Discount hat in der Krise Hochkonjunktur. Das zeigt ein Blick auf das Corona-Jahr: Denner und die beiden deutschen Aldi und Lidl machen den etablierten Platzhirschen Migros und Coop mächtig Dampf – bolzen Umsatz und schnappen ihnen Marktanteile weg. Das Trio zwackt bereits mehr als jeden sechsten Franken im Lebensmittelhandel ab, wie eine neue Auswertung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) zeigt.
Bei den verkauften Getränken sind die drei Preisbrecher sogar eine richtige Macht. Alkohol mitgerechnet, bringen sie es auf einen Marktanteil von 30 Prozent. Fast 1,5 Milliarden Franken gaben die Konsumenten im letzten Jahr für Getränke aus dem Discounter aus. Migros, Coop, Volg, Spar, Manor und Globus schaffen es zusammen nur auf knapp über drei Milliarden Franken – obschon sie meterlange Weinregale haben und palettenweise Rivella lagern.
Denner ist der Muskelprotz des Trio infernal. Allein in der Stadt Zürich ist die Migros-Tochter 41-mal vertreten. 840 Standorte gibt es schweizweit. Es ist das mit Abstand dichteste Filialnetz in der Discount-Welt, gestützt durch den Mutterkonzern. In fast jedem grösseren Migros-Zentrum ist auch eine Denner-Filiale eingemietet, damit die Kunden den Chianti nicht bei Coop oder Aldi kaufen.
Denner vom Wein berauscht
Denner konnte im Corona-Jahr den Umsatz um 16 Prozent hochschrauben. Bier, Wein und Cola waren Garanten für volle Kassen. Die Kategorie der Getränke sei im letzten Jahr «besonders hervorzuheben», sagt Denner-Sprecher Thomas Kaderli, «inklusive Online-Weinshop». Denner habe vom Teilausfall der Gastronomie profitiert.
Der Discounter spürte ausserdem die aufsteigenden Existenzsorgen wegen Corona. «In einer Krise achten die Konsumenten stärker auf den Preis», sagt Detailhandelsexperte Nordal Cavadini (47) zu BLICK. Er ist Partner der Beratungsfirma Oliver Wyman und beobachtet den Detailhandel schon seit Jahren. Cavadini stellt fest, dass der Preis auch in der Schweiz immer mehr an Bedeutung gewinnt. Corona habe diesem Trend nochmals Schub gegeben, so der Experte.
In der Krise wachsen die Billigsten am schnellsten. So auch die beiden Discount-Granaten Aldi und Lidl. Sie stehen am Anfang der grossen Preisschlacht. Mit Kampfangeboten und ihren deutschen Mutterkonzernen im Rücken sind sie in den Markt eingestiegen. Seit zwei Jahrzehnten verfolgen die beiden eine aggressive Expansionsstrategie. Das hat dazu geführt, dass billige Salzbrezeln beim Apéro mittlerweile salonfähig sind. Aldi ist sogar auf gutem Weg, Denner die Discount-Krone streitig zu machen. Der Discounter liegt bereits bei geschätzten 2,5 bis drei Milliarden Franken Jahresumsatz.
Import-König Aldi
Aus «geschäftspolitischen Gründen» will sich die Firma nicht zur Schätzung äussern. Details gibt es aber zur weiteren Expansion: Über 80 Filialen will Aldi in den nächsten Jahren eröffnen. Aktuell sind es 219 Standorte mit einer Verkaufsfläche von gesamthaft rund 220'000 Quadratmetern. Das macht im Schnitt knapp 1000 Quadratmeter pro Laden. Das sind etwas mehr als 30 mal 30 Meter. Ein Fussballfeld ist siebenmal grösser.
Das Erfolgsrezept von Aldi war bislang ganz einfach: Der Discounter mietete sich im Gewerbegebiet ein, betonierte einen riesigen Parkplatz und füllte die Regale mit günstigen Importprodukten. Swissness wurde in der Werbung zwar grossgeschrieben, das Sortiment blieb aber weiterhin sehr europäisch. So liegt der Auslandanteil beim Käse bis heute bei über 60 Prozent. Das ist Rekord im Vergleich mit der Konkurrenz.
Das Festhalten am Billigladen in der Peripherie ist aber passé. Der Discounter drängt in die Innenstadt. «Wir suchen die Nähe zu unserer Kundschaft», sagt Aldi-Sprecherin Vanessa Senn. «Die zentrale Lage, die zu erwartende hohe Kundenfrequenz und die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sind für uns immer wichtiger werdende Indikatoren für die Standortwahl.»
Lidl im Loeb
Der Pilotladen für den Kurswechsel war in Lausanne. Er eröffnete vor drei Jahren mitten im Bahnhof. Es war die 198. Filiale von Aldi in der Schweiz – und gerade mal 240 Quadratmeter gross. Offen bis Mitternacht, an 365 Tagen im Jahr. Der Discounter mit Sitz in Schwarzenbach SG wertet den Laden als grossen Erfolg. In den Stadtzentren von Lausanne, Luzern, Genf, Zürich und St. Gallen wurden bereits ähnliche Läden eröffnet.
2021 beginnt nun die Schlacht um Bern. Ende des Jahres soll eine Aldi-Aushängeschild-Filiale am Kornhausplatz eröffnen. Zweistöckig. Direkt beim ehrwürdigen Zytglogge-Turm. Die Liegenschaft gehört zum Weltkulturerbe. Gleichzeitig drängt auch Lidl in die Berner Innenstadt. Der zweite deutsche Discount-Riese eröffnet eine Filiale im Warenhaus Loeb, einem weiteren Wahrzeichen Berns.
«Der Gang in die Innenstädte hat sich mehr als gelohnt», sagt Lidl-Sprecherin Corina Milz. Dadurch komme der Discounter viel näher an die Kunden heran. «Ein gutes Beispiel ist unsere Filiale in der ehemaligen Fraumünster-Post in Zürich.» Diese ist das Aushängeschild von Lidl und steht für den neuen Discount-Kurs: hochwertig eingerichtet, sauber angeschrieben, kein Wühltisch, die Holzpaletten sind im Lager statt im Verkaufsraum, das Brot kommt warm aus dem Ofen. Gucci, Dior und die Hauptsitze der beiden Grossbanken CS und UBS sind nur einen Steinwurf entfernt!
Bio im Hoch
Lidl – gleich wie die anderen Discounter – hübscht sich auf, um dem urbanen und kaufkräftigen Konsumenten zu gefallen. Der Discounter will weit mehr als nur billigen Wein ausschenken. Ein Zeichen dafür: das Surfen auf der Bio-Welle. 300 der 2000 Produkte seien bereits bio, sagt Milz. Umsatzplus im letzten Jahr in dieser Kategorie: 48 Prozent!
Lidl ist damit besser gewachsen als der Gesamtmarkt. Laut Angaben des BLW wuchs der Absatz von Bio-Produkten zuletzt um «nur» 17 Prozent. Ein Haushalt habe durchschnittlich 820 Franken für Bio-Lebensmittel ausgegeben. Das sind zehn Prozent der Ausgaben für Lebensmittel.
Denner sind diese Entwicklungen bewusst. Das Muskelspiel im Discountmarkt geht weiter, der Kampf um die Krone ist voll lanciert. «Wir bauen Angebot und Bewerbung weiter aus», sagt Denner-Sprecher Thomas Kaderli zum Bio-Trend. Und mit Blick auf die knallharte Schlacht um die Innenstadt heisst es: «Die Expansion wird weiter vorangetrieben.»
Jeder Rappen zählt! Mit einer Spendenaktion hat dieser Preiskampf im Detailhandel aber nichts zu tun, der in den letzten Monaten wieder härter ausgetragen wird. Es liegt mehr am Druck der Discounter: Die Billigsten wachsen in der Krise am schnellsten. Coop und Migros fürchten, Kundschaft zu verlieren. Das Glück der beiden Marktriesen: Auch sie sind im Detailhandelsgeschäft stark gewachsen, ihre Supermärkte hatten auch während der Lockdowns immer geöffnet. Die Kassen sind voll, um den Billigheimern Paroli zu bieten. So meldete Migros erst vor einer Woche: «Bereits 1000 Migros-Produkte dauerhaft günstiger.» Beworben werden die Reduktionen mit beliebten Artikeln. Red Bull zum Beispiel: Der Energydrink kostet neu 1.50 Franken, 20 Rappen weniger als zuvor. Coop versuchts mit Coca-Cola-Preissenkungen. Die Migros-Rivalin habe ebenfalls 1000 Produkte günstiger gemacht, sagte Coop-Chef Joos Sutter (56) im Februar. Und 250 weitere Artikel seien zuletzt reduziert worden. Migros kündigt «weitere Vergünstigungen» an. Jeder Kundenrappen zählt. Ulrich Rotzinger
Jeder Rappen zählt! Mit einer Spendenaktion hat dieser Preiskampf im Detailhandel aber nichts zu tun, der in den letzten Monaten wieder härter ausgetragen wird. Es liegt mehr am Druck der Discounter: Die Billigsten wachsen in der Krise am schnellsten. Coop und Migros fürchten, Kundschaft zu verlieren. Das Glück der beiden Marktriesen: Auch sie sind im Detailhandelsgeschäft stark gewachsen, ihre Supermärkte hatten auch während der Lockdowns immer geöffnet. Die Kassen sind voll, um den Billigheimern Paroli zu bieten. So meldete Migros erst vor einer Woche: «Bereits 1000 Migros-Produkte dauerhaft günstiger.» Beworben werden die Reduktionen mit beliebten Artikeln. Red Bull zum Beispiel: Der Energydrink kostet neu 1.50 Franken, 20 Rappen weniger als zuvor. Coop versuchts mit Coca-Cola-Preissenkungen. Die Migros-Rivalin habe ebenfalls 1000 Produkte günstiger gemacht, sagte Coop-Chef Joos Sutter (56) im Februar. Und 250 weitere Artikel seien zuletzt reduziert worden. Migros kündigt «weitere Vergünstigungen» an. Jeder Kundenrappen zählt. Ulrich Rotzinger