Auf der Brücke der UBS herrscht eitel Sonnenschein – trotz eines Quartalsverlustes von fast 800 Millionen Dollar. UBS-Chef Sergio Ermotti (63) zeigt sich mit dem bisher Erreichten zufrieden: «Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft, denn wir bauen eine noch stärkere und noch sichere UBS, auf die alle wichtigen Anspruchsgruppen stolz sein können.»
Im Maschinenraum der UBS dagegen rumpelt es gewaltig. Vor allem, wenn man mit den ehemaligen CS-Angestellten spricht, die nun das erste vollständige Quartal unter dem Dach der neuen UBS gearbeitet haben. «Bei der UBS passiert gerade sehr viel. Im Maschinenraum der Bank ist die Unsicherheit für gewisse Leute gross», sagt Michael Klien (45), Analyst bei der Zürcher Kantonalbank.
Das betrifft Leute auf unteren Hierarchiestufen, die genau wissen, dass es bei der neuen UBS nicht Platz für alle Angestellten haben wird. Es trifft aber auch auf gestandene Kadermitarbeiter zu, die plötzlich Vorgesetzte haben, die weniger Erfahrung haben – und das auch offen eingestehen, wie ein leitender CS-Angestellter erzählt, dem das passiert ist.
Viele kündigen von sich aus
Was besonders schmerzt: Die Ernennungen erfolgen zum Teil, ohne dass jemand mit dem bisherigen Stelleninhaber auch nur das Gespräch gesucht hätte. Das schlägt bei ehemaligen CS-Angestellten auf die Moral. Zumal viele dem UBS-Präsidenten Colm Kellerher (66) den «kulturellen Filter» nicht verziehen haben, durch den CS-Angestellte gehen müssten, wenn sie zur neuen UBS wechseln wollen.
Das Problem: In Teilen der CS herrschte über Jahre hinweg tatsächlich eine «toxische Risikokultur», die zum Untergang der Bank beigetragen hat. Es war allerdings keine Glanzleistung der UBS-Chefetage, diesbezüglich alle Mitarbeitenden der CS unter Generalverdacht zu stellen.
Allein diese Aussage habe CS-Leute dazu bewogen, von sich aus zu kündigen – auch weil sich nicht beim Abwracken der einst stolzen Traditionsbank mithelfen wollten. Viele, die einen anderen Job in Aussicht hatten, haben die CS bereits verlassen.
Hat die UBS alles im Griff?
Der Aderlass ist inzwischen so gross, dass er für den Weiterbetrieb der UBS-Tochter CS gefährlich werden könnte: «Im Moment wird keinem mehr gekündigt, weil zu viele davonlaufen», sagt der Kadermann. Denn solange die IT-Systeme der CS noch laufen, braucht es Leute, die diese bedienen und unterhalten. Gleiches gilt etwa auch für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs.
Hinter den Abgängen stecke sogar Kalkül: «Sparpläne erledigen sich von selber, da viele Leute von sich aus kündigen.» Das Fazit des Kadermitarbeiters: «Alle tun so, als ob sie die Sache besser im Griff hätten, als es tatsächlich der Fall ist.»
Davon will Sergio Ermotti nichts wissen. Auf die Frage von Blick, ob nicht die falschen Leute die Bank verlassen, sagt der UBS-Boss: «Bei so einer grossen Übernahme kann es immer passieren, dass Leute gehen, die man lieber behalten hätte.» Aber es gebe immer noch genug Talente bei beiden Banken.
Lehrlinge spüren Unsicherheit
Die UBS scheint den Ernst der Lage erkannt zu haben: Wie aus dem Quartalsbericht hervorgeht, hat die Bank bis jetzt 500 Millionen Dollar an Rückhaltezahlungen in das Personal investiert – in Cash und in Aktien. Wo und an wen – darüber schweigt die Bank.
Die Kündigungswelle schlägt bis zu den Lehrlingen durch: «Unsere Berufsbildner haben gekündigt. Für uns Lernende bringt das Unsicherheit», erklärt eine junge Frau. Der Frust sitzt bereits tief: «Wenn ich mit der Lehre fertig bin, will ich nicht bei der UBS bleiben. Als ehemalige CS-Lernende habe ich dann wohl sowieso schlechtere Aussichten auf eine Anstellung. Wir sind für die UBS zweite Priorität.»
Von denen, die bleiben, machen viele die Faust im Sack: «Bei der CS sitzen Leute herum und warten darauf, dass sie rausgespült werden. Die meisten können es sich nicht leisten zu gehen», sagt ein Projektmanager, der inzwischen bei einer anderen Bank arbeitet. Wer selber geht, muss Teile des Bonus der letzten Jahre zurückzahlen. Nur wenige «grosse Nummern» würden herausgekauft, die «kleineren» müssten das selber berappen.
Dienst nach Vorschrift
Die Motivation ist vielerorts in der CS im Keller, Arbeitsstunden würden einfach nur abgesessen, ist zu hören. «Das ist Gift für die Bank», glaubt ein freigestelltes Kadermitglied. «Die Stärken der CS werden von der UBS nur bedingt übernommen. Das Ergebnis: Viele machen Dienst nach Vorschrift.» Das sei brandgefährlich.
Dabei bräuchte die UBS gerade jetzt topmotivierte Mitarbeiter, um aufzuräumen und die neue UBS so aufzustellen, dass die Schweiz im Idealfall nie mehr eine Grossbank retten muss.