«Fast ein halbes Jahr obdachlos»
Alleinerziehende Mutter findet keine bezahlbare Wohnung

Von einer Wohnungsmisere rutscht Sabrina P. in die nächste. Auch die aktuelle Wohnung ist nur eine Übergangslösung. Die alleinerziehende Mutter gibt aber die Hoffnung nicht auf, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Publiziert: 22.07.2024 um 00:50 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2024 um 15:45 Uhr
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Es sieht nach einer heimeligen Wohnung aus, in der Sabrina P. mit ihrem Kind wohnt.
Foto: Philippe Rossier

«Ich bin noch immer auf der Suche nach einer günstigeren Wohnung», sagt Sabrina P.* (34) beim Besuch von Blick. Dabei ist die alleinerziehende Mutter erst gerade mit ihrem 12-jährigen Kind in die 3-Zimmer-Wohnung in der Stadt Luzern gezogen. 

Das Problem: Die Mietwohnung für 2000 Franken kann sich die Mutter gar nicht leisten. Denn sie kostet mehr als ein Drittel ihres Einkommens. «Ich habe sie nur bekommen, weil ein Freund für mich gebürgt hat. Aber es war unsere letzte Chance – ich war am Ende.» Denn bereits seit Ende 2023 sucht die Mutter nach einem neuen Dach über dem Kopf.

Schimmel an Wänden und Fenstern

Begonnen hat die Misere vergangenen Sommer: Da zog P. zusammen mit ihrem Kind in eine einfache Wohnung in Luzern. Nach einigen Monaten bekamen beide gesundheitliche Probleme: gerötete Augen, Hautausschlag, Übelkeit, laufende Nasen, Halsweh. «Wir konnten auch nicht mehr schlafen. Ich habe dann alles auf den Kopf gestellt. Dann fand ich den Schimmel», so P. 

Gleichzeitig wurden im Keller des Hauses Fensterläden lackiert. «Das war ein extremer Geruch. Unsere gesundheitlichen Probleme könnten auch daher kommen», sagt P., die im EG wohnte.

So oder so: Schimmel will niemand in der Wohnung und kann bekanntermassen der Gesundheit schaden. Doch der Vermieter wurde erst aktiv, nachdem P. angedroht hatte, eine Mietzinsreduktion zu verlangen. «Auch der Maler hatte keine Ahnung, wie man das Schimmelmittel genau anwendet», bemängelt sie.

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«Wir waren fast ein halbes Jahr obdachlos und haben bei Freunden und Bekannten übernachtet.»
Sabrina P.*
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Für sie war der Fall klar: Sie will mit ihrem Kind keine Nacht länger in dieser Wohnung verbringen. Schnell eine zahlbare Bleibe finden: unmöglich. «Wir waren fast ein halbes Jahr obdachlos und haben bei Freunden und Bekannten übernachtet. Mal zwei Tage da, dann drei Tage dort ...», erzählt P. Die Erschöpfung ist ihr ins Gesicht geschrieben.

Ein harter Schlag – auch für das Kind. Kein eigenes Zimmer mehr, keine Besuche mehr von Kollegen. «Auch die schulischen Leistungen haben gelitten», so P. 

Sabrina P. gibt die Hoffnung nicht auf, in Luzern eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Foto: Philippe Rossier

Gleichzeitig verlor sie zu Beginn dieser schweren Zeit ihren Job in der Schuladministration. Grund: eine Umstrukturierung. Mit der Wohnungssuche, dem Organisieren des nächsten Übernachtungsorts und dem Wohlergehen ihres Kindes kämpft die junge Mutter an mehreren Fronten. «Hätte ich einen Job gehabt, wüsste ich nicht, wie ich das alles hätte managen sollen», gesteht P.

Nach einem Job sucht sie nach wie vor. «Ich bin auch offen für eine andere Branche. Gelernt habe ich Köchin.» Am Abend möchte sie aber für ihr Kind zu Hause sein. 

Stündlich Inserate anschauen

Die Wohnungssuche scheint beinahe aussichtslos: «Ich schaue mir fast stündlich Inserate an, weil diese nur kurze Zeit aufgeschaltet sind», sagt P. Bewirbt sie sich auf eine Wohnung, stellt sie sich mit einem Schreiben vor. «Wenn man nur das Mindeste macht, rutscht man sowieso durch.»

Nur schon an einen Besichtigungstermin zu kommen, sei eine grosse Herausforderung. Diese seien rasch ausgebucht – oder finden mitten am Tag statt.

Bekannte raten P., aufs Land zu ziehen. «Hätte ich kein Kind, hätte ich das auch gemacht. Aber mein Kind hat sich hier eingelebt, ich möchte es nur ungern wieder herausreissen», so die Mutter. 

In der neuen Bleibe konnte sich P. etwas erholen – aber nur bedingt. «Der finanzielle Druck ist ständig da. Wir haben zwar eine schöne Wohnung, aber es ist keine langfristige Lösung.»

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«400 Franken sind für mich viel – jetzt komme ich wieder in Rückstand mit der Krankenkasse.»
Sabrina P.*
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Denn vorher bezahlte P. für die Miete ganze 400 Franken weniger – so kam die Familie gerade so durch. «Diese 400 Franken sind für mich viel – jetzt komme ich wieder in Rückstand mit der Krankenkasse», erklärt die Mutter.

Die aufwendige Suche nach einer Wohnung hat für P. also noch kein Ende. «Es ist alles sehr viel für mich. Auch psychisch.» 

Für Alleinerziehende besonders schwer

Dabei ist P. kein Einzelfall: «Menschen und Familien mit einem tiefen Einkommen sind von der Wohnungsnot am stärksten betroffen», weiss Peter Lack (55), Direktor der Caritas Schweiz. Die Hilfsorganisation fordert deshalb auch rasche Lösungen, um allen Menschen einen fairen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen. 

«Als Alleinerziehende im Mittelstand ist es in der Schweiz nicht einfach», weiss P. Der Vater des Kindes zahlt Alimente und ist präsent. Trotzdem kämpft sie mit den Finanzen seit zehn Jahren allein. Hilfe gesucht hat sich die Mutter bei der Budgetberatung der Caritas.

Für die Zukunft wünscht sich P. eine bezahlbare Mietwohnung, in der sie und ihr Kind sich wohlfühlen, sowie einen Job. Auch mit zweieinhalb Zimmern wäre sie zufrieden. Und P. meint: «Die Politik muss unbedingt aktiv werden, dass es wieder mehr bezahlbare Wohnungen gibt. Das betrifft ja nicht nur mich – sondern ganz viele andere auch.» 

*Name der Redaktion bekannt 

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