Der Pilotenmangel stellt für viele Fluggesellschaften ein zunehmendes Problem dar. Sie können der Personalnot mit mehr Ausbildung oder höheren Löhnen begegnen. Oder aber, indem hinter den Kulissen für eine Regeländerung im Cockpit lobbyiert wird. Demnach sollten künftig auch Grossraumflugzeuge zumindest zeitweise oder sogar ganz von nur einem Piloten gesteuert werden.
Sowohl in Europa als auch in den USA gibt es hierfür schon Vorstösse. In den USA ist ein entsprechender Gesetzänderungs-Antrag bereits vor dem Kongress. Allerdings geht es in einem ersten Schritt um Cargo-Flüge. In Europa hat die Flugsicherheitsbehörde Easa derweil eine Machbarkeitsstudie lanciert, die bis Mitte 2024 abklären soll, ob ein Pilot im Cockpit ausreicht.
Bazl unterstützt das Vorhaben
Auf Anfrage von Blick erklärt Christian Schubert, Sprecher des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl): «Obwohl das Bazl nicht direkt in die Ausarbeitung der neuen Regulierung involviert ist, unterstützen wir dieses Vorhaben.» Die Bestrebungen für ein Konzept, bei dem auf langen Flügen und in Flugphasen mit geringer Arbeitsbelastung die Cockpitbesatzung auf einen Piloten reduziert wird, seien weit fortgeschritten. Sollte die Easa das Regelwerk ändern, wird die Schweiz auf Basis des bilateralen Luftverkehrsabkommens mit der EU diese automatisch übernehmen.
Luftfahrzeuge, die von einem einzigen Piloten geflogen werden dürfen, sind weit verbreitet. Die «Single Pilot Operation» (SPO) kommt vor allem bei Helikoptern und kleinen Jets zur Anwendung. Kommerziell betriebene Grossflugzeuge sind dagegen für den Betrieb mit zwei Piloten zertifiziert.
Damit künftig weniger Piloten notwendig sind, braucht es nicht nur technologische Verbesserungen. Die Entscheidungs- und Führungsprozesse gerade in Notfallsituationen müssen neu gedacht werden. Erst dann könnten grosse Jets für einen reduzierten Pilotenbetrieb zertifiziert werden.
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Piloten zweifeln am Sinn des Projekts
Dies könnte laut Easa bereits in diesem Jahrzehnt Realität werden, sogar schon 2027. Die Interessenvertreter der Fluggesellschaften und die Dachverbände der Gewerkschaften seien im Prozess eingebunden, versichert Schubert.
In der Schweiz sind die Piloten allerdings nicht eingebunden. Auf europäischer Ebene kann immerhin der Pilotenverband ECA etwas mitreden.
Die Meinung der Piloten ist indes klar: «Der Zeitplan ist überhastet, und das Projekt an sich ist infrage zu stellen», erklärt Thomas Steffen, Sprecher des Schweizer Pilotenverbands Aeropers. Aus seiner Sicht geht es nur darum, Geld und Personal einzusparen. «Wollte man die Flugsicherheit erhöhen, dann müsste man die Piloten in ihrer Arbeit besser unterstützen und sie nicht ersetzen.»
Grosse Sicherheitsbedenken
Sicherheitsbedenken hat er einerseits auf technischer Seite. So müsste ein Flugzeug allein sicher landen können, wenn der Pilot ausfällt. «Aktuell können noch nicht einmal Autos zuverlässig selbst fahren», sagt Steffen. Heute finden bei sehr schlechter Sicht zwar bereits «automatische Landungen» statt. Dabei ist nur das Aufsetzen automatisch. Die Piloten müssen den Prozess aufmerksam überwachen und beispielsweise Landeklappen und Fahrwerk manuell ausfahren. Und wenn die Wetter-Bedingungen sehr anspruchsvoll sind, muss ohnehin ganz von Hand gelandet werden.
Was ist mit einer Fernsteuerung vom Boden aus? «Das ist aus unserer Sicht keine Option, da hier die Gefahr von Missbrauch besteht», erklärt Steffen. Wenn es möglich sei, die Kontrolle über ein Passagierflugzeug von Boden aus zu übernehmen, dann besteht die Gefahr, dass Unberechtigte ein Flugzeug kapern. «In ein solches Flugzeug würde ich nicht einsteigen», so Steffen.
Selbst wenn technische Barrieren überwunden werden, gibt es noch die psychologische Komponente. Würden sich Passagiere in einem Flugzeug sicher fühlen, das nur von einem Piloten gesteuert wird?
Auf Kurzstrecken könnte dies durchaus der Fall sein. Hinzu kommt, dass es auch mit zwei Piloten an Bord keine absolute Sicherheit gibt. Das hat der Fall von Germanwings 2015 gezeigt, bei dem der Co-Pilot den Piloten nach dessen Toilettengang aussperrte und das Flugzeug absichtlich zum Abstürzen brachte.