Diese Regeln kennen nur wenige
Teenager zahlen Busse fürs Einsteigen in die 1. Klasse

Vier Teenager aus Luzern kassieren saftige Bussen für den Einstieg in der 1. Klasse. Die SBB-Tochter Zentralbahn bleibt hart. Nun schaltet sich das Lehrernetzwerk Schweiz ein und übernimmt die Busse.
Publiziert: 13.01.2025 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 13.01.2025 um 17:39 Uhr
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Mit einem 2.-Klasse-Fahrausweis ist ein Einstieg in die 1. Klasse tabu. (Archivbild)
Foto: GAETAN BALLY

Auf einen Blick

  • Teenager erhalten Busse für Einstieg in 1. Klasse mit 2.-Klasse-Ticket
  • Bedingung ist tief in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vergraben
  • Klassenbenützung gilt auch für Ein- und Ausstiegsbereiche der Wagen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Das Perron ist komplett überfüllt. Die Passagiere versuchen, die besten Plätze zum Einstieg in den Zug zu finden. Im Sektor für die 2. Klasse herrscht dichtes Gedränge. Findige mit einem Fahrausweis für die 2. Klasse steigen in der deutlich weniger überfüllten 1. Klasse ein und wechseln von dort rasch in einen Wagen für die 2. Klasse. Genau das haben vier Teenager aus dem Kanton Luzern getan, als sie eine Verbindung der SBB-Tochtergesellschaft, der Luzerner Zentralbahn nutzten, wie SRF berichtet.

Was viele nicht wissen: Die Klassenbenützung gilt auch für die Ein- und Ausstiegsbereiche der Wagen. Als die vier Mädchen nun im Wagen für die 1. Klasse einstiegen, wurden sie von Kontrolleurinnen beim Einstieg erwischt und erhielten jeweils eine Busse von 75 Franken. Wer online ein Ticket kauft, muss über mehrere Links tief in den AGB-Dschungel der SBB eintauchen, damit er die entsprechende Geschäftsbedingung findet.

Lehrernetzwerk Schweiz kritisiert SBB scharf

Nun schaltet sich das Lehrernetzwerk Schweiz (LNCH) ein und übernimmt die Bussen für die vier Teenager. Die Eltern sollen sich bei der Organisation melden. «Die SBB zeigen immer wieder einmal einen verfehlten Umgang mit Kindern und Teenagern und zeigen, dass sie gegenüber Schülerinnen und Schüler jedes Augenmass verloren haben», schreibt das LNCH in einer Mitteilung. Das Netzwerk verweist dabei auf einen weiteren Fall, in dem die SBB eine Primarschülerin in Begleitung ihrer Grossmutter als erwachsen erklärt hatte. Das Kind hatte noch keine ID und musste den vollen Fahrpreis bezahlen.

Für das LNCH sei die harte Haltung der SBB unverständlich. Die SBB zeigen, dass ihre Belegschaft sich von der Welt der Jugendlichen entfremdet hat und unflexibel ist. «Das Lehrernetzwerk Schweiz setzt sich für eine menschenfreundliche Bildung in jeder Hinsicht ein; bei uns sind Teenager 1. Klasse.» Das Netzwerk fordert die SBB auf, den Umgang mit jungen Kunden zu überdenken und mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen. 

SBB bleiben hart

Eine Mutter interveniert im aktuellen Fall bei den SBB und hofft auf etwas Augenmass, wie sie dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» erzählt. Doch der ÖV-Anbieter bleibt hart. Es sei strengstens verboten, sich mit einem 2.-Klasse-Billett in der 1. Klasse aufzuhalten, so die Antwort. Das gilt auch für die Vorräume und Einstiegsbereiche, was ebenfalls vielen Fahrgästen nicht bewusst sein dürfte.

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Gerade zu Stosszeiten sind viele S-Bahn-Verbindungen in den Schweizer Grosszentren dermassen überfüllt, dass sich die Fahrgäste in der 2. Klasse in den Gängen fast auf den Füssen stehen – Umfallen unmöglich. In solchen Zügen weichen viele Fahrgäste mit einem Fahrausweis für die 2. Klasse auf die Vorräume und Eingangsbereiche der 1.-Klasse-Wagen. Die Alternative wäre: die nächste Verbindung zu nehmen und später nach Hause zu kommen.

Nicht immer gleich streng?

Noch 2016 sagten die SBB gegenüber den Newsportal «Watson», dass es in den Regionalzügen erlaubt sei, mit einem 2.-Klasse-Billett im Eingangsbereich der 1. Klasse zu stehen. Von «Espresso» darauf angesprochen, will man davon heute nichts mehr wissen. Das Archiv reiche nicht so weit zurück. Die Zentralbahn hält fest, dass die Busse korrekt sei. Schliesslich wird sie jedoch um die Hälfte reduziert.

Auch beim Umsteigen an den Bahnhöfen ist Vorsicht geboten: Wer knapp dran ist, den nächsten Zug zu erwischen, darf ebenfalls nicht einfach in der ersten Klasse einsteigen und dann in die 2. Klasse laufen.

In einem bereits etwas älteren Fall wurde ein Passagier von einem Kontrolleur aus der 1. Klasse vertrieben, wie Blick berichtet hat. Die SBB argumentierten damals, dass man zwischen zwei Bedürfnissen abwägen müsste. «Einerseits dem der Kunden der ersten Klasse, die mehr bezahlt und ein Recht auf Ruhe haben, andererseits der Reisenden aus der zweiten Klasse, die im Kopfbahnhof möglichst weit vorne aussteigen wollen.» Die Zugbegleiter seien jedoch für ihr Augenmass bekannt, sagten die Bahnen damals.

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