Darum gehts
Seit Oktober sitzt er im Cockpit der Swiss, und das vielleicht bald auch im doppelten Sinn: Jens Fehlinger (44) ist der CEO der Schweizer Nationalfluglinie, die zur Lufthansa-Gruppe gehört, und er ist aktiver Pilot auf dem Airbus A320, zumindest grundsätzlich – zum Amtsantritt hiess es, er wolle sich aber «vorerst» auf den Job als CEO konzentrieren. Als er sich nach den obligatorischen 100 Tagen Einarbeitungszeit daranmachte, sich erstmals den Schweizer Medien vorzustellen, kam ein Unglück dazwischen: Auf einem Flug von Bukarest nach Zürich kurz vor Weihnachten drang Rauch in Cockpit und Kabine ein, weil ein Triebwerk defekt war; Kabinenluft wird in vielen Flugzeugen aus dem Triebwerk abgezapft.
Die Piloten mussten zur Sicherheit im österreichischen Graz landen, konnten trotz der schnellen Reaktion aber nicht verhindern, dass ein 23-jähriger Flugbegleiter an den Folgen starb. Fehlinger und Operationschef Oliver Buchhofer drückten in einem Video ihre Bestürzung und ihr Mitgefühl mit der Trauerfamilie aus, Fehlinger sagte den Medienauftritt ab, er soll Mitte Februar nachgeholt werden. Von diesem Vorfall abgesehen fliegt die Swiss in ruhigen Bahnen. Zwar dürfte der Gewinn 2024 nicht das Rekordniveau des Vorjahres erreichen, auch wegen höherer Personalkosten – aber ansonsten läuft es bestens.
Die Mitstreiter
Fehlinger gelte bisher als «junger Wilder», lässt ein Konzerninsider durchblicken, der nun zeigen müsse, dass er auch den wichtigsten Ertragsbringer der Lufthansa-Gruppe, die Swiss, managen kann. In ähnlichen Situationen sind Jens Ritter, der die Airline Lufthansa mit dem Kranich am Seitenleitwerk leitet, Annette Mann, die als CEO der Austrian bereits einen ansehnlichen Turnaround eingeleitet hat, und Dorothea von Boxberg, vormalige Chefin der Cargo-Tochter und jetzt CEO der belgischen Brussels. Dass Boxberg vom Cargo-Chefsessel, der bereits als Sprungbrett gilt (einst hatte es auch Spohr von hier nach oben geschafft), noch zur Brussels beordert wurde, schreiben Insider auch der vormaligen Vorständin und Swiss-VR Christina Foerster zu, die als Förderin Manns galt; Foerster hat jedoch die Lufthansa verlassen.
Fehlinger und die drei Airline-Chefs sind also Geschwister im Konzern, konkurrieren aber auch um einen Sitz im Vorstand. Swiss-intern gilt Fehlinger als einer, der zuhört und bei seinem Führungsteam gut ankommt: Flugbetriebschef Oliver Buchhofer, der laut Insidern auch sich selbst als Swiss-CEO vorstellen konnte, wurde mit dem Einzug in die Swiss-Chefetage getröstet. Kommerzchefin Heike Birlenbach war mit bald 60 schon zu alt. Beide gelten, wie auch CFO Dennis Weber, als loyal. Selbiges gilt sicher auch für die junge Strategiechefin Jessica De Lange; sie soll einst Fehlingers Mentée im Mentorenprogramm der Gruppe gewesen sein.
Das Private
Viel weiss man nicht von Jens Joachim Fehlingers privaten Präferenzen – er hält sich bedeckt. Vielleicht, weil es mit der Wohnsitznahme unerwartet harzt? Im Handelsregister ist er immer noch als Einwohner des deutschen Mainz eingetragen. Dank seines relativ jungen Alters und in Ermangelung von CEO-Vorverwendungen gibt es über ihn zudem noch wenig Lesestoff. Bekannt ist: Fehlinger ist verheiratet und hat mit seiner Frau, einer Mikrobiologin, zwei Töchter. Er fährt gern Ski in der Schweiz und soll nicht nur ein Bewunderer, sondern auch ein eifriger Nutzer des öffentlichen Verkehrs sein. So, wie es auch sein Vor-Vorgänger Thomas Klühr gehalten hatte, der stets mit der S-Bahn zur Swiss-Zentrale nach Kloten pendelte.
Die Karriere
Ein Pilot im Management – dass diese Kombination funktionieren kann, zeigt neben Fehlinger auch Konzern-Oberboss Carsten Spohr. Bei ihm soll Fehlinger einen dicken Stein im Brett haben, seit er in der Zentrale den Corona-Krisenstab zu Spohrs Wohlgefallen führte. Spohr gilt als ausgesprochener Förderer Fehlingers, ein zweiter Förderer war der im vergangenen Juni in den Ruhestand abgegangene Vorstand Detlef Kayser. Auch der Vorgänger von Dieter Vranckx als Chef der grossen Lufthansa-Fluglinien, Harry Hohmeister, soll pro Fehlinger gewesen sein, Vranckx gilt als eher neutral. Fehlinger studierte Luftfahrtmanagement und Systemtechnik in Bremen sowie Verkehrswesen in Darmstadt, einen Executive MBA hält er zudem.
In diversen Stabsfunktionen für zentrale Themen wie Netzwerkmanagement oder operative Performance soll er eine gute Figur gemacht haben. Dass er aber, wie die Vorgänger Vranckx und Hohmeister, vom Swiss-Chefsessel direkt in den Konzernvorstand wechseln darf, wie einige unterstellen, dürfte längst nicht ausgemacht sein. Dafür war bisher ein breiter gefüllter Rucksack gefordert. Fehlinger war zuletzt Co-Chef des Zubringers Lufthansa City Airlines, Nachfolger des Zubringers Cityline, einer wenig komplexen Konzerntochter. Weitere CEO-Jobs finden sich noch nicht in seinem CV.
Die Gegenspieler
Am Flughafen Zürich, lange Zeit «Billigflieger»-frei, breitet sich die von Kenton Jarvis geführte EasyJet aus. Auf der Langstrecke kämpft Swiss mit den grossen Europäern, über den Atlantik ist speziell British Airways unter CEO Sean Doyle stark, und der ewige Gegner in allen Flugrichtungen ist Emirates unter Tim Clark. Aber auch intern gibt es Wettbewerb – um den Einzug in den Konzernvorstand. Dort steht schon Gruppen-Strategiechef Tamur Goudarzi Pour auf der Matte, hoch gehandelt und Ex-Swiss-Kommerzchef. Ambitionen haben auch Leiter anderer Konzern-Airlines (siehe auch «Mitstreiter»), die erfahrener sind als Fehlinger. Zudem der junge Michael Trestl, der neu den Prestigejob gefasst hat, Italiens ITA in die Gruppe zu integrieren.
Das Umfeld
Die Luftfahrtbranche ist wichtig für die Schweizer Volkswirtschaft, und die Wege hier sind kurz. Am kürzesten für Fehlinger ist es zum Swiss-Chairman Reto Francioni, nicht viel weiter zu seinem eigentlichen Vorgesetzten Dieter Vranckx, zugleich sein Vorgänger, der diverse Kompetenzen im Bereich Preisgestaltung und Netzplanung von Zürich in die Frankfurter Zentrale mitgenommen hat, wo er jetzt im Konzernvorstand sitzt. Als Swiss-Chef ist Fehlinger auch VRP der Schwesterfluglinie Edelweiss, die operativ geführt wird vom hoch geachteten, erfahrenen Bernd Bauer.
Neben Fehlinger sitzt im VR seine Swiss-Kommerzchefin Heike Birlenbach, die ihm nach Vranckx’ Abgang und vor seinem eigenen Antritt den CEO-Stuhl warmhielt, dazu die Lufthansa-Managerlegende Karl Ulrich Garnadt. Ansprechpartner für Fehlinger in Bundesbern ist Bundesrat Albert Rösti in seiner Funktion als Vorsteher des Verkehrsdepartements Uvek, im Kanton Zürich ist es Regierungsrätin Carmen Walker Späh. Eine speziell wichtige Rolle als Partner, aber auch als potenzielle Image-Gefahr, spielt Zürichs Flughafen-CEO Lukas Brosi. Denn viele Verspätungen, vor allem aber verloren gegangenes Gepäck, alle jene Vorfälle, die Passagiere nervig finden und der Swiss ankreiden, gehen oft aufs Konto des Flughafens. Brosi weiss das – und gibt alles.