Ein Zirkusbesuch ist immer mit Spass verbunden: Artisten, die übers Seil tänzeln oder Clowns, die einen zum Lachen bringen. Das haben sich Ramona (45) und Marco Berger (48) auch gedacht, als sie einen Zirkus eröffnet haben. Die erste Wintertournee des Zirkus Maramber war ein Erfolg – doch dann machte die Coronapandemie dem Bündner Zirkus einen Strich durch die Rechnung. Und brachte Familie Berger an den Rand ihrer Existenz.
«Eigentlich hat alles aus einem Witz heraus begonnen», sagt Marco Berger. Das Zirkusfieber wurde entfacht, als das Paar zwei Monate einen Zirkus begleitet und sich gedacht hat: Das können wir besser. Im Winter 2019 hat der Bündner Zirkus Maramber seine erste Tournee gestartet.
Für die Sommertournee 2020 war alles organisiert. «Das Programm war parat, die Locations und die Artisten gebucht, alle Arbeitsbewilligungen gemacht», sagt Ramona Berger. Doch dann kam der Lockdown – die Tournee war geplatzt. Umsatztechnisch ging damit eine halbe Million Franken den Bach runter.
Hohe Fixkosten auch ohne Artisten
Der Zirkus verursacht jeden Monat 10'000 bis 15'000 Franken Fixkosten – auch ohne Shows und Artisten. «Wenn wir auf Tournee sind, brauchen wir im Monat 85'000 bis 90'000 Franken, um die Kosten zu decken», sagt Marco Berger. Artisten bucht der Zirkus für jede Tournee wieder neue. «Die Löhne haben wir immer bezahlt. Das ist für uns das A und O.»
Momentan kann Familie Berger die Kosten mehr schlecht als recht decken. Rechnungen wurden aufgeschoben, Erspartes ist nichts mehr da – während der Pandemie hat der Zirkus deshalb einen Schuldenberg von einer Viertelmillion Franken angehäuft. «Wir haben 2019 brutal investiert, daraus ist mittlerweile ein riesiges Loch entstanden», erklärt Ramona Berger.
Im ganzen Jahr 2020 konnte der Zirkus nicht auf Tournee gehen. Im Sommer 2021 ging es erst im Juli los, statt wie gewohnt Mitte April. Die Familie hatte für diese 18 Monate Unterstützung angefordert. «Wir haben extra einen Treuhänder angestellt, damit alles korrekt gemacht wird», erklärt Berger.
Aber auch mit der geringen Unterstützung vom Kanton kann der Zirkus das Loch in der Kasse nicht wettmachen. Um diesen zu gründen, haben die Bergers ihre Pensionskasse leergeräumt. «Wir haben jeden Wagen selbst gekauft und umgebaut», sagt Ramona Berger. «Durch Corona haben wir voll eins auf den Deckel bekommen.» Zwischenzeitlich ging es der Familie so schlecht, dass sie Mühe hatte, für die fünf Kinder Essen auf den Tisch zu stellen.
So richtig ins Rollen ist das Zirkusgeschäft nach Corona auch nicht gekommen. «Die letzte Wintertournee war zahlenmässig nicht gut, die aktuelle Sommertournee läuft solala», sagt sie weiter. Denn neben dem Zirkus laufen noch zahlreiche andere Events. Und ist das Wetter gut, gehen die Leute lieber in die Berge oder die Badi.
Neues Zelt sprengt Budget
Eigentlich bräuchte der Zirkus Maramber ein neues Zelt. Das Aktuelle ist noch bis 2027 vom Technischen Überwachungsverein (TÜV) anerkannt. Es wird aber jede Woche auf- und wieder abgebaut. «Es muss nur ein Fehler passieren und das Zelt hat einen Riss», sagt Ramona Berger. Alleine die Zeltwand kostet 50'000 Franken – für den Zirkus momentan undenkbar.
Einen grossen Sponsor konnten die Bergers bisher nicht an Land ziehen. Dabei böte der Zirkus mit Programm-Heften und Beamer-Werbung eine gute Plattform.
Der Familie setzt ihre Schuldensituation schwer zu. «Für uns ist es psychisch eine enorme Belastung. Immer dieses Abwägen und Schauen, was es noch leiden mag», sagt Ramona Berger. So leiden auch die Kinder der beiden. Hobbys liegen finanziell kaum mehr drin, Kleider werden an der Kleiderbörse oder im Brocki gekauft. «Markenklamotten oder die neusten Handys können wir uns nicht leisten», sagt sie weiter.
Die Hoffnung der Bergers ist es, dass sie ihre Altlasten abstottern und irgendwann einen Schlussstrich ziehen können. Geht es aber so weiter, wird das Jahre dauern. «Wenn wir schon zwei, drei Standorte mit super Zuschauerzahlen hätten, würde uns das wahnsinnig Luft bringen», sagt Marco Berger. «Auch wenn uns jemand eine halbe Million schenken würde», lacht Ramona Berger. Den Humor hat das Paar trotz allem nicht verloren.
Seit Anfang Saison ist auch Velolegende Beat Breu (65) – Alpe-d’Huez-Sieger an der Tour de France 1982 – mit dem Zirkus Maramber unterwegs. Er führt das Bistro des Zirkus zusammen mit seiner Gattin Heidi (69). Den Zirkuswagen für das Bistro hat er liebevoll selbst dekoriert.