«Jetzt habe ich mehr Zeit zum Hornussen»
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Mitarbeiter erzählt:«Jetzt habe ich mehr Zeit zum Hornussen»

Berner Firma wagt Versuch
38- statt 42-Stunden-Woche – bei gleichem Lohn!

Die Berner Entsorgungsfirma Schwendimann AG verlangt von ihren Mitarbeitenden ab sofort nur noch 38 statt 42 Stunden Arbeitseinsatz pro Woche. Wie ist das möglich? Und warum gibt es noch kaum Nachahmer für das neue Arbeitszeitmodell?
Publiziert: 03.01.2024 um 12:46 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2024 um 16:36 Uhr
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Die Angestellten des Entsorgungsunternehmens Schwendimann AG geniessen ab sofort kürzere Arbeitzeiten.
Foto: Schwendimann AG
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Frohe neues Jahr für die Angestellten der Schwendimann AG aus Münchenbuchsee. Die Berner Entsorgungsfirma hat seit Jahresbeginn die 38-Stunden-Woche eingeführt – bei gleichem Lohn! Zuvor galt eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden. Nun arbeiten die fast 100 Mitarbeitenden der Firma rund eine Stunde weniger pro Tag.

Die Ankündigung mag Aussenstehende überraschen, für die Mitarbeitenden, die auf der Firmenwebsite als «Mitdenker» bezeichnet werden, indes nicht. «Wir haben den Teams die Möglichkeit gegeben, im Rahmen von Workshops selber Pläne für eine Arbeitszeitreduktion auszuarbeiten», erklärt Geschäftsführer Demian Schwendimann (32) gegenüber Blick.

Im Geschäftsbereich Werkhof lief bereits ein erfolgreicher dreimonatiger Testlauf mit der reduzierten Arbeitszeit. Nun testet das Unternehmen die 38-Stunden-Woche im ganzen Betrieb für ein ganzes Jahr. «Wir werden aber wohl schon in sechs Monaten Klarheit haben, ob das aufgeht oder nicht», sagt Schwendimann.

Bereichsübergreifendes arbeiten für nicht-essenzielle Arbeiten

Rein betrieblich sei bereits deutlich, dass es mit reduziertem Pensum geht. Ohne mehr Stress für die Mitarbeitenden. Schwendimann verspricht sich dank der besseren Lebensqualität für die Mitarbeitenden eine Produktivitätssteigerung: «Dank der reduzierten Arbeitszeit kommen viel mehr Inputs aus dem Team hinsichtlich Effizienzverbesserungen», stellt der Chef fest. Wesentlich ist darüber hinaus, dass neu bereichsübergreifend gearbeitet wird.

Administrativ sei noch nicht alles geregelt, etwa die Vertragsänderungen, in denen die neue Arbeitszeit festgehalten ist. Dazu brauche es «noch so einiges an Umplanung» in allen Bereichen, damit es aufgeht. Die Schwendimann AG bietet nebst Kehrichtabfuhr und Entsorgungs-Werkhof auch Muldenservice, Räumungsdienst und Evententsorgung an.

«Ich hoffe zudem, dass es dank der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben weniger krankheits- oder verletzungsbedingte Ausfälle gibt», sagt Schwendimann. Das sei aber keine Erwartung an die Angestellten: «Wenn es gleich wie bisher bleibt, geht es auf.»

Unterschiedliche Bedürfnisse je nach Team

Im Übrigen handelt es sich gar nicht durchgehend um eine Reduktion: «Das Abfuhrteam durfte bislang nach erledigter Arbeit heim und arbeitete teils deutlich weniger als die Wochenarbeitszeit», so Schwendimann. Für die Extra-Freizeit habe sich das Team aber selber unter Druck gesetzt. Neu fragen die Mitarbeitenden bei einem verfrühten Arbeitsende an, ob noch Arbeiten in anderen Bereichen wie Werkhof, Entsorgungshof oder im allgemeinen Tagesgeschäft zu erledigen sind.

Beim Werkhof-Team ist die Lage anders: Dort wurde regelmässig Überzeit geschoben. Schwendimann hat aber nicht etwa das Personal aufgestockt: «Das bereichsübergreifende Arbeiten ermöglicht es uns, dass Mitarbeitende aus anderen Bereichen nicht-essenzielle Arbeiten flexibel erledigen können.»

Schwendimann betont, dass trotz der unterschiedlichen Anforderungen an die Teams alle von denselben Vorteilen profitieren sollen. Eine Viertagewoche sei aber kein Thema: «Das ist wegen der Vorgaben unserer Auftraggeber nicht umsetzbar.»

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Finanziell ist es gut machbar

Für die Umsetzung braucht es immerhin kein finanzielles Hauruck: «Wir halten uns an die im Astag-Index vorgeschlagenen Preiserhöhungen und benötigen keine darüber gehende Anpassung», schliesst Schwendimann.

Auch juristisch ist der Vorgang unproblematisch. Laut Arbeitsgesetz beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 45 Stunden pro Woche für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie für Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels. Was darunter liegt, ist Sache des Arbeitgebers.

Diese Arbeitszeitregelungen gelten

Die Höchstarbeitszeit ist in Artikel 9 des Arbeitsgesetzes geregelt: Büroangestellte sowie Arbeitnehmende in industriellen Betrieben und im Detailhandel dürfen maximal 45 Stunden pro Woche arbeiten. Mitarbeitende auf dem Bau, im Gastgewerbe oder in Gesundheitsberufen arbeiten maximal 50 Stunden die Woche. Kontrolliert wird das von kantonalen Arbeitsinspektoraten.

Die tatsächliche Arbeitszeit liegt aber einiges tiefer. Eine Auswertung von Statista zeigt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit im Dienstleistungssektor in der Schweiz 2022 zwischen 41,1 und 42,5 Stunden lag. Am längsten gearbeitet wird dabei im Gastgewerbe oder im Verkehr und der Lagerei – am wenigsten lang in der Information und Kommunikation sowie in der Erziehung.

Die Höchstarbeitszeit ist in Artikel 9 des Arbeitsgesetzes geregelt: Büroangestellte sowie Arbeitnehmende in industriellen Betrieben und im Detailhandel dürfen maximal 45 Stunden pro Woche arbeiten. Mitarbeitende auf dem Bau, im Gastgewerbe oder in Gesundheitsberufen arbeiten maximal 50 Stunden die Woche. Kontrolliert wird das von kantonalen Arbeitsinspektoraten.

Die tatsächliche Arbeitszeit liegt aber einiges tiefer. Eine Auswertung von Statista zeigt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit im Dienstleistungssektor in der Schweiz 2022 zwischen 41,1 und 42,5 Stunden lag. Am längsten gearbeitet wird dabei im Gastgewerbe oder im Verkehr und der Lagerei – am wenigsten lang in der Information und Kommunikation sowie in der Erziehung.

Laut Bundesamt für Statistik lag im Jahr 2022 die wöchentliche Normalarbeitszeit in der Schweiz für Vollzeitangestellte bei 41,7 Stunden. In den meisten Unternehmen sind 42 Stunden Wochenarbeitszeit weiterhin die Norm. 

Arbeitgeber und Arbeitnehmer uneinig über Vorteile

Eine Zahl, die der Arbeitnehmerverband TravailSuisse gerne reduzieren würde. «Manche Arbeitgeber ermöglichen Arbeitszeitreduktionen, um sich in Zeiten von Fachkräftemangel als attraktiv darzustellen», bestätigt Travailsuisse-Chef Adrian Wüthrich (43). Doch gebe es auf Arbeitgeberseite noch wenig Verständnis für solche Massnahmen, wie jüngste GAV-Verhandlungen gezeigt hätten. Wüthrich nennt spontan die Schwendimann AG als Beispiel, dass es anders gehe.

Arbeitgeberverbands-Sprecher Stefan Heini kontert, es sei jeder Person freigestellt, Teilzeit zu arbeiten, und jedes Unternehmen dürfe Arbeitszeitreduktionen umzusetzen. Aber: «Eine gesetzlich verordnete Erwerbsarbeitszeit von vier Tagen pro Woche mit 35 oder 36 Arbeitsstunden bei vollem Lohnausgleich für alle käme einer massiven Lohnerhöhung für die Arbeitnehmenden gleich.» Diese höheren Lohnkosten setzten viele Unternehmen unter Druck und die Massnahme verschärfe den akuten Arbeitskräftemangel zusätzlich.

Das sehen immer mehr Unternehmen offensichtlich anders. Nicht nur die Schwendimann AG geht neue Wege. Seit Anfang 2023 gilt beispielsweise beim Baumarkt Hornbach in der Schweiz die 39-Stunden-Woche. Der Gesundheitsdienstleister Siloah Prissag AG aus Gümligen BE seinerseits hat zwar Pläne für eine reduzierte Arbeitszeit verworfen, dafür liegt der jährliche Ferienanspruch je nach Alterskategorie neu bis zu 5 Ferientage höher.

Das Gros der Unternehmen scheut allerdings noch vor einem Schritt, wie ihn die Schwendimann AG nun gegangen ist.

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