Nach der turbulenten Übernahme von Kuoni Schweiz durch die deutsche DER Touristik im Jahr 2016 folgten für den bekanntesten Reiseveranstalter der Schweiz harte Restrukturierungsjahre. Dann kam Corona. Der erfahrene Touristiker Dieter Zümpel (65) hat den Turnaround mit Kuoni dennoch geschafft und freut sich über die reisefreudigen Schweizerinnen und Schweizer.
Blick: Herr Zümpel, laufen die Buchungsdrähte wieder heiss?
Dieter Zümpel: Die Vorausbuchungen für 2023 liegen in diesem Januar im Vergleich zum Januar des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 bislang zweistellig im Plus. Gerade Reisen im Sommer und Dezember 2023 werden stark nachgefragt.
Schaffen Sie es in diesem Jahr wieder aufs Vor-Corona-Niveau zurück?
Nicht ganz, 90 Prozent des Vor-Corona-Niveaus sind unser Ziel.
Warum so verhalten?
Die Unsicherheit rund um den Ukraine-Krieg, der starke Franken und die Kaufkraftentwicklung beschäftigen uns weiterhin.
Wie wird denn derzeit gebucht?
Im Jahr 2019 buchten unsere Kunden im Schnitt noch 115 Tage vor der Reise, 2022 waren es nur noch 75 Tage vor Reiseantritt. Jetzt buchen die Leute wieder früher. Das liegt auch daran, dass wir dauerhaft ein Preismodell eingeführt haben, bei dem sich eine Reise bis acht Tage vor Abflug ohne Angabe von Gründen kostenfrei stornieren lässt. Für uns wird 2023 kein Last-Minute-Jahr.
Die kurzfristigen Buchungen im vergangenen Jahr hatten vor allem mit Unsicherheiten wegen des Chaos an vielen Flughäfen zu tun.
Ja, auch. Ich erwarte 2023 kein Sommer-Chaos mehr. Was angesichts von 2022 keine grosse Leistung der Fluggesellschaften wäre.
Sie bezeichneten die Swiss 2022 als «arrogant». Sind die Fronten immer noch verhärtet?
Auf operativer Ebene war unser Verhältnis eigentlich immer gut, aber es gab strategische Differenzen. Die musste ich ansprechen. Aktuell ist unser Verhältnis normal.
Dieter Zümpel (65) ist seit 2016 CEO der Kuoni-Marken unter dem Dach von DER Touristik Suisse AG. Zunächst Berufsoffizier bei der deutschen Bundeswehr, erlernte er das Vertriebsgeschäft bei Tchibo und bekleidete ab 1996 Touristik-Führungspositionen, unter anderem bei TUI. Zümpel ist verheiratet und Vater von drei Kindern, eines davon noch im Schulalter. Er lebt in Zürich und Köln (D). Nebst dem Reisen schätzt er das Wandern und Geschichte.
Dieter Zümpel (65) ist seit 2016 CEO der Kuoni-Marken unter dem Dach von DER Touristik Suisse AG. Zunächst Berufsoffizier bei der deutschen Bundeswehr, erlernte er das Vertriebsgeschäft bei Tchibo und bekleidete ab 1996 Touristik-Führungspositionen, unter anderem bei TUI. Zümpel ist verheiratet und Vater von drei Kindern, eines davon noch im Schulalter. Er lebt in Zürich und Köln (D). Nebst dem Reisen schätzt er das Wandern und Geschichte.
Wohin zieht es die Schweizer Kundschaft derzeit?
Die Mittelmeerländer, der Indische Ozean, die Arabische Halbinsel und Afrika werden sehr stark nachgefragt. Auch die Asien-Nachfrage bewegt sich wieder auf dem Niveau von 2019, vor allem Thailand und Japan sind beliebte Ziele. Noch unter den Erwartungen liegen die USA und Kanada – vielleicht wegen der anhaltenden Impfnachweispflicht in den Vereinigten Staaten.
Noch reisen weniger Leute als vor Corona, sie müssen nun aber tiefer ins Portemonnaie greifen. Hält dieser Trend an?
Das werden wir sehen. Die Inflation ist in der Schweiz zwar spürbar. Die Stärke des Frankens kompensiert dies beim Reisen aber etwas, indem etwa Nebenkosten in den Ferien im Ausland günstiger sind. Eine von uns im November durchgeführte Studie zeigte zudem, dass lediglich 21 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer ihr Ferienbudget im Hinblick auf 2023 kürzen. Rund die Hälfte hält am bisherigen Budget fest, 31 Prozent wollen sogar mehr ausgeben.
Kommt darauf an, wie sich die Preise entwickeln!
Die Reisepreise liegen auch 2023 über dem Durchschnitt. Vor allem die Flugpreise zeigen einen anhaltenden Aufwärtstrend. Wir können diesen Effekt aber abfedern, weil unser Mutterhaus Leistungen mehrheitlich in Euro einkauft. Wir haben so im Hotelbereich sehr attraktive Preise.
Wo stehen Sie preislich innerhalb der Schweiz?
Mit Helvetic Tours haben wir die Preisführerschaft, mit Kuoni sind wir im höherwertigen Segment, aber preislich dennoch attraktiv.
Was ist dran an den Gerüchten zur Fusion ihres Mutterhauses DER Touristik mit dem Mitbewerber FTI?
Spekulationen und Marktgerüchte kommentiere ich nicht.
Zum Thema Massentourismus haben Sie sicherlich eine Meinung!
Jetzt, wo die Menschen wieder frei reisen können, kehrt dieses Thema zurück. Wir wollen und müssen uns weiterhin stark mit Nachhaltigkeitsthemen befassen.
Was unternimmt Kuoni gegen «Overtourism»?
Wir versuchen, weniger stark frequentierte Ziele gemeinsam mit lokalen Tourismusorganisationen zu entwickeln. Dafür gibt es aktuell Projekte auf Flores in Indonesien oder in Südschweden und im Norden Islands. Wir bilden Einheimische aus und schaffen neue Angebote. Wir verteilen so die Reiseströme besser, idealerweise auch die Reisezeitpunkte.
Das bedeutet erst einmal Investment – ohne Gewinngarantie.
Wir wollen Engagement zeigen. Aber natürlich sind wir keine NGO. Wir beabsichtigen, mittelfristig mit all unseren Reisen profitabel zu sein. Gibt es für entsprechende Angebote auch nach mehreren Jahren keine genügende Nachfrage, müssen wir über die Bücher.
In der IT wurde in der Vergangenheit auch schon viel Geld verlocht.
Technologisch entwickeln wir uns stetig weiter. Neuerdings nutzen wir auch künstliche Intelligenz. Gesammeltes Kundenfeedback wird anonymisiert und umfassend von einer KI kategorisiert und analysiert. Das gibt uns wertvolle Rückschlüsse für die Produktentwicklung.
Man sagt auch, KI führe zu Arbeitsplatzabbau. Kuoni hat während der Pandemie Arbeitsplätze abgebaut. Was kommt noch?
Wir haben kostenseitig unsere Aufgaben bereits gemacht. Wir haben Katalogkosten heruntergefahren, die Mietfläche am Hauptsitz um 40 Prozent reduziert, Mieten für Reisebüros nachverhandelt. Damit und mit dem heutigen Personalbestand sind wichtige Grundlagen für den Erfolg geschaffen. Ich gehe davon aus, dass 2023 ein gutes Reisejahr wird.
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Aber wie sieht es fürs letzte Jahr aus, für das sie rund 520 Millionen Franken Jahresumsatz oder 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus in Aussicht stellten?
Genaue Zahlen kommunizieren wir noch nicht. Aber wir haben beim Umsatz wohl eine Punktlandung hingelegt. Damit sind wir zufrieden. Bei den Gästen haben wir die 80 Prozent von 2019 noch nicht erreicht. Allerdings hat sich der durchschnittliche Umsatz pro Gast deutlich erhöht. Wir können unsere Kosten nun deutlich besser decken.
Schreiben Sie für 2022 endlich wieder schwarze Zahlen?
Diese Kommunikation erfolgt nicht durch mich, sondern auf Gruppenebene. Ich sage nur: Auch in diesem Punkt bin ich zufrieden.