Auf riesige Corona-Umsätze folgte heftiger Kurs-Einbruch
Kriegen die Pharma-Giganten wieder die Kurve?

In der Pandemie machten sie Milliardenumsätze, nun sind die Kurse von Pfizer, Moderna und Roche im Keller. Ob sie die Kurve kriegen?
Publiziert: 08.05.2024 um 13:30 Uhr
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Die Pandemie war sein Gesellenstück als Chef der Diagnostiksparte von Roche, nun ist Thomas Schinecker Konzernchef.
Foto: Bernhard Huber/Roche
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Seraina Gross
Handelszeitung

2022, da knallten bei Pfizer noch die Korken. Der amerikanische Pharmakonzern machte 100 Milliarden Dollar Umsatz, ein Rekordwert, die Valoren schossen durch die Decke. Nun, zwei Jahre später, ist die Party vorbei. Der Aktienstar von damals schafft gerade noch rund 28 Dollar, so tief lag der Kurs bei Pfizer das letzte Mal vor zehn Jahren.

Die Pandemie hat die Umsätze von Impfstoffherstellern wie Pfizer und Moderna in die Höhe katapultiert. Umso härter ist nun, da die Pandemie vorbei ist, die Landung; umso schwieriger das «back to normal».

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Besonders gut lässt sich das bei Pfizer zeigen. Die Amerikaner sind eigentlich nicht so schlecht unterwegs. Eben erst hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA ihr Plazet für das Krebsmedikament Tivdak gegeben. Tivdak kommt aus der 43 Milliarden Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Biotechunternehmens Seagen, mit der Pfizer-Konzernchef Albert Bourla vor einem Jahr das Terrain für die Post-Covid-Ära präparierte.

Seagen ist stark bei den Antibody Drug Conjugates, einer sehr effizienten und schonenden, aber auch sehr anspruchsvollen Technologie in der Onkologie. Hierbei werden chemotherapeutische Wirkstoffe direkt in die Krebszellen transportiert und dort deponiert. «Wir kaufen nicht nur die goldene Gans, wir kaufen die Gans, welche die goldenen Eier legt», liess sich der Pfizer-Chef damals zitieren. Die Zulassung von Tivdak zeigt nun: Er könnte recht bekommen. Das neue Mittel zielt auf metastasierten Gebärmutterhalskrebs, eine Krebsart, die vergleichsweise häufig vorkommt. 

Gute Aussichten fürs Impfgeschäft

Zudem konnten die Amerikaner bei den Gentherapien punkten, auch das ist eine komplexe Technologie; und zwar mit Beqvez, einer Therapie zur Behandlung von Hämophilie B. Die Therapie wird 3,5 Millionen Dollar kosten. Und schliesslich sieht es auch beim Impfgeschäft gut aus, das bei Pfizer während der Pandemie die Kassen klingen liess. Hier spielt der amerikanische Pharmakonzern neben GSK ganz vorne mit, wenn es um die Bekämpfung des RS-Virus geht. Die Abkürzung steht für respiratorisches Synzytal-Virus.

Das RS-Virus kann vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern, aber auch bei älteren Menschen schwere Atemwegserkrankungen verursachen und führt deshalb immer wieder zu Hospitalisierungen. Das Virus ist mit ein Grund dafür, weshalb die Spitäler im Winter auch in der Schweiz immer häufiger an ihre Grenzen kommen. Bereits wird diskutiert, die Impfung in Europa für über 60-Jährige kassenpflichtig zu machen. 

Corona-Umsätze brachen um bis zu 90 Prozent ein

Das alles zeigt: Mit Pfizer ist auch nach Corona zu rechnen. Doch wenn gleichzeitig die Covid-Umsätze ins Bodenlose fallen, dann reicht selbst die Aussicht auf neue Milliardenumsätze nicht aus, um kopfscheu gewordene Investoren und Investorinnen zu beruhigen. 58,5 Milliarden Dollar Umsatz machte Pfizer im vergangenen Jahr, 42 Prozent weniger als im Rekordjahr 2022. 

Das Geschäft mit Corona ist im Keller, und daran wird sich auch nichts mehr ändern. Die Verkäufe von Comirnaty, dem Corona-Impfstoff, mit dem Pfizer 2022 11,2 Milliarden Dollar umgesetzt hatte, stürzten um 70 Prozent ab, die Verkäufe von Paxlovid, einem antiviralen Medikament gegen Covid, gaben um 90 Prozent nach. 

Da braucht man schon mehr, um den Aktienkurs zu stabilisieren. Ein Fett-weg-Medikament zum Beispiel. Doch ausgerechnet hier blieb der Erfolg bei Pfizer bis jetzt aus. Danuglipron, die Tablette, mit der Konzernchef Albert Bourla und seine Leute den Multimilliardenmarkt rund ums Abnehmen aufmischen wollten, brachte bis jetzt nicht die gewünschten Resultate.

Noch deutlicher sind die Einkommenseinbrüche bei Biontech, dem deutschen Biotech-Start-up, mit dem Pfizer den mRNA-Impfstoff entwickelt hatte. 2021, auf dem Höhepunkt der Pandemie, machte das Gründerehepaar Uğur Şahin und Özlem Türeci 19 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 10 Milliarden Euro Gewinn. Im ersten Quartal 2024 landeten die beiden Corona-Helden aus Mainz unsanft bei Verkäufen von nicht einmal mehr 200 Millionen Euro und einem Verlust von 300 Millionen. Kein Wunder, ging der Aktienkurs einmal mehr auf Tauchstation.

Riesige Cash-Bestände bei Biontech, aber ...

Klar, das Cash-Polster, das man sich in Mainz (D) in der Pandemie aufbauen konnte, kann sich sehen lassen. Zudem hat Biontech mit mRNA eine Technologie am Start, deren Potenzial sich – Stichwort Krebsimpfung – erst erahnen lässt. Doch wenn man, wie Biontech, jedes Jahr 1 bis 2 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung springen lässt, dann leert sich auch ein Cash-Bestand schnell, der so gross war, dass er zeitweise halb so hoch wie die Marktkapitalisierung war. Kein Wunder, haben die Biotech-Valoren seit ihrem Höchstwert im August 2021 drei Viertel ihres Wertes verloren. Heute kostet die an der US-Börse Nasdaq kotierte Aktie noch gut 90 Dollar, weit weg vom einstigen Höchstkurs von knapp 390 Dollar.

Ähnlich wie bei Biontech liegen die Dinge bei Moderna, dem zweiten grossen Corona-Impfhersteller. Auch die Amerikaner profitieren davon, dass die mRNA-Technologie mit Covid ihren Durchbruch erlebte und dass sie eines von zwei Unternehmen waren, die mit der Technologie beim Ausbruch der Pandemie so weit waren, dass diese eingesetzt werden konnte. Und auch hier kamen nach dem Abflauen der grosse Katzenjammer und die Frage nach dem «what next?».

Moderna – Erfolge bei mRNA und Krebs

Gleichzeitig zeigt Moderna, dass man als Unternehmen auch wieder aus der Post-Corona-Baisse finden kann. Inzwischen zeigen die Valoren des von Stéphane Bancel geführten Unternehmens nämlich wieder kräftig nach oben. Grund sind positive Nachrichten aus der Onkologie-Pipeline, die hoffen lässt, dass die mRNA-Technologie auch bei der Bekämpfung von Krebs durchschlagende Erfolge bringen kann. Angekündigt ist eine klinische Studie in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Merck (in Europa: DSM), bei der eine personalisierte mRNA-Immuntherapie zusammen mit Keytruda, dem umsatzstärksten immunonkologischen Medikament, an Patienten und Patientinnen mit einer speziellen Form von Hautkrebs getestet wird.

Spezialfall Roche

Bleibt, als vierter und letzter grosser Corona-Gewinner, Roche. Die Basler haben während der Pandemie nicht so sehr mit Medikamenten auf sich aufmerksam gemacht, dafür mit Corona-Tests, die sich in grosser Zahl auf vollautomatischen Maschinen in hoher Frequenz durchführen liessen. Die Umsätze der Diagnostiksparte lagen zeitweise um gegen 30 Prozent im Plus; die Mehrumsätze waren hilfreich, um die Umsatzrückgänge zu kompensieren, die durch die Patentabläufe der drei Krebsblockbuster Mabthera/Rituxan, Avastin und Herceptin in den vergangenen Jahren entstanden.

Gleichzeitig ist die Diagnostiksparte mit 14,1 Milliarden Franken Umsatz (2023) ein Leichtgewicht im Vergleich zum Pharmageschäft mit 44,6 Milliarden Franken. Der coronabedingte Rückgang bei den Diagnostikverkäufen von 13 Prozent im vergangenen Jahr tat zwar weh. Das aktuelle Elend des Roche-Aktienkurses hat damit aber nur am Rand etwas zu tun. Es liegt vielmehr darin begründet, dass die Pharma-Pipeline zurzeit nicht das liefert, was sie sollte: positive Studienresultate und neue Zulassungen, die geeignet sind, den Baslern und ihrem Aktienkurs wieder auf die Sprünge zu helfen. 


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