Die Cashcow der Lufthansa in der Kritik
Die teure Billig-Airline Swiss verleidet der Kundschaft

Die Swiss ist zu einer fetten Cashcow mutiert. Gut für die Muttergesellschaft Lufthansa, schlecht für die Kunden. Die Ärgernisse nehmen zu.
Publiziert: 15.11.2024 um 13:23 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2024 um 16:25 Uhr
Passagiere am Flughafen Zürich: Hier flog vergangenes Jahr jeder zweite Passagier mit der Swiss.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Carmen Schirm
Handelszeitung

Eines muss man ihm lassen. Carsten Spohr, seit zehn Jahren oberster Chef der Lufthansa AG, ist keiner, der Untiefen mit bauschigen Marketinghülsen schönredet. Unlängst sprach er an einem Symposium der Universität St. Gallen aus, was alle Zahlen zeigen: «Die Lufthansa erzielt eine operative Marge, für die Schweizer nicht einmal aufstehen würden.» Unumwunden gab er zu, wer in der Lufthansa Group, zu der eine Vielzahl von Fluggesellschaften gehören, die Kassen klingeln lässt: «Die Swiss – sie ist eine Erfolgsstory schlechthin.»

Zwischen den Airlines befinden sich nicht Welten, sondern ganze Universen. Die operative Marge des Kranichs liegt bei mageren 5,3 Prozent, jene der Swiss bei 13,7. Letztere trägt 30 Prozent zum Gewinn bei, Eurowings 9 Prozent, Brussels Airlines 5 Prozent, Austrian Airlines 2 Prozent. Die Lufthansa hingegen erzielte in den ersten neun Monaten dieses Jahres ein Minus.

Noch mehr Zahlen gefällig? Die Swiss verdient pro Passagier 36.20 Euro, Eurowings 10.30, Austrian 6.50. Die Lufthansa hingegen verliert aktuell pro Passagier 75 Cent. Egal, welche Betriebszahl man heranzieht: Die Swiss ist die dicke Cashcow, der Kranich liegt auf der Intensivstation.

Jeder und jede Zweite flog mit der Swiss

Die Dominanz der Swiss hat eine Historie. So liegt es in den Genen von Airline-Managern, ihren Heimmarkt zu verteidigen und abzuschotten. «Die Abschottung der Konkurrenz gelingt der Swiss weitaus besser als anderen», sagt Stefan Eiselin, Chefredaktor von «Aerotelegraph». «Sie hat zusammen mit anderen Airlines der Lufthansa-Gruppe ein Quasimonopol am Zürcher Flughafen, während es anderswo wesentlich mehr Konkurrenz gibt.» Der Jahresbericht des Flughafens Zürich zeigt: Jeder zweite Passagier flog vergangenes Jahr mit der Swiss.

Wie hält man sich die lästige Konkurrenz vom Leib? Indem man auf Slots zu stark frequentierten Start- und Landezeiten sitzt. Die «Grandfather Rights» ermöglichen es Fluggesellschaften, ihre Slots über Jahre hinweg zu behalten, solange sie diese mindestens zu 80 Prozent nutzen. Da die Swiss als Nachfolgegesellschaft der ehemaligen Swissair gilt, konnte sie viele dieser Slots beanspruchen und seitdem halten. Für neue Anbieter bleiben, wenn, dann oft nur Randzeiten übrig.

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150 Tarife für einen Flug

Es liegt in der Natur der Sache: Der Platzhirsch quetscht die Zitrone aus. «In der Schweiz können aufgrund der hohen Kaufkraft viel höhere Preise verlangt werden als in Deutschland», sagt Gerald Wissel von Airborn Consulting, «unterstützt von einem ausgetüftelten Yield-Management.» Dieses Ertragsmanagement soll von Frankfurts Managern gesteuert werden, die die Preise für Flugtickets basierend auf dem Buchungsverlauf dynamisch anpassen. So kann für jeden Sitzplatz im Flugzeug der optimale Preis erzielt und können die Einnahmen maximiert werden. Jedoch nicht ohne Nachteil: «Yield-Management ist ein zentrales Managementtool. Durch zunehmend stärkeren Einfluss aus Frankfurt verliert die Swiss ihre unternehmerische Eigenständigkeit», sagt Gerald Wissel.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Zudem wird der Buchungsprozess immer unübersichtlicher. «Ich verkaufe seit zwanzig Jahren Flugtickets, doch es war noch nie so kompliziert wie heute», sagt Barbara Wohlfarth, Inhaberin des Reisebüros Reisecocktail in Dietlikon. «Mit der Einführung des neuen Kabinenkonzepts von Allegris beziehungsweise Swiss Senses gibt es bis zu 150 verschiedene Tarife und Preisvarianten für einen Flug.»

Vormachtstellung auf vielen Strecken

Und die Touristikerin ärgert sich: «Die Swiss nutzt auf vielen Strecken ihre Vormachtstellung schamlos aus.» Unlängst musste sie für dreissig Personen Gruppentickets für Flüge von Zürich nach Hamburg und retour ausstellen. Der Direktflug kostete stolze 800 Franken – einfach aufgrund der Tatsache, dass diese Strecke nur von der Swiss und von Eurowings bedient wird, die zur gleichen Muttergesellschaft gehören.

Ähnlich sieht es für die Strecken Zürich–Brüssel oder Zürich–Wien aus. Auf Letzterer bietet die Swiss täglich gut und gerne acht Flüge an. Ausweichen kann man nur auf wenige Flüge der AUA, die ebenfalls zur gleichen Muttergesellschaft wie die Swiss gehört und gleich hohe Preise ausweist.

Trotzdem klagt man bei der Swiss: «Die Kosten für Gebühren, Flugzeugwartung, Personal und Luftsicherung sind zweistellig gestiegen», sagte unlängst Swiss-Finanzchef Dennis Weber. Man habe sehr viele alte Flugzeuge im Markt, gerade der Airbus 220 und 320 benötigten zusätzliche Wartung. Zudem habe man auf zehn Flugzeuge verzichten müssen, da die Triebwerke deutlich früher als geplant revidiert werden mussten.

Zusatzumsätze sind ein gutes Geschäft

Beinahe hat man Mitleid. Würden nicht die Mehrkosten mehr als umgewälzt – unter dem klingenden Namen Ancillary Revenues (Zusatzumsätze). Was früher gratis war, berappt man heute teuer für Sitzplatzreservationsgebühren, Freigepäck, Bordessen und anderes.

Diese Zusatzgebühren haben gleich mehrere Vorteile für die Swiss: Werden sie gesondert verrechnet, ist der Flug viel günstiger und poppt mit etwas Glück bei der Onlineflugsuche ganz oben auf. Die Nebenumsätze der Lufthansa-Gruppe betrugen 2023 gemäss der Reisetechnologieplattform Car Trawler rund 1 Milliarde Euro – eine Verdoppelung seit 2022.

360 Euro fürs Nebeneinandersitzen

Wie hoch der Anteil der Swiss daran ist, wird nicht ausgewiesen. Doch er dürfte fürstlich sein. Denn für die Seelenruhe von Familien beim Fliegen, indem die Eltern bei ihren Sprösslingen sitzen können, müssen diese mittlerweile tief in die Tasche greifen. Unlängst wurden die Reservierungsgebühren noch einmal angehoben: zum Beispiel für einen Standardsitz in der Economy-Class für einen Interkontinentalflug von 39 auf 45 Euro. Eine Familie mit vier Kindern zahlt somit für einen USA-Flug eine Sitzgebühr von 370 Euro. Sollten die Economy-Gäste eine bessere Sitzkategorie wünschen, einen Platz etwa in der ersten Reihe oder mit mehr Beinfreiheit, kann die Sitzgebühr für die höchste Preiszone bis zu 115 Euro pro Person ausmachen.

Hohe Preise, hohe Qualität – so ist das halt. Die Realität jedoch ist eine andere. Der NPS misst als Kennzahl die Wahrscheinlichkeit, mit der Kundinnen und Kunden ein Unternehmen oder eine Marke weiterempfehlen würden. Für die Lufthansa Airlines inklusive Swiss lag der NPS 2023 bei 27 (Vorjahr 33) und damit weit unter dem Zielwert von 50. Rund zwei Drittel der Kundinnen und Kunden würden also eher zu einer anderen Airline raten. In der Forbes-Rangliste der besten Airlines ist die Swiss nicht einmal vertreten.

Es häufen sich verärgerte Premium-Kunden, die ausrufen: «Durchschnittlicher Service, alte Flugzeuge (A340) und schlechtes Essen», machte Premium-Gast Jean-Claude Babin, CEO von Bulgari, seinem Unmut unlängst Luft. Die Fluggesellschaft storniere zudem kurzfristig Flüge, ohne alternative Lösungen anzubieten. Zudem sei er in den vergangenen sechs Monaten trotz langfristiger Vorausbuchung zweimal auf die Warteliste gesetzt worden.

Probleme mit Pünktlichkeit und Stornierungen

Laut einer Rangliste des Verbraucherportals Flightright gehört die Swiss in Sachen Pünktlichkeit zu den schlechtesten Airlines Europas. Auch was Stornierungen angeht, kommt die Swiss im europäischen Vergleich besonders schlecht weg: Mit einer Stornierungsquote von 2,61 Prozent schneiden nur noch Eurowings (3,09 Prozent) und Lufthansa (2,9 Prozent) schlechter ab. «Zur Einordnung kann gesagt werden, dass wir bei etwa 1 Prozent an gestrichenen Flügen von einem normalen Durchschnitt sprechen», erklärt Feyza Türkön, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright. «Fluggesellschaften wie TAP Portugal, Ryanair und Iberia zeigen, dass es auch anders geht, und überzeugen mit Stornierungsquoten von unter 1 Prozent.»

Noch sind die Kundinnen und Kunden treu. «In der Schweiz ist die Loyalität zur Marke Swiss und zur eigenen Airline viel grösser als in anderen Ländern», sagt Gerald Wissel. «Das Kreuz ist viel mehr wert als die rote Flagge oder der Kranich auf dem Flieger.» Doch wie lange noch? «Die Swiss muss aufpassen», sagt Stefan Eiselin. «Guter Service ist eine zentrale Daseinsberechtigung der Swiss.» Die Konkurrenz aus dem Nahen und Fernen Osten liegt in Airline-Ratings regelmässig vorn, während die Swiss weit hinterherhinkt.

Carsten Spohr gibt Qualitätsprobleme zu

Karsten Benz, Professor für Air-Traffic-Management, doppelt nach: «Die Swiss hat seit Corona beim Service mit Problemen zu kämpfen.» Logisch, gehe in dieser Branche immer mal was schief. «Doch gerade bei Verspätungen oder überfüllten Lufträumen ist der ‹Moment of Truth› gekommen für guten Service, für Hilfe bei der Gepäcksuche, Direktinformationen über Anschlussflüge auf das Handy oder auch für Hilfe bei Kostenerstattungen.» Es sei jedoch noch immer so, dass sich bei einer Verspätung eine Traube von Menschen um den Serviceschalter einfinde und um Information betteln müsse. Dabei gebe es schon längst digitale Lösungen.

«Wir sind noch nicht in der Lage, die Premium-Qualität zu liefern, die die Gäste von uns verlangen», gestand Carsten Spohr in St. Gallen ein. Um im Anschluss eine lange Liste an Gründen aufzuzählen, die dazu führen: «Uns fehlen Personal an Flughäfen, Personal bei den Airlines, Ersatzteile, Flugzeuge, Triebwerke.»

Nur fragwürdige Managemententscheide zählt er nicht dazu. Etwa eine beispiellose Entlassungswelle in der Corona-Zeit: Über die gesamte Gruppe wurden 30’000 Mitarbeitende entlassen, 1000 allein bei der Swiss. Heute, da die Nachfrage derart gross ist, fehlen diese Mitarbeitenden. Und neue können nicht so schnell eingeschult und eingearbeitet werden.

Der neue Swiss-CEO hat also jede Menge zu tun. Seit Oktober dieses Jahres ist Jens Fehlinger (43) im Amt. Wo er ansetzen muss, dürfte klar sein.

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