Einreise-Wirbel in der Schweiz! Seit drei Monaten gilt das strenge Corona-Testregime an den hiesigen Flughäfen: Wer mit dem Flugzeug einreisen will, muss einen negativen PCR- oder Antigen-Test vorweisen. Dieser darf nicht älter als 72 Stunden sein. Für ein Ehepaar oder eine Familie mit Kindern ab zwölf Jahren kann das ganz schön teuer werden – bis zu 200 Franken werden im Ausland für einen Test verlangt.
Ob alle Passagiere einen solchen Test gemacht haben, wird nicht immer überprüft. Blick machte am Samstag mehrere Fälle publik, bei denen die Corona-Tests der Reisenden nicht kontrolliert worden sind. Die Airlines Edelweiss und Swiss winkten ab, sprachen von «Einzelfällen».
Doch jetzt zeigt sich: Die Fluggesellschaften spielen das Problem herunter. Von Einzelfällen kann keine Rede sein. Der Blick-Artikel vom Wochenende hat eine Flut an Reaktionen ausgelöst. Dutzende Leser erzählen dieselbe Geschichte: Ihr Corona-Test wurde weder am Abflugort noch in der Schweiz kontrolliert.
«Das Geld hätte ich mir sparen können»
Chris Götz ist von Mexiko nach Zürich geflogen. Er schreibt in der Kommentarspalte: «Viel Geld und Stress vor dem Abflug, damit ich an einen negativen Test komme – und dann keine einzige Kontrolle. Das Geld hätte ich mir sparen können!»
Blick-Leser Orkineese Jackson berichtet: «Ich fliege sehr oft und kann einhundertprozentig sagen, dass es keine Einzelfälle sind.» Wenn man mit der Swiss vom Ausland in die Schweiz fliege, müsse man den negativen Corona-Test nicht immer zeigen. «Manchmal reicht schon nur ein Ja als Antwort», so Jackson.
Andy Ritter geht mit Edelweiss hart ins Gericht. Beim Hinflug mit einer spanischen Airline seien die Tests penibel überprüft worden. Doch auf dem Rückflug mit der Lufthansa-Tochter habe sich keine Menschenseele darum gekümmert. «Niemand wollte den Test sehen. Und im Flieger zogen fast alle um mich herum die Masken nach dem Start aus. Auch nach Hinweisen von Passagieren hat die Crew nichts unternommen. So viel zu den angeblichen ‹Einzelfällen›.»
«Kinderleicht, die Regeln zu umgehen»
«Das Ganze hat System», sagt Unternehmer Roland Zeller (52). Er ist Co-Gründer des Start-ups Viselio, das sich seit Beginn der Pandemie mit Corona-Tests und den diversen wechselnden Einreisebestimmungen beschäftigt. «Es ist kinderleicht, die Regeln für Einreisetests in die Schweiz zu umgehen», so Zeller, der mit Viselio zwei Testcenter am Flughafen Zürich betreibt.
In der Pflicht stehen die Airlines. Sie sind für die Kontrolle zuständig. Und zwar bevor die Passagiere ins Flugzeug steigen. Entweder am Check-in-Schalter oder spätestens beim Gate. «Die Überprüfung, ob ein Passagier von Edelweiss im Besitz eines gültigen negativen Testresultats ist, geschieht an den Abflugsorten durch unsere lokalen Abfertigungsfirmen», bestätigt Edelweiss-Sprecher Andreas Meier.
Bund kontrolliert Airlines nicht
«Das passiert aber nicht immer», sagt Roland Zeller. Der Tourismusbranche sind die Flughäfen bekannt, die es mit den Tests nicht so genau nehmen. Konsequenzen müssen die verantwortlichen Fluggesellschaften nicht fürchten. «Es gibt keinerlei Kontrolle durch den Schweizer Staat», sagt Zeller.
Diese Aussage stimmt nicht ganz: Die Kantonspolizei Zürich führt am Flughafen Stichproben durch, wie ein Sprecher Blick bestätigt. Wenn ein Reisender keinen negativen Corona-Test vorweisen kann, wird er mit 200 Franken gebüsst.
Die Fluggesellschaft, die den Passagier transportiert hat, kommt aber ungestraft davon. «Wenn die lasche Kontrolle für die Airline keine Konsequenzen hat, dann verbessert man auch nichts», argumentiert Zeller.
BAG schrieb Brief an Airlines
Die Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss weisen die Vorwürfe zurück. Die Swiss spricht weiterhin von «Einzelfällen». Edelweiss teilt mit, dass man sich an die Vereinbarung und an die Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit BAG halte.
Das BAG sagt zu Blick, dass man sich in einem Brief Ende März erneut an die Swiss und Edelweiss gewandt hat – zwei Monate nach Beginn des Testregimes. «Die Fluggesellschaften wurden erneut auf ihre Pflichten hingewiesen», so ein Sprecher. Ob es ein Rüffel war, wollte das BAG nicht kommentieren.
Formular als Schlupfloch
Unternehmer Zeller kritisiert auch das BAG. Dort habe man mit dem sogenannten Selbstdeklarationsformular noch ein weiteres Schlupfloch geschaffen. Wer dieses ausfüllt, gibt an, dass es ihm im Ausland nicht möglich war, einen Corona-Test zu machen. Beweisen muss man das nicht.
Mit dem Formular kann man das Flugzeug ganz legal ohne Test betreten. Der Deal: Nach der Ankunft muss man sich «unmittelbar» testen lassen. «Kontrolliert wird das aber natürlich nicht», sagt Zeller. Das Formular wurde somit zum Geheimtipp für Reisende, die sich die teuren Corona-Tests sparen wollen. Zellers Fazit: «Der Bünzli-Schweizer, der viel Geld für die Tests ausgibt und alles korrekt macht, ist der Dumme.»