Keine Premium-Airline mehr
Die vielen Baustellen der Swiss

Ein toter Flugbegleiter, unzufriedene Passagiere, Ärger mit Air Baltic: Der neue Swiss-CEO Jens Fehlinger (43) hat viele Probleme an der Backe. Eine Übersicht.
Publiziert: 16.02.2025 um 14:43 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2025 um 13:20 Uhr
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Der neue Swiss-CEO Jens Fehlinger kämpft an verschiedenen Fronten.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Tod eines Flugbegleiters in Graz

Nach einer Swiss-Notlandung am 23. Dezember 2024 in Graz (A) und dem Tod eines jungen Flugbegleiters, der erst drei Wochen im Dienst war, sind viele Fragen offen. Wie kam es zum Problem am Triebwerk? Warum musste der 23-Jährige sterben? Welche Rolle spielten spezielle Atemschutzmasken der Crew? Warum hat eine Flugbegleiterin, die hinten im Flieger war, es laut Augenzeugen nicht geschafft, die Tür aus eigener Kraft zu öffnen? Es laufen verschiedene Untersuchungen und Ermittlungen in Österreich und in der Schweiz. 

Verspätungen

Die Swiss hatte 2024 ein massives Pünktlichkeitsproblem. Laut Swiss sind jedoch rund drei Viertel aller Abflugverzögerungen auf äussere Faktoren zurückzuführen, auf welche die Swiss keinen Einfluss hat – von der Flugsicherung bis zum Wetter.

Mythos Premium-Airline

Die Swiss sieht sich als Premium-Airline, ist es laut Rankings aber nicht mehr. Auf der Kurzstrecke gibt es in der Holzklasse nur noch Wasser gratis. Viele Flüge lagert die Swiss aus, wo das Personal teilweise kein Deutsch spricht (Helvetic) oder gar nicht (Air Baltic). Beim Net Promoter Score – einer internen Kennzahl, die Aufschluss über die Kundenzufriedenheit gibt – dümpelt die Swiss bei 40 Punkten vor sich hin. Vor der Corona-Pandemie lag die Swiss bei 60 von 100 Punkten. 

Flugpreise

Fliegen ist teurer geworden – nicht nur bei Swiss, sondern bei allen Airlines. Laut dem Bundesamt für Statistik lagen die Flugtarife im Jahresdurchschnitt 2024 knapp 30 Prozent höher als 2019, also vor der Corona-Zäsur. Im Vergleich zu 2023 sind die Flugtarife jedoch nicht mehr gestiegen, sondern leicht gesunken. 

Air Baltic

Grossaktionär Michael Kühne (87) hält es für «Etikettenschwindel», wenn er Swiss bucht und dann mit der lettischen Air Baltic fliegen muss. Die Präsidentin der Kabinengewerkschaft Kapers, Sandrine Nikolic-Fuss (55), wirft der Swiss Lohndumping vor. Ein Pilot oder eine Flugbegleiterin von Air Baltic verdient deutlich weniger als bei der Swiss. Der Rechtsstreit mit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (67) ist nach wie vor nicht gelöst. «Je komplexer der Sachverhalt ist, desto aufwendiger und länger ist das Verfahren», teilt die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion mit. Nikolic-Fuss hat kürzlich versucht, einen Termin bei Walker Späh zu erhalten – ohne Erfolg. Walker Späh begründet ihre Gesprächsverweigerung mit dem laufenden Verfahren. 

Air Baltic steht auch in Lettland in der Kritik. Laut Gewerkschafterin Dace Kavasa (49) sind mehrere Gerichtsverfahren hängig. Ein Flight-Attendant war acht Tage am Stück eingeteilt, was illegal sei. Auch zähle für die Air-Baltic-Crew, wenn sie in Zürich lande, nur 20 Minuten nach Abstellen der Triebwerke als Dienstzeit – unabhängig davon, wie lange es tatsächlich dauert, bis die Crew in den Feierabend gehen kann. Während das Swiss-Personal zehn Prozent Umsatzbeteiligung am Bordverkauf erhalte, bekomme das Air-Baltic-Personal nur ein Prozent.

Passagierrechte

Wenn ein Flug verspätet oder annulliert wird, gibt es in bestimmten Fällen Anspruch auf Entschädigung – bis zu 600 Euro pauschal, unabhängig vom Flugpreis. Doch die Entschädigungszahlungen klappen nicht immer. Wenn Flugpassagiere sich in ihren Passagierrechten verletzt fühlen, haben sie die Möglichkeit, Anzeige beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zu erstatten. 2024 gibt es einen neuen Negativrekord: Das Bazl meldet 7600 eröffnete Verwaltungsstrafverfahren. Wie viele davon auf die Swiss und wie viele auf andere Airlines fallen, will das Bazl nicht verraten. 2024 kam es zu 62 Bussen – auch hier ist unklar, wie viele die Swiss betreffen. 

Integration der Ita Air

Die Lufthansa-Gruppe, zu der die Swiss gehört, hat die italienische Ita (früher: Alitalia) übernommen. Nach wie vor ist unklar, was das für die Flüge zwischen der Schweiz und Italien bedeutet. Noch hat die Ita in der Holzklasse einen besseren Service als die Swiss (es gibt einen Snack), auch sind Ita-Flüge günstiger als Swiss-Flüge. Der Schweizer Preisüberwacher Stefan Meierhans (56) beobachtet, was die Swiss vorhat

Ärger mit dem Stimmvolk

Der Verein Fair in Air fordert mit der «Flughafen-Nachtruhe-Initiative» für Zürich eine strikte Nachtruhe von 23 bis 6 Uhr – ohne Ausnahmen. Bislang dürfen Flugzeuge bis 23.30 Uhr starten und landen, um Verspätungen abzubauen.

Ressourcendruck

Laut HSG-Dozent Andreas Wittmer (51) hat die Swiss wie die gesamte Luftfahrtindustrie mit einem Ressourcenproblem zu kämpfen. «Es fehlen Piloten und Fachpersonal. Die Flughafenkapazitäten sind knapp und die Lufträume sind zu Stosszeiten voll. Knappe Ressourcen auf allen Ebenen fordern die Akteure der Luftfahrt heraus.» Die Gewerkschaften hingegen argumentieren, die erfolgreiche Swiss sei die Cashcow der defizitären Lufthansa-Gruppe. Für künftige Tarifverhandlungen ist Streit programmiert.

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