Schweizerinnen und Schweizer müssen beim Lebensmittelkauf deutlich tiefer in die Taschen greifen: Milch, Käse oder Eier haben sich in den vergangenen zwei Jahren um über zehn Prozent verteuert. Butter um 15 Prozent, Speiseöle gar um mehr als 22 Prozent, wie Zahlen des Vergleichsportals Comparis zeigen. Trotzdem sind die Preise vieler Lebensmittel noch deutlich zu tief. Zumindest, wenn die Hersteller und Detailhändler die «wahren Kosten» der Produkte in Rechnung stellen würden.
Ein solches Experiment führt derzeit der deutsche Discounter Penny durch. Bis Montag kostet die Packung Wiener Würstchen noch 6,01 statt 3,19 Euro. Für Maasdamer Käse müssen Kundinnen und Kunden 4,84 statt vorher 2,49 Euro hinlegen und für ein Fruchtjoghurt 1,56 statt 1,19 Euro.
Kunden wollen die Preise nicht zahlen
Das Experiment dauert genau eine Woche und kommt bei den Kunden gar nicht gut an, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zeigt. Nur 16 Prozent planen, Produkte zu den «wahren Preisen» zu kaufen, für 44 Prozent ist das hingegen keine Option. Etwa 30 Prozent der Befragten gaben an, dass sie keinen Penny-Markt in der Nähe hätten.
Bei den wahren Kosten werden die Schäden mit eingepreist, die durch ein Produkt entstehen und die von der Allgemeinheit oder den Steuerzahlern berappt werden. So erhöht ein hoher Zuckergehalt in Lebensmitteln das Risiko für Fettleibigkeit und Altersdiabetes – und auch Herz und Nieren können Schaden nehmen. Darüber hinaus verursacht die Lebensmittelbranche auch erhebliche Umweltschäden, die im Kaufpreis nicht berücksichtigt werden.
Kluft von 33 Milliarden Franken in der Schweiz
Die nicht eingepreisten Kosten sind gewaltig: Gemäss einer Studie der Uno aus dem Jahr 2021 belaufen sie sich auf 19,8 Billionen Dollar und sind damit fast doppelt so hoch wie die weltweiten Ausgaben für Lebensmittel, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt. Etwas überraschend machen die gesundheitlichen Folgen durch eine Fehlernährung den grösseren Anteil aus als die Umweltkosten.
Auch in der Schweiz ist die Kluft immens: Gemäss einer ETH-Arbeit kommen auf Ausgaben von 37 Milliarden Franken weitere Kosten von 33 Milliarden, die nicht im Kaufpreis von Lebensmitteln enthalten sind. Auf ähnliche Zahlen kommt gemäss «NZZ am Sonntag» der Thinktank Vision Landwirtschaft, gemäss dem die Konsumenten bloss 56 Prozent der eigentlichen Kosten bezahlen.
Rindfleisch wäre fast dreimal so teuer
Nach Berechnungen des Thinktanks müsste etwa Rindfleisch 168 Prozent teurer sein. Ein Kilo Rindsfilet würde damit statt 70 auf einmal 187 Franken kosten. Für Käse müssten Kunden 120 Prozent mehr berappen, für Mehl 160 und für Gemüse 25 Prozent mehr. Auch Wein und Zigaretten wären plötzlich rund doppelt so teuer.
Wobei die wahren Kosten äusserst schwierig zu berechnen sind. Bei den Produzenten schätzt man die Situation wenig überraschend ganz anders ein: So wären die Berechnungen kaum nachvollziehbar. «Zudem gibt es nicht nur negative, sondern auch positive Externalitäten, gerade auch bei Produkten aus dem Berggebiet», wie Sandra Helfenstein, Sprecherin des Bauernverbands, gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagt. (smt)