Schleichender Prozess
Hier lauern die Schulden

Leasingverträge und Kleinkredite bringen gerade junge Leute oft unbemerkt in finanzielle Schwierigkeiten. Mit diesen Tipps lässt sich das einfach vermeiden.
Publiziert: 06.07.2023 um 18:46 Uhr
Eine private Verschuldung kann schwerwiegende Folgen haben und den Alltag beträchtlich einschränken.
Foto: Shutterstock
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Katharina Siegrist
Beobachter

Die Betreibungen steigen mit dem 18. Lebensjahr sprunghaft an – obwohl Jugendliche auch schon vorher betrieben werden können. Aber logisch: Wer volljährig ist, muss Steuern zahlen, kann Kreditverträge abschliessen und wird vielleicht von der Krankenkasse für Prämien belangt, die die Eltern nicht bezahlt haben. Im schlechtesten Fall startet man so schon mit Schulden ins Erwachsenenleben. Glücklicherweise wird sich das mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes ab 2024 ändern. Ein weiteres «kritisches Lebensereignis» für eine mögliche Verschuldung ist der Umzug in die erste eigene Wohnung. Mit ihrem Lohn müssen junge Erwachsene nun sämtliche Ausgaben selbst tragen und ihr Budget im Griff haben. Was einfach klingt, lerne man aber nicht einfach so nebenher, sagt Gregor Mägerle von der Schuldenprävention Zürich. Und vor allem: «Das Budget bildet das Leben ab. Auf gewisse Ausgaben ist man vielleicht nicht immer stolz.» Diesen Spiegel müsse man sich vorhalten.

Bernadette Schaffner von der Jugendberatung Basel räumt mit einem hartnäckigen Vorurteil auf: «Es stimmt nicht, dass junge Erwachsene vor allem Schulden haben, weil sie zu viel konsumieren und über ihre Verhältnisse leben.» Es sei wie bei allen anderen Erwachsenen auch: Die häufigsten Schulden sind Steuer- und Krankenkassenschulden.

Bei einer Verschuldung ist oft das Steueramt involviert, denn die der Schulden sind Steuerschulden.
Foto: Blick

Mehr verdienen, mehr Steuern zahlen

Ab 18 muss man Steuern zahlen – oder zumindest eine Steuererklärung ausfüllen. Wer es nicht tut, wird vom Amt eingeschätzt – auch wenn man gar nichts oder nur sehr wenig verdient. Das kann beim ersten Mal noch glimpflich ausgehen. Doch dann nehmen die Steuerbehörden an, dass das Einkommen Jahr für Jahr höher wird. Und das ist fatal: Die Steuerrechnungen werden viel höher, als sie wären, wenn man die Steuererklärung ausgefüllt hätte. «Es ist nicht so, dass sich Betroffene verweigern wollten. Viele wissen es einfach nicht besser», sagt Jugendberaterin Schaffner. Darum rät sie Betroffenen, sich unbedingt Hilfe zu holen – wenn nicht bei den Eltern, dann bei einer Vertrauensperson oder einer Beratungsstelle.

Die Steuern steigen auch in die Höhe, wenn man plötzlich mehr verdient. Wer nach der Ausbildung seinen ersten Job antritt, verdient nicht selten viermal so viel. Und das hat grosse Auswirkungen auf die Steuern. Die provisorische Steuerrechnung spiegelt dann nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse wider. Wer dann eine sehr viel höhere definitive Steuerrechnung erhält und nichts gespart hat, gerät schnell in Zahlungsrückstand. Für Lukas Ambühl von der Berner Schuldenberatung ist das ein bekanntes Problem, «vor allem, wenn sich die Steuerrechnung mit anderen ausserordentlichen Ausgaben kreuzt – etwa weil man eine Ausbildung macht oder eine längere Reise geplant hat». Sobald ein junger Mensch voll verdient, müsse er auch immer die Steuern mitdenken.

Profi-Tipp: Wer plötzlich mehr verdient – etwa weil er nach der Ausbildung seinen ersten Job antritt –, meldet das am besten der Steuerbehörde. Sie kann die Steuern neu berechnen, die Ratenzahlungen anpassen und neue Einzahlungsscheine schicken.

Budget erstellen – so gehts
  1. Voraussetzung: Ein Budget bringt nur etwas, wenn man wirklich alle Einnahmen und vor allem Ausgaben ehrlich festhält – auch jene, auf die man vielleicht nicht besonders stolz ist (wie zum Beispiel die Kosten für Drogen).
  2. Vorlage: Online gibt es etliche Vorlagen für ein Haushaltsbudget. Bei der Budgetberatung Schweiz etwa unterschiedliche Budgetvorlagen; je nach Lebenssituation und Einkommen.
  3. Einnahmen: Rechnen Sie auf der Einnahmenseite immer mit dem Nettolohn – also mit dem Geld, das Sie Ende Monat tatsächlich ausbezahlt erhalten.
  4. Fixkosten: Ausgaben, die jeden Monat gleich hoch sind, lassen sich relativ einfach budgetieren. Achtung: Vergessen Sie diejenigen Fixkosten nicht, die zwar immer gleich hoch sind, aber nicht monatlich abgerechnet werden (zum Beispiel Versicherungsprämien oder ein Jahresabo). Die müssen Sie auf den Monat umrechnen. Und wenn Sie schon bei den Fixkosten sind: Überlegen Sie auch, welche zusätzlichen Ausgaben damit verknüpft sind. So geht weniger vergessen (zum Beispiel Nebenkosten bei der Miete, Kosten fürs Benzin bei den Leasingraten et cetera).
  5. Variable Kosten: Sie schwanken und sind darum schwieriger zu bestimmen. Wenn Sie die Kosten für Lebensmittel oder Restaurantbesuche ermitteln wollen, sammeln Sie am besten einen Monat lang konsequent alle Belege. So erhalten Sie zumindest einen Annäherungswert. Etwas knifflig wird es bei den Ausgaben für Kleidung. Hier braucht es eigentlich eine Jahresübersicht, da der Wintermantel teurer ist als das Crop-Top.
  6. Steuern: Mit dem ersten «richtigen» Lohn fallen auch höhere Steuern an. Die lassen sich mit den Online-Steuerrechnern der kantonalen Steuerbehörden auch selbst berechnen.
  7. Rücklagen: Idealerweise legen Sie jeden Monat einen Betrag für Unerwartetes zurück – oder natürlich auch für Schönes wie Ferien oder Weiterbildungen.
  8. Check: Überprüfen Sie Ihr Budget regelmässig. Haben sich Positionen verändert? Haben Sie Ausgaben vergessen? Was häufig vergessen geht, sind zum Beispiel die Ausgaben für Geschenke. Passen Sie Ihr Budget laufend an.
  1. Voraussetzung: Ein Budget bringt nur etwas, wenn man wirklich alle Einnahmen und vor allem Ausgaben ehrlich festhält – auch jene, auf die man vielleicht nicht besonders stolz ist (wie zum Beispiel die Kosten für Drogen).
  2. Vorlage: Online gibt es etliche Vorlagen für ein Haushaltsbudget. Bei der Budgetberatung Schweiz etwa unterschiedliche Budgetvorlagen; je nach Lebenssituation und Einkommen.
  3. Einnahmen: Rechnen Sie auf der Einnahmenseite immer mit dem Nettolohn – also mit dem Geld, das Sie Ende Monat tatsächlich ausbezahlt erhalten.
  4. Fixkosten: Ausgaben, die jeden Monat gleich hoch sind, lassen sich relativ einfach budgetieren. Achtung: Vergessen Sie diejenigen Fixkosten nicht, die zwar immer gleich hoch sind, aber nicht monatlich abgerechnet werden (zum Beispiel Versicherungsprämien oder ein Jahresabo). Die müssen Sie auf den Monat umrechnen. Und wenn Sie schon bei den Fixkosten sind: Überlegen Sie auch, welche zusätzlichen Ausgaben damit verknüpft sind. So geht weniger vergessen (zum Beispiel Nebenkosten bei der Miete, Kosten fürs Benzin bei den Leasingraten et cetera).
  5. Variable Kosten: Sie schwanken und sind darum schwieriger zu bestimmen. Wenn Sie die Kosten für Lebensmittel oder Restaurantbesuche ermitteln wollen, sammeln Sie am besten einen Monat lang konsequent alle Belege. So erhalten Sie zumindest einen Annäherungswert. Etwas knifflig wird es bei den Ausgaben für Kleidung. Hier braucht es eigentlich eine Jahresübersicht, da der Wintermantel teurer ist als das Crop-Top.
  6. Steuern: Mit dem ersten «richtigen» Lohn fallen auch höhere Steuern an. Die lassen sich mit den Online-Steuerrechnern der kantonalen Steuerbehörden auch selbst berechnen.
  7. Rücklagen: Idealerweise legen Sie jeden Monat einen Betrag für Unerwartetes zurück – oder natürlich auch für Schönes wie Ferien oder Weiterbildungen.
  8. Check: Überprüfen Sie Ihr Budget regelmässig. Haben sich Positionen verändert? Haben Sie Ausgaben vergessen? Was häufig vergessen geht, sind zum Beispiel die Ausgaben für Geschenke. Passen Sie Ihr Budget laufend an.

Hohe Krankenkassenprämien

An den Krankenkassenprämien kommt niemand vorbei. Sie müssen fix budgetiert werden – und das nicht nur, weil sie ein betragsmässig grosser Posten sind. Die Krankenkassen treiben offene Prämien rasch und hartnäckig ein. Anders als «normale» Gläubiger können sie den Rechtsvorschlag, der eine Betreibung vorerst stoppt, selbst beseitigen. Wer die Prämien nicht zahlt, riskiert also relativ schnell eine Lohnpfändung oder einen Verlustschein. Lohnpfändung bedeutet: Leben am Existenzminimum. Es bleibt nur das Nötigste – Geld, um sich etwas mehr leisten zu können, ist nicht mehr da. Und für Schulden, die auf dem Verlustschein stehen, kann man noch 20 Jahre lang belangt werden. Keine rosigen Aussichten.

Das Gute: Anders als bei den Steuern hat man eine Wahl. Indem man Krankenkassen vergleicht, kann man das für sich günstigste Modell suchen. Online-Vergleichsportale können hier nützlich sein. Möglicherweise hat man Anspruch auf Prämienverbilligung. Die Voraussetzungen dazu sind kantonal unterschiedlich. Darum informiert man sich am besten direkt bei der zuständigen Stelle.

Doch solange man noch in der Ausbildung ist, müssen einen die Eltern grundsätzlich noch unterstützen – (auch) finanziell und über den 18. Geburtstag hinaus. Oft übernehmen die Eltern die Krankenkassenprämien. Wer vermutet, dass sie diese nicht bezahlen, muss umgehend handeln. Das heisst: Die Eltern darauf ansprechen oder sich an eine Schulden- oder Budgetberatungsstelle wenden. Je schneller, desto besser.

Im Gegensatz zu den Steuern lässt sich bei Krankenkassenprämien Geld sparen.
Foto: keystone-sda.ch

Profi-Tipp: Sparen bei der Krankenkasse kann man, indem man die passende Franchise und den richtigen Selbstbehalt wählt. Wer gesund ist und keine oder nur geringe Arztkosten erwartet, bei dem lohnt sich meist die höchste Franchise. Mittlere Franchisen (500 bis 2000 Franken) sind oft nicht optimal. Krankenkasse, Franchise oder Versicherungsmodell kann man bis im November wechseln. Das Kündigungs- oder Änderungsschreiben muss spätestens am letzten Arbeitstag des Novembers bei der Krankenkasse eintreffen.

Gefährliche Leasing- und Kreditverträge

Mit Leasing- und Kreditverträgen lassen sich praktisch alle Träume erfüllen. Meint man. Doch Geld ausgeben, das man eigentlich gar nicht hat, birgt Gefahren. Man kann sich die Raten bei Vertragsschluss (hoffentlich) noch leisten. Weil die Verträge aber häufig Laufzeiten von mehreren Jahren haben, muss man weiterdenken. «Die Lebensumstände von jungen Erwachsenen können sich schnell und massiv verändern. Von der WG in eine eigene Wohnung ziehen, eine Familie gründen oder die Berufsmittelschule nachholen: Das alles kann dazu führen, dass man weniger Geld zur Verfügung hat», sagt Lukas Ambühl von der Berner Schuldenberatung. Wenn dann die Raten nicht mehr bezahlt werden können, wird in der Regel der gesamte Betrag fällig. Und das kann Betroffenen finanziell das Genick brechen.

Wer etwas kaufen will, kann mittlerweile oft aus verschiedenen Bezahlmodellen auswählen. Hinter Angeboten wie «buy now, pay later» – also wenn man etwas in mehreren Teilbeträgen abbezahlt – verstecken sich Kredite. Auch wenn die monatlichen Raten vielfach klein sind, darf man sie beim Budget nicht vergessen. Bei Zahlungsverzug sehen die allgemeinen Geschäftsbedingungen häufig happige Mahngebühren vor, und die Forderung wird schnell grösser.

Profi-Tipp: Hände weg von Leasing- oder Kreditverträgen! Grössere Anschaffungen besser über Monate ansparen. Wenn man auf fremdes Geld angewiesen ist, sollte man das idealerweise innerhalb der Familie organisieren. Darlehen, eine Schenkung oder einen Erbvorbezug vereinbaren und schriftlich festhalten.

Überflüssige Versicherungen

Versicherungen sind teuer – und nicht immer sinnvoll. Darum: Überflüssiges weglassen und auf den nächstmöglichen Termin kündigen. Sparen kann man sich etwa eine separate Reise- und Annulationsversicherung, wenn man dafür bereits über die Kreditkarte versichert ist. Wer mindestens acht Stunden pro Woche bei der gleichen Firma arbeitet, ist automatisch gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert. Dann braucht es keine besondere Unfalldeckung bei der Krankenkasse.

Ein Muss ist hingegen die Haftpflichtversicherung, auch wenn sie nicht obligatorisch ist. Sie deckt Schäden, die man anderen verursacht – und die können im schlimmsten Fall millionenteuer sein. Häufig bieten Versicherungen vergünstigte Pakete zusammen mit einer Hausratversicherung an. Mit dieser kann man sein Hab und Gut gegen Feuer oder Diebstahl versichern. Online kann man verschiedene Versicherungen miteinander vergleichen.

Profi-Tipp: Lebensversicherungen ergeben bei jungen Erwachsenen in der Regel keinen Sinn – auch wenn ein Kollege eine solche aufschwatzen will. Lebensversicherungen sollen Angehörige bei Tod oder Invalidität absichern. Wenn ein junger Mensch stirbt oder nicht mehr arbeiten kann, gerät in der Regel aber niemand in finanzielle Not.

Abonnemente, Handys und Apps

Spotify, Fitnessabo, Netflix, Handy … auch kleine Beträge läppern sich zusammen. Die meisten Handy-Abos gibt es mittlerweile mit einer Flatrate – was gut ist, weil die Kosten jeden Monat gleich hoch und damit absehbar sind. Vorsicht bei Verträgen, die man für andere abschliesst, also etwa die Freundin oder einen Kollegen. Selbst wenn es gut gemeint ist: Auch die romantischste Liebe kann zerbrechen, Freundschaften können im Streit enden.

Wer sich ein Fitness- oder ein ähnliches Abo leisten will, testet das Angebot zuerst, am besten über einen kürzeren Zeitraum hinweg. Erst dann weiss man, ob es einem zusagt, und kann sich für ein Jahr verpflichten.

Ähnliches gilt für Apps und andere Dienste, die man heruntergeladen hat. Man sollte regelmässig checken, ob man sie überhaupt noch benötigt. Wenn nicht, kann man kündigen – am besten in der Form, wie es die allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen.

Profi-Tipp: Sich nicht von verlockenden Angeboten («Nur noch bis Ende Monat», «Rabatt nur für Neukunden» et cetera) bezirzen lassen. Lieber einmal über einen Kaufentscheid schlafen und Kosten und Nutzen abwägen. Oder wie es Gregor Mägerle von der Schuldenprävention Zürich sagt: «Auch das günstigste Abo ist teuer, wenn man es gar nicht braucht.»

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