Vor wenigen Tagen hat Swiss mit Washington D.C. ihr 8. Ziel in den USA in den Flugplan aufgenommen. In Kürze folgt mit Toronto ein zweites Ziel in Kanada. Die zehn Ziele in Nordamerika entsprechen einem Drittel des gesamten Langstreckenangebots der Swiss weltweit.
«Das Geschäft über dem Nordatlantik ist für uns entscheidend», erklärt Swiss-CEO Dieter Vranckx (51) beim Interview über den Wolken mit Blick anlässlich der Einführung des neuen Flugs von Zürich nach Washington. Er weiss aber auch: Die Konkurrenz ist gross. Das Geschäft mit Nordamerika boomt auch in anderen europäischen Ländern. Wo viel Konkurrenz ist, sinken üblicherweise die Preise.
Die Preise sinken – aber nicht so stark
Ein Blick auf die Swiss-Website zeigt: Es finden sich Flüge nach Chicago für 440 Franken, nach San Francisco für 520 Franken oder nach Los Angeles für 560 Franken. Selbst in der Hochsaison im Juli gibt es Flüge nach New York für schlappe 650 Franken. Das erstaunt: Airlines klagten oft über das zu tiefe Preisniveau und fuhren zuletzt dank gestiegener Preise nach der Pandemie fette Gewinne ein.
Vranckx erklärt, dass zu den genannten Preisen nur einige Sitze pro Flug verfügbar seien. Dort gehe es darum, über den Preis Aufmerksamkeit zu schaffen: «Wichtig ist, dass jeder Sitz belegt ist.» Der Durchschnittspreis auf den USA-Strecken sei deutlich höher als die genannten Zahlen.
Der scheidende Swiss-Chef lässt allerdings nicht gelten, dass Swiss zuletzt zu teuer gewesen sei: «Das Preisniveau 2023 lag schon fast 3 Prozent tiefer als noch 2022 – im Hauptgeschäft im Sommer lagen wir teils sogar 10 Prozent tiefer.» Heisst: Der Markt nähert sich wieder den Zuständen von vor der Pandemie an.
Laut Vranckx liegen die Durchschnittspreise aber weiterhin über jenen von 2019. Und das soll auch so bleiben. Swiss investiert in den nächsten Jahren rund 5 Milliarden Franken, unter anderem in neue Flugzeuge des Typs Airbus A350, eine neue Kabinenausstattung für die Langstrecke und in Nachhaltigkeitsprojekte. Sie darf die Preise nicht zu tief ansetzen, um weiterhin profitabel zu sein, so die Argumentation.
Die Marktdominanz hilft
Dabei hilft Swiss ihre dominante Stellung im Schweizer Markt. Gemeinsam mit den Partnern der Lufthansa Gruppe und mit den Nordamerika-Partnern United Airlines und Air Canada hat sie einen enormen Marktanteil nach Nordamerika. Konkurrenz von Fluggesellschaften, die ab der Schweiz nur mit Zwischenstopp in die USA fliegen, muss Swiss nicht fürchten.
Statt Preise zu senken, baut Swiss im Verbund mit ihren Partnern ein engmaschiges Netzwerk auf. Washington ist ein Drehkreuz von United – von dort geht es an zahlreiche Ziele in ganz Amerika. Neben Swiss fliegen auch die Muttergesellschaft Lufthansa sowie die Schwestergesellschaften Austrian und Brussels nach Washington. Auch sie bauen ihr Nordamerika-Angebot ab Frankfurt, München und Wien gezielt weiter aus.
Riesige Nachfrage – wie lange noch?
Die hohe Nachfrage rechtfertigt den aktuellen Ausbau. Im letzten Jahr besuchten rund 365'000 Schweizerinnen und Schweizer die USA – 25 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Auch in umgekehrter Richtung boomt das Geschäft, trotz Frankenstärke: 2023 verzeichneten Schweizer Gaststätten fast 3 Millionen Übernachtungen von Gästen aus Nordamerika. Das entspricht laut Claudio Zemp (50), dem Direktor Nordamerika von Schweiz Tourismus, ungefähr einer Million Gäste. Das waren fast 25 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019.
Dass Nordamerika weiter so stark wächst, ist zwar nicht anzunehmen. Aktuell sei kein weiterer Ausbau in Nordamerika geplant, erklärt Vranckx. Swiss bedient die wesentlichen Drehkreuze bereits, ergänzt mit USA-Ferienzielen von Schwester Edelweiss, und der Dollar gewinnt wieder an Terrain gegenüber dem Franken.