Am 24. März 2015 steuerte Co-Pilot Andreas Lubitz (†27) den Germanwings-Flugs 4U 952 absichtlich gegen einen Berg in den französischen Alpen. Der Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörde für Flugunfälle BEA hält fest, dass er sich für Suizid entschieden und den Absturz bewusst herbeigeführt hatte.
Der Kapitän hatte das Cockpit kurz verlassen. Als er zurückkehren wollte, fand er die Tür verriegelt vor. Passagiere und Besatzung mussten schreckliche letzte Minuten erlebt haben während der Co-Pilot zum Sinkflug ansetzte. Einige versuchten wohl, mit ihren Handys kurz vor ihrem Tod noch geliebte Menschen zu erreichen, um Abschied zu nehmen – ähnlich, wie dies am 11. September 2001 beim United-Airlines-Flug UA 93 geschehen war.
Nach dem Germanwings-Absturz waren 60 Telefone gefunden worden. Einige wurden an die Angehörigen verschickt. Wie die deutsche Zeitung «Bild am Sonntag» berichtet, sind die Handys der Toten allerdings vorher manipuliert worden. So fehlt beispielsweise auf dem Handy des Opfers Jens Voss (†37) der NAND-Speicher, der Daten aufbewahrt. Dies, obwohl das Gerät sonst noch gut erhalten war.
Sollte so etwas vertuscht werden?
Mehr als vier Jahre nach der Katastrophe geben die Handys der Opfer neue Rätsel auf. Der Verdacht: Die Telefone wurden nachträglich manipuliert. Die Eltern von Voss hatten die persönlichen Gegenstände ihres Sohnes vom Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa zurückerhalten. Sie hegten die Hoffnung, damit auch ein paar Informationen über die letzten Tage und Momente ihres Sohnes zu erfahren.
Das Handy war jedoch nicht mehr nutzbar. Zunächst glaubten sie, dass es beim Aufprall des Flugzeuges so stark beschädigt wurde, dass es deswegen nicht mehr funktionierte. Von 60 aufgefundenen Handys sind mittlerweile 50 an Angehörige zurückgesandt worden. Doch auch andere Opfer-Angehörige beklagten sich in Chat-Gruppen, dass auch ihre zurückgegebenen elektronischen Geräte nicht mehr brauchbar seien.
Dabei erinnert sich Mutter Brigitte Voss, dass sie am Tag nach dem Absturz eine automatisierte Nachricht von ihrem toten Sohn bekommen habe: «Der Teilnehmer ist jetzt wieder erreichbar.» Ohne NAND-Speicher wäre diese Meldung gar nicht möglich gewesen. Doch als ihr Mann zurückrief, sei keine Verbindung zustande gekommen. Das Ehepaar ist sicher: «Das Gerät hat noch funktioniert und wurde im Nachhinein unbrauchbar gemacht.»
Zu schockierende letzte Momente?
Ein von der «Bild am Sonntag» beauftragter ausgewiesener EDV-Experte, der das Gerät untersuchte, kam zu einem unglaublichen Ergebnis: «Es wurde definitiv nach dem Absturz manipuliert. Der NAND-Speicher, der als Festplatte des Handys dient, wurde entnommen. Das kann nicht durch den Aufprall geschehen sein, da die Platine ansonsten keine Schäden aufweist. Auf dem NAND-Speicher befinden sich alle Daten – also SMS-Verläufe, Fotos und Anruflisten.»
Diese Speicher hätten auch die letzten Minuten im Leben der Opfer dokumentiert. Möglich, dass die Verantwortlichen die Hinterbliebenen zu schonen versuchen, so ein Rechtsanwalt der 40 Opferfamilien, weil die Vorgänge im Flugzeug schockierend gewesen sein mussten. Doch auf den Handys hätten auch Videos vorhanden sein können, die über die Absturz-Ursache Aufschluss geben. Ein Anwalt der Nebenklage zur Zeitung: «Warum Daten der Geräte nach dem Absturz offenbar gelöscht wurden, ist mir schleierhaft. Das macht kriminalistisch keinen Sinn. Es sind ja Beweise.»
Wer könnte die Handys im Nachhinein manipuliert haben? Lufthansa war an der Aktion nicht beteiligt. Der britische Firma Kenyon Internationale Notdienste hatte die Elektrogeräte, die am Absturzort gefunden wurden, im Auftrag der Lufthansa zunächst von den französischen Behörden bekommen und anschliessend an die Angehörigen weitergegeben. Eine Anfrage der Zeitung bei den französischen Untersuchungsbehörden blieb unbeantwortet. (kes)