind kein Allheilmittel. Erstens sind sie kein Präventiv-Medikament, sondern kommen nur bei an Krebs erkrankten Patienten zum Einsatz. Und zweitens sind die Impfungen auf eine spezifische Krebsart zugeschnitten.
Das Zürcher Pharma-Unternehmen konzentriert sich auf den Nierenkrebs, an dem in der Schweiz jedes Jahr rund 1000 Menschen erkranken. «VCC-001», wie der Vaccentis-Hoffnungsträger heisst, ist ein sogenannter autologer Impfstoff. Solche Fachbegriffe nennt die studierte Immunologin oft, sie kann diese aber auch erklären: «Das ist eine Impfung, die aus dem eigenen Tumor hergestellt wird.» Simpel ausgeführt: Aus dem operativ entfernten Tumor wird Gewebe entnommen, um daraus eine individuell angepasste Impfung herzustellen. «Nicht nur die Krebsarten sind sehr unterschiedlich, sondern auch die einzelnen Tumore selbst», sagt Rauter dazu. «Darum ist es so wichtig, dass der Impfstoff auf den Patienten zugeschnitten ist. Genau das garantieren wir mit unserer Herstellungsmethode.»
Wenn es teuer wird, soll ein Partner her
Vaccentis hat sich vor zwei Jahren neu aufgestellt. 2022 kam der heutige CEO Martin Munte (55) ins Unternehmen. Raute stiess Anfang 2023 hinzu. Sie soll der Krebsimpfung nun zur Marktreife verhelfen, wobei sie auf verheissungsvolle Studienergebnisse aufbauen kann. Die Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Krebsimpfung wirkt, sie den Patienten also einen signifikanten Überlebensvorteil zusichert. «Zudem gab es nur sehr milde Nebenwirkungen», ergänzt Rauter.
Aufgewachsen im österreichischen Pinzgau, studierte Ingrid Rauter (46) Genetik an der Universität Wien. Nach ihrer Dissertation wechselte sie in die immunologische Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, wo sie 2005 den Doktortitel erwarb. An der renommierten Harvard Medical School trieb die Österreicherin in den USA ihre wissenschaftliche Ausbildung voran. Es folgten berufliche Stationen bei weltweit operierenden Pharmagrössen – zuletzt bei Amgen, bis die begeisterte Hobby-Reiterin und -Taucherin Anfang 2023 zum Zürcher Unternehmen Vaccentis stiess.
Aufgewachsen im österreichischen Pinzgau, studierte Ingrid Rauter (46) Genetik an der Universität Wien. Nach ihrer Dissertation wechselte sie in die immunologische Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, wo sie 2005 den Doktortitel erwarb. An der renommierten Harvard Medical School trieb die Österreicherin in den USA ihre wissenschaftliche Ausbildung voran. Es folgten berufliche Stationen bei weltweit operierenden Pharmagrössen – zuletzt bei Amgen, bis die begeisterte Hobby-Reiterin und -Taucherin Anfang 2023 zum Zürcher Unternehmen Vaccentis stiess.
Ihre nächsten Schritte? «Wir arbeiten an der Charakterisierung und Standardisierung der Impfung», sagt Rauter. Konkret: Weil der Impfstoff immer individuell auf den Patienten zugeschnitten ist, braucht es im Herstellungsprozess standardisierte Qualitätskontrollen. 2025 ist dann eine klinische Phase-2b-Studie geplant. Das alles kostet: «Wir brauchen in den nächsten Jahren 35 Millionen Franken», so die Chief Medical Officer. Vaccentis ist gerade daran, das Geld einzusammeln.
Wenn dann die Phase-3-Studie ansteht, wird es richtig teuer. Diese verschlingt zwischen 150 und 400 Millionen Franken. «Für diese Schritte streben wir eine strategische Partnerschaft an», sagt Reuter. Sie denkt dabei an ein mittelständisches Pharma-Unternehmen. «Ein grosser Konzern würde nicht zu uns passen.»
Ab 2028 will Vaccentis profitabel wirtschaften. Die Zürcher rechnen mit einem nicht gerade billigen, aber marktgerechten Preis von 150'000 bis 180'000 Dollar pro Jahr und Patient. Für 2030 prognostizieren sie einen Umsatz von 320 Millionen Dollar. 2039 sollen es dann bereits 915 Millionen Dollar sein – dank einer zweiten Krebsimpfung. Denn Rauter will das Vaccentis-Konzept auf weitere Krebsarten wie Blasen- und Darmtumore ausweiten. Läuft alles nach ihrem Gusto, dann kommen auf sie nicht giftgrüne, sondern goldene Zeiten zu.