Mit dieser Post hatten eine Seniorin und ihre Tochter überhaupt nicht gerechnet: Die 94-jährige Frau musste im November kurzfristig zwei Arzttermine absagen, weil sie sich unwohl fühlte, wie SRF berichtet. Sie muss alle paar Monate zum Rheumatologen nach Zürich, bei dem sie Cortisonspritzen gegen ihre Schmerzen erhält. Obwohl sie die Termine nicht wahrnehmen konnte, trudelte eine Rechnung über satte 984 Franken ein.
Der Arzt stellte ihr die Besuche in Rechnung, als ob diese Seniorin in der Praxis gewesen wäre. Die Tochter kümmert sich um die Rechnungen der Seniorin. Hätte der Arzt lediglich die kurzfristigen Absagen in Rechnung gestellt, wäre das für sie in Ordnung gewesen. «Jedoch so zu tun, als ob zweimal eine Behandlung stattgefunden hätte, und dadurch viel mehr zu kassieren, das halte ich ganz einfach für Betrug», schreibt die Tochter dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Gesundheitskosten gehen durch die Decke
Krankenkasse soll für Nicht-Behandlung zahlen
Dann wird es grotesk: Die Tochter beschwert sich bei der Praxis über die Rechnung. Die dortige Assistentin habe die Rechnungen als «Goodwill» des Arztes dargestellt. «So könne meine Mutter sie an die Krankenkasse weiterleiten. Die verpassten Konsultationen hätte sie selbst bezahlen müssen», sagt sie. Die Frau will davon jedoch nichts wissen.
Nachdem «Espresso» den Arzt um eine Stellungnahme bittet, meldet sich dieser zuerst bei der Tochter seiner Patientin. «Wie ich der Frau am Telefon mitgeteilt habe, wird ihre Mutter für die zwei sehr kurzfristig abgesagten Termine in meiner Sprechstunde keinen Rappen zahlen müssen», schreibt er dann in seiner Stellungnahme. Seine Erklärung: «Meinerseits war zu keinem Zeitpunkt die Rede davon, dass die von mir an die Patientin gesendete Rechnung an die Krankenkasse weitergeleitet werden könne und von dieser übernommen werde.»
Fadenscheinige Begründung
Mit der Rechnung habe er bloss darüber informieren wollen, «welcher grössere Schaden» für ihn durch nicht eingehaltene Termine entstehen könne. «Mein Fehler war es, dass ich zur verschickten Rechnung keinen Begleitbrief mit der von mir geschilderten Vorstellung beigelegt hatte», führt er aus.
Glaubwürdig scheint das kaum. Die Rechnung an die Seniorin enthielt eine Rechnungsnummer und ist auf einem Rückforderungsbeleg ausgedruckt. Zudem hat die Praxisassistentin nichts von einer rein «symbolischen» Rechnung erwähnt.
Rechnung hätte so nie verschickt werden dürfen
Auch für Yvonne Gilli (66), Präsidentin der Ärztegesellschaft FMH, ist die Rechnung mehr als merkwürdig. «Auf der Rechnung müsste ganz klar erkennbar sein, dass es sich hier um verpasste Konsultationen handelt.» Wie die Praxis die Rechnungsstellung gehandhabt habe, sei weder mit dem Ärztetarif Tarmed konform, noch gesetzeskonform gemäss Krankenversicherungsgesetz. Daran hätte auch ein Begleitbrief der Praxis nichts geändert.
Die Krankenkasse Assura, bei der die Seniorin versichert ist, hätte die Rechnung vermutlich bezahlt, so Gilli. Warum auch nicht. Schliesslich hätte sie davon ausgehen müssen, dass die Behandlungen tatsächlich stattgefunden haben. In dieser Form hätte die Rechnung also nie zugestellt werden dürfen. Der Arzt wollte sich hierzu gegenüber «Espresso» nicht weiter äussern. (smt)