Abfahrt ist um 21.43 Uhr. Der weisse Ford Transit mit dem tschechischen Kennzeichen fährt rückwärts aus dem Parkplatz auf der achten Etage. Ort: Flughafen Zürich, Parkhaus P1. Im Gepäck: 466 Speichelproben. Der Tank: zu zwei Dritteln voll. Destination: ein Labor in Tschechien.
Sechs Stunden dauert die Fahrt. Zwei Fahrer sitzen vorne. Sie sind eben erst aus Tschechien angereist und wechseln sich ab, um die Ruhezeiten einzuhalten. So wie an jedem anderen Tag. Zwei Landesgrenzen werden passiert. Das Resultat ist der günstigste PCR-Test der Schweiz.
Anbieter ist das Unternehmen Viselio – eigentlich auf Visa-Dokumente spezialisiert, wegen der Pandemie jetzt dick im Test-Geschäft. 119 Franken verlangt die Firma für die Auswertung der Speichelprobe. Ins Röhrchen gespuckt wird im Flughafenhotel Radisson Blu.
Preiskampf am Flughafen
Normalerweise kostet ein PCR-Test um die 150 Franken. Das ist der offizielle Tarif des Bundes. Es geht aber auch deutlich teurer: Im eigentlichen Testzentrum des Flughafens zahlen Kunden bis zu 195 Franken. Die Differenz zu Viselio: 76 Franken!
Die Fahrt in den Osten ist das Geheimnis des Billiganbieters. Die Speichelproben werden zur Analyse nach Karlsbad gekarrt. Normalerweise kuren hier reiche Russen. Jetzt trifft jeden Morgen eine Wagenladung Corona-Tests aus der Schweiz ein. Blick hat eine Fahrt im Ford Transit begleitet.
611 Kilometer sind die Speichelproben unterwegs. Bei Thayngen SH gehts durch den Zoll. Die Proben sind im Kofferraum mit einer einfachen «Spinne» befestigt. Einem Spanngurt. Drei Boxen mit auffällig grünem Deckel. Warenwert laut Zolldeklaration: 23,30 Euro. Ein Röhrli mit Speichelprobe wird pro forma mit 5 Cent veranschlagt. Weil es mit Spucke gefüllt ist, hat es kommerziell keinen Wert mehr.
Mit Speichelproben am Zoll
Der tiefe Betrag sorgt dafür, dass der Zoll keine weiteren Fragen stellt. Das Auto wird nach einem zehnsekündigen Wortwechsel durchgewunken. «Das läuft immer so», sagt Fahrer Stanislav* (33). Er steigt auf der deutschen Seite aus und macht eine WC-Pause. Beifahrer Simon* (33) lässt die Rechnung stempeln.
Es ist nicht die erste Fahrt der beiden. Die zwei sind ein eingespieltes Team. Sie reden lieber, als Radio zu hören. Und rauchen eine Zigarette, wenn es kurz eine Pause gibt. Nach vier Stunden Fahrt teilen sie sich eine Dose tschechisches Red Bull.
Stanislav fährt eher zurückhaltend. Simon ist ein Bleifuss. Er brettert locker mit 150 Kilometern die Stunde über die deutsche Autobahn. Nur wenige Autos sind um diese Uhrzeit noch unterwegs. Ein paar Lastwagen auf der rechten Spur, links alles frei. Keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Bei Nürnberg drückt die Blase. Zehn Minuten Pause. Dann gehts weiter.
Aldi des Test-Business
Um 3.01 Uhr passiert das Auto beim tschechischen Dorf Eger die Grenze zum zweiten Mal. Bis zum Bestimmungsort ist es nur noch eine Dreiviertelstunde. Alles ist noch im Tiefschlaf. Die Fabriken sind dunkel, bei Playmobil brennt Licht. Arbeiterinnen sind am Werk. Der Ford Transit düst vorbei. Die Tankladung ist fast aufgebraucht. Die Speicheltests im Kofferraum sind unverrückt an Ort und Stelle. Die «Spinne» tut ihren Dienst.
Kurz vor vier Uhr morgens, um 3.46 Uhr, schliesst Laborleiterin Lenka* (38) schliesslich die Tür zum tschechischen Labor auf. Eine weitere Mitarbeiterin steht bereit, um die Proben aus der Schweiz zu analysieren. Als Erstes wird das Material gecheckt. «Um zu sehen, ob alle Proben angekommen sind», sagt Lenka. Anschliessend wird pipettiert, erhitzt, gekühlt, wieder erhitzt, erneut gekühlt. Über 40 Zyklen durchläuft jede Speichelprobe. Das Ergebnis erhalten die Getesteten per E-Mail. Der Abfall bleibt in Tschechien. Die Fahrer kommen mit einem leeren Auto wieder in die Schweiz.
Das Labor erfüllt alle europäischen Standards. Die Arbeit ist sorgfältig, der Maschinenpark neu, das Resultat locker mit der Schweiz vergleichbar – und von allen Airlines und Hotels anerkannt. Der Preis: unschlagbar. Das freut unterm Strich auch Viselio-Gründer Niklas Zeller (25). Er, ein Aviatik-Liebhaber mit Geschäftssinn – dank seinem Tschechien-Abstecher der grosse Preisbrecher und so der Aldi im Test-Business – will noch mehr: «Wir eröffnen diese Woche zwei neue Ableger in Luzern und Basel.»
* Name der Redaktion bekannt