Thomas Gottstein (58) wollte mit seiner «Swissness» punkten. Als der damalige Chef der Schweizer Abteilung der Credit Suisse im Februar 2020 an die Spitze des weltweiten Unternehmens trat, buhlte er zuerst einmal um Sympathiepunkte seiner Landsleute. Minigolf-Runde im Schweizer Fernsehen oder Mithilfe beim Aufgleisen eines Kreditpakets für KMU während der Corona-Krise.
Die Botschaft, um den zweifelhaften Ruf seiner Bank wieder ins Lot zu rücken: Das frische Gesicht der Credit Suisse ist nahbar, auf die Bedürfnisse der einfachen Leute abgestimmt.
Gottstein wusste damals noch nicht, dass die Beschattungsaffäre, die seinen Vorgänger Tidjane Thiam (59) den Kopf gekostet hatte, nur der Anfang einer Kette von Skandalen bei der CS sein sollte. Blick hat die Chronologie des Grauens zusammengefasst.
Februar 2020 – Thiam-Rücktritt nach Beschattungsaffäre um Iqbal Khan
Ausgerechnet ein interner Streit in der CS-Chefetage bringt Thomas Gottstein an die CS-Spitze. Iqbal Khan (46), damals oberster Vermögensverwalter der CS, wechselt zur Erzrivalin UBS. Grund: eine erbitterte Auseinandersetzung mit Tidjane Thiam, seinem Vorgesetzten und Nachbarn in Herrliberg ZH. Aus Angst, Khan könnte Kunden und Mitarbeiter mit zu seinem neuen Arbeitgeber nehmen, heuert die CS Detektive zur Überwachung an. Doch sie fliegen auf. Thiam bestreitet bis zuletzt, von den Vorgängen gewusst zu haben. Es hilft nichts. Am Ende verliert er den Machtkampf gegen den damaligen CS-Präsidenten Urs Rohner (62) und tritt zurück.
März 2021 – Debakel um Greensill und Archegos bringt Milliardenverlust
Das erste Corona-Jahr bringt Gottstein relativ ruhig über die Bühne. Dann der Knall: Der Lieferkettenfinanzierer Greensill Capital ist zahlungsunfähig. Vier Fonds im Wert von zehn Milliarden Franken muss die CS liquidieren – bis heute ist nicht der gesamte Betrag an die betroffenen Investoren ausbezahlt. Noch einschneidender trifft die Credit Suisse das Debakel um Vermögensverwalter Archegos im selben Monat. Gesamthaft gehen Gottstein fünf Milliarden Franken durch die Lappen. Die beiden Skandale setzen einen unschönen Schlusspunkt hinter die zehnjährige Amtszeit von Präsident Rohner.
Januar 2022 – CS-Präsident António Horta-Osório tritt nach Quarantänebruch zurück
Doch auch Rohners Nachfolger ist sogleich um einen Skandal besorgt. Wie Blick aufdeckt, flog António Horta-Osório (57) Ende November in seinem Privatjet von London in die Schweiz und wenig später weiter auf die Iberische Halbinsel. Das Problem: Die in Südafrika aufkommende Omikron-Variante lässt Regierungen rund um die Welt neue Massnahmen ergreifen. Die Schweiz führt kurzerhand eine Quarantänepflicht ein – der CS-Präsident bricht sie mit seiner Fliegerei prompt. Horta-Osórios Glaubwürdigkeit ist damit im Eimer. Er, der beim Amtsantritt grossmütig persönliche Verantwortung ins Zentrum gestellt hatte, tritt nach weniger als neun Monaten wieder ab. «Notnagel» Axel Lehmann (63) rückt nach.
Februar 2022 – «Suisse Secrets» dokumentieren Geschäfte mit Kriminellen und Diktatoren
Ein internationales Recherche-Netzwerk wirft der Credit Suisse Unangenehmes vor: Jahrzehntelang soll sie Gelder von Kriminellen und Diktatoren verwaltet haben. Auf der Liste: unter anderen die beiden Söhne des ägyptischen Langzeitherrschers Hosni Mubarak (1928–2020) oder der amtierende jordanische König Abdullah II. (60). Doch CEO Gottstein kann aufschnaufen: Die «Suisse Secrets» bleiben ohne rechtliches Nachspiel.
März 2022 – Bermuda verdonnert CS zu Millionenstrafe
Ein kleiner Inselstaat in der Karibik, Bermuda, verurteilt die Credit Suisse zu einer Monsterzahlung an einen früheren Kunden. Dieser ist niemand Geringeres als der frühere georgische Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili (66). Ein ehemaliger Kundenberater der CS hatte sein Geld für unautorisierte Geschäfte und einen luxuriösen Lebensstil missbraucht. Diesen Montag bestimmte das Gericht nun die gewaltige Schadenersatzsumme: 607 Millionen US-Dollar.
Juni 2022 – Bundesstrafgericht spricht CS im Kokain-Prozess schuldig
Im Geldwäscherei-Prozess um die bulgarische Mafia spricht das Bundesstrafgericht in Bellinzona die Credit Suisse schuldig. Trotz Verdachtsmomenten habe die Credit Suisse Überweisungsaufträge von Geldern krimineller Herkunft ausgeführt, so der Vorwurf des Gerichts. Zur Strafe brummt es der Bank eine – vergleichsweise bescheidene – Busse von 2 Millionen Franken auf.