Am 14. Oktober 2022 war der Dollar letztmals mehr wert als der Franken. Seitdem hat die US-Währung deutlich nachgelassen: Aktuell ist ein «Greenback» gerade mal noch leicht über 85 Rappen wert. Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft?
Ächzt die Export-Industrie?
Elias Hafner (39), Investment-Stratege bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), relativiert die vermeintliche Dollarschwäche: «Bis im letzten Herbst war der Dollar sehr stark. Er hat zuletzt vor allem gegenüber dem Franken verloren, besonders in den letzten zwei Wochen.» Der Franken hat sich gegenüber allen Währungen verbessert, sei aber im Verhältnis zum Dollar nicht übermässig stark. «In Relation zur Inflation hat sich die US-Währung in den letzten Jahren zu stark entwickelt», so Hafner. Das begünstige eine Abwertung des Dollars.
Er stellt deshalb in der Exportindustrie keine Beunruhigung fest: «Die Währungsseite ist nicht das grösste Problem.» Dass zuletzt mehrere Schweizer Industriekonzerne schwächelten, habe mehr mit einer generellen Eintrübung der Industrie zu tun als mit dem schwachen Dollar. «Insgesamt haben sich die Preisentwicklungen in den USA und der Wechselkurs ausgeglichen.» Die in den vergangenen Monaten stark gestiegenen US-Preise wurden also vom Nachlassen des Dollars gegenüber dem Franken abgeschwächt. Für die Schweiz sind die USA nach wie vor das wichtigste Exportland.
Sind Ferien in den USA billiger?
Der von Hafner beschriebene Effekt ist auch in der Reisebranche erkennbar. Ferien in den USA wurden in den vergangenen Monaten zwar deutlich teurer. Robin Engel (33), Mitinhaber des Nordamerika-Reisespezialisten Go2Travel, hält aber fest: «Der schwache Dollar hilft uns, die Preissteigerungen im Einkauf von Reisen abzufedern.» Wer jetzt in den USA weilt, erhält zudem mehr für sein Geld. Das hilft, über die an sich hohen Preise hinwegzusehen. Gegenüber «SRF» berichtet Markus Kohli (49), CEO von Knecht Reisen, dass die kurzfristige Nachfrage für USA-Reisen trotz der hohen Preise zuletzt deutlich angezogen hat – wohl auch wegen des vorteilhaften Wechselkurses.
Bleibt der Dollar die Weltleitwährung?
Die Dominanz des Dollars als globale Reservewährung ist unbestritten: Laut Hafner ist bei 88 Prozent der internationalen Währungstransaktionen der Dollar eine Seite des Währungspaares. Dazu liegt der Anteil des Dollars an den weltweiten Devisenreserven bei 58 Prozent. Allerdings versuchen immer mehr Volkswirtschaften, sich vom US-Dollar zu lösen. Gerade der Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hat die Debatte über die Abhängigkeit der Welt vom Dollar und dessen sinkenden Anteil an den globalen Reserven verstärkt. Die USA zahlen als «Preis» für die Sanktionen eine schwindende Währungsloyalität.
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Wie reagiert das mächtige China?
«Bündnisfreie» Länder, welche die von den USA verhängten Sanktionen nicht unterstützen, wollen sich gegen das Risiko von Konsequenzen für den weiteren Handel mit Russland schützen. Zu den Ländern, die sich stärker vom Dollar-Handel abwenden, gehören etwa die Philippinen oder Thailand. China versucht, den Yuan verstärkt für die Abwicklung des internationalen Handels zu nutzen. Die Brics-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) diskutieren über eine eigene, gemeinsame Währung, analog zum Euro.
Eine solche scheint laut Hafner zurzeit aber wenig wahrscheinlich. Etwa, weil China weiterhin Kapitalverkehrskontrollen anwendet, der Yuan also nicht frei konvertierbar ist. Aber eigene Zahlungssysteme für grenzüberschreitende Transaktionen als Ersatz für das Swift-System sind in den Brics-Staaten bereits in Entstehung.
Die oben genannten Anteile an den Währungstransaktionen und Devisenreserven «widerspiegeln die wirtschaftlichen Gewichte schon lange nicht mehr», analysiert Hafner. Mit nur 5 Prozent der Weltbevölkerung erbringen die USA 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Die Brics-Staaten, mit 40 Prozent der Weltbevölkerung, erbringen bereits über 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. «Die klare Dominanz des Dollars macht eine mögliche Entthronung innerhalb von wenigen Jahren aber unwahrscheinlich», so Hafner.