Auf einen Blick
- Weihnachten ist für Armutsbetroffene besonders schmerzhaft. Caritas hilft mit verschiedenen Aktionen
- Solidarität sollte sich nicht nur auf die Adventszeit beschränken
- 1,34 Millionen Menschen in der Schweiz sind armutsbetroffen oder -gefährdet
Das Weihnachtsfest verbringt man mit seinen Liebsten, dazu gibts einen Haufen Geschenke und leckeres Essen. Aber so ein Fest ist ein Privileg – auch in der Schweiz können sich das nicht alle leisten. Peter Lack (56), Chef von Caritas Schweiz, erklärt, warum Weihnachten für das Hilfswerk besonders wichtig ist. Und ob im nächsten Jahr eine Besserung in Sicht ist.
Blick: Herr Lack, was bedeuten die Festtage für die ärmeren Teile der Bevölkerung?
Peter Lack: Für die 1,34 Millionen Menschen in der Schweiz, die armutsbetroffen oder -gefährdet sind, ist die Adventszeit besonders schmerzhaft. Ihnen wird nochmals bewusst, dass sie nicht in der gleichen Situation sind wie die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung. Sie haben nicht die Möglichkeit, ihre eigenen Kinder oder Liebsten zu beschenken, einen Christbaum zu kaufen oder ein besonderes Weihnachtsmenü zu kochen.
Was unternimmt die Caritas, um diesen Personen ein Weihnachtsfest zu ermöglichen?
Im Caritas-Markt gibt es in der Adventszeit unter anderem Aktionen auf Weihnachtsdeko oder Rezeptideen für besonders günstige Weihnachtsmenüs. Bei der Geschenktauschaktion der Kulturlegi Zürich wurden insgesamt 3000 Wünsche von Kindern erfüllt. Caritas Zürich feiert am 24. Dezember zudem ein Weihnachtsfest mit 300 Besuchern.
In der Schweiz zählen 1,34 Millionen Menschen als armutsgefährdet, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Davon gelten 702'000 Menschen als arm. Ihr Lohn reicht also nicht zum Leben oder um ihre Familie zu ernähren. Eine armutsbetroffene, vierköpfige Familie lebt im Durchschnitt mit 4'010 Franken pro Monat. Darunter leiden schweizweit 99'000 Kinder.
Die Zahlen stammen dabei aus dem Jahr 2022. Seither hat sich die Situation eher verschlechtert, wie die Erfahrungen der Caritas zeigen.
In der Schweiz zählen 1,34 Millionen Menschen als armutsgefährdet, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Davon gelten 702'000 Menschen als arm. Ihr Lohn reicht also nicht zum Leben oder um ihre Familie zu ernähren. Eine armutsbetroffene, vierköpfige Familie lebt im Durchschnitt mit 4'010 Franken pro Monat. Darunter leiden schweizweit 99'000 Kinder.
Die Zahlen stammen dabei aus dem Jahr 2022. Seither hat sich die Situation eher verschlechtert, wie die Erfahrungen der Caritas zeigen.
Ausserdem helfen unsere Kulturlegi-Lotsen das ganze Jahr über anderen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Beispielsweise besuchen sie mit Armutsbetroffenen ein Museum oder einen Fussballmatch. Das hilft gegen die soziale Isolation.
Ist die Solidarität in der Adventszeit nicht besonders gross?
An Weihnachten geht es ums Schenken und Teilen. In diesem Überfluss merken viele Leute, wie privilegiert sie sind. Ohne das hohe Spendenaufkommen in der Adventszeit wäre es für uns und auch andere Organisationen schwierig. Dafür möchte ich danken. Aber Armutsbetroffene haben das ganze Jahr über zu kämpfen. Sie müssen mit ihren Rechnungen jonglieren, die Kinder können nicht ins Ferienlager oder in den Sportklub gehen. Es ist uns deshalb ein Anliegen, dass sich die Solidarität nicht nur auf diese Zeit im Jahr beschränkt.
Gehen die Armen in unserem Land zu oft vergessen?
Ich bin immer wieder erschüttert, wie wenig die Schweizer Bevölkerung über Armut weiss. Das äussert sich auch in der politischen Arbeit. Die vielen Armutsbetroffenen und -gefährdeten in der Schweiz haben zu wenig zum Leben und müssen teils beim Essen sparen. Das ist eine Realität.
Die Situation ist dieses Jahr für Menschen mit kleinerem Budget also nicht besser geworden?
Für Personen, die am Existenzminimum leben oder knapp darüber, war es ein weiteres schwieriges Jahr. Einerseits wurde rekordmässig oft in den Caritas-Märkten eingekauft. Andererseits gibt es bei den regionalen Caritas-Stellen zum Teil bis zu 20 Prozent mehr Nachfrage nach Schuldenberatung. Das Problem ist, viele Personen und Familien haben während der Corona-Pandemie ihre Reserven aufgebraucht – und konnten diese seither nicht wieder aufbauen. Auch wenn die Teuerung dieses Jahr zurückgegangen ist, waren die gestiegenen Krankenkassen- und Mietkosten anspruchsvoll. Die Budgets sind so knapp, da machen 100 oder auch 20 Franken mehr pro Monat viel aus.
Bessert sich das im kommenden Jahr?
Ich bin nicht allzu optimistisch. Die Krankenkassenprämien werden nochmals steigen, was erneut zu einer schwierigen Situation führt. Auch das Thema Wohnen könnte sich verschärfen: Dabei werden Armutsbetroffene zunehmend aus den Stadtzentren verdrängt. Sie müssen öfter in lärmbelasteten, schlecht isolierten Wohnungen leben, die sich an einer ungünstigen Lage wie einer gefährlichen Strasse befinden. Da braucht es nachhaltige Lösungen.
DCX STORY: doc7yjc029w6tjbqlibqsi [Zu Peter Lack]
Politisch tut sich also zu wenig?
Wir haben aktuell das Paradox, dass die soziale Ungerechtigkeit – die Armut – sowohl in der Schweiz als auch global steigt. Gleichzeitig nehmen der politische Wille sowie Zahlungen der öffentlichen Hand und von Privaten ab. Eigentlich bräuchte es mehr Engagement – aber wir sehen, es wird immer weniger. Das ist für die Armutsbetroffenen eine sehr schwierige Situation. Insbesondere in der Schweiz, weil man sich da schnell vergessen oder nicht ernst genommen fühlt. Auch hierzulande gibt es Armutsbetroffene in unwürdigen Zuständen. Das kann nicht im Interesse der Schweiz sein. Ich bin der Meinung: Die Schweiz ist erst mit 0 Prozent Armut 100 Prozent Schweiz. Und das ist möglich.
Wen dürfen wir dabei nicht vergessen?
Die Klimakrise fordert auch hier in der Schweiz immer mehr Betroffene – wie die Erdrutschkatastrophe diesen Sommer im Misox. Es gibt Anteile, die von der Versicherung nicht gedeckt werden. Da hilft die Caritas denjenigen, die solche Zusatzkosten nicht tragen können. Wir werden in Zukunft sehen, wie verwundbar die Schweiz in Bezug auf die Klimakrise ist.
Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Ich wünsche mir, dass der weihnachtliche Gedanke der sozialen Gerechtigkeit noch mehr in das politische Verhalten bei Abstimmungen und Wahlen einfliesst. Und ich wünsche mir die Einsicht, dass es uns allen besser geht, wenn wir solidarisch sind.