Die neusten Daten zur Schweizer Wirtschaft sind wenig erfreulich. Zwar hat sich die Stimmung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten im dritten Quartal leicht aufgehellt, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Mittwoch meldet. Dennoch lasten die hohen Preise weiterhin auf den Haushaltsbudgets. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Wirtschaftsbereiche leiden am stärksten?
Statt für Möbel oder Haushaltsgeräte geben die Leute ihr Geld wieder lieber für Dienstleistungen aus. Doch auch hier sinken die Umsätze. Besonders der in der Schweiz so starke Rohstoffhandel schwächelt. Gleichzeitig leidet die Nachfrage nach Industrieprodukten seit längerem unter einer stockenden Weltwirtschaft. «Bisher waren davon vor allem die Grosskonzerne im Export betroffen. Neuerdings wird es aber auch für KMU schwieriger, die nicht im Export tätig sind», sagt Domagoj Arapovic (39), Ökonom Raiffeisen. Die Auftragsbestände und Produktionsmengen sinken seit Monaten. Die Wirtschaftsindikatoren sind so schwach wie zuletzt in der Pandemie oder der Finanzkrise von 2008. «Bei den KMU im Industrie-Sektor sprechen wir deshalb von einer Rezession», so Arapovic.
Droht der Schweiz eine Rezession?
Nein! «Aktuell kann man noch nicht von einer Rezession sprechen und damit rechne ich auch in den kommenden Monaten nicht», sagt Claude Maurer (48), Chefökonom Schweiz Credit Suisse. Der Konsum der Schweizer Haushalte zeigt sich nach wie vor robust. Bei KMU, die auf Konsumenten oder Touristen ausgerichtet sind, läuft das Geschäft gut. Auch bei den Dienstleistungen sind die Konsumzahlen noch solide, wenn auch rückläufig. Einen positiven Ausreisser stellt die Reisebranche dar, die im Mai um über 40 Prozent zulegen konnte.
Auch Raiffeisen-Ökonom Arapovic rechnet weiterhin mit einer wachsenden Binnenwirtschaft. «Der Privatkonsum dürfte gemäss unseren Prognosen stabil bleiben, und der macht in der Schweiz mit 50 Prozent den grössten Anteil am Bruttoinlandprodukt aus», sagt er. Dazu trägt unter anderem die nach wie vor hohe Zuwanderung bei, die sich in den vergangenen Monaten nochmals beschleunigt hat.
Droht nun der grosse Jobabbau?
Der Ostschweizer Bauzulieferer Arbonia hat vor zwei Wochen angekündigt, bis 2024 600 Arbeitsplätze abzubauen. Die Schweizer Angestellten sollen davon jedoch nicht betroffen sein. Auch der Spinnereimaschinen-Hersteller Rieter baut weltweit mehrere Hundert Arbeitsplätze ab. Am Hauptsitz in Winterthur ZH sollen 100 von 580 Leute ihren Job verlieren. «Der Arbeitsmarkt hat gedreht», sagt CS-Chefökonom Maurer. Er rechnet jedoch nicht damit, dass dies flächendeckend geschieht: «Ich erwarte keinen markanten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Firmen, die Stellen abbauen oder neues Personal einstellen, halten sich derzeit in etwa die Waage.»
Zudem vermelde der Grossteil der Firmen aktuell eine gleichbleibende Beschäftigung. Ökonom Arapovic macht hierfür noch einen weiteren Grund aus: «Die Firmen sind bei Entlassungen zurückhaltend, weil sie wissen, wie schwierig es bei einem Aufschwung sein wird, wieder Fachpersonal zu finden.»
Ist eine Erholung in Aussicht?
Die Zinserhöhungen der Zentralbanken würden in der Wirtschaft erst mit Verzögerung voll einschlagen, so Arapovic: «Wir gehen davon aus, dass das globale Wachstum auch im nächsten Jahr schwach bleibt. Deshalb dürfte auch die Schweizer Industrie nicht so schnell wieder auf Touren kommen.»
Hinzu kommt noch die Inflation. Die Credit Suisse rechnet damit, dass die Teuerung wegen der steigenden Mieten nochmals zulegt, sich dann aber entspannt. Mittelfristig werde ihr Effekt auf das Haushaltsbudget abnehmen, so Maurer. «Der Zinseffekt dürfte hingegen in nächster Zeit zunehmen, da beispielsweise Hypotheken mit mehrjähriger Laufzeit zu höheren Zinsen abgeschlossen werden.»