Nur vier statt fünf Tage arbeiten oder zehn statt fünf Wochen Ferien – was nach Träumerei klingt, hält in immer mehr Gastronomie- und Hotelleriebetrieben Einzug. Etwa im Gasthof Löwen in Hausen am Albis ZH, wo Inhaberin Joëlle Apter (46) alle Angestellten zwei Monate in die bezahlten Ferien geschickt hat.
Das Zermatter Luxushotel Cervo verfolgt ein ähnliches Modell. Ein Teil der Angestellten hat jährlich zehn Wochen «arbeitsfreie Zeit». Dazu gehören Ferien, Feiertage und Kompensation. Die Angestellten müssen diese in der Zwischensaison beziehen, in der das Hotel geschlossen ist. «Dadurch kriegen die Angestellten einen Ganzjahresvertrag statt einer Saisonstelle», erklärt Hoteldirektor Benjamin Dietsche (32).
Kleinbetriebe können nicht mithalten
Die Hotelgruppe 25 Hours hat letztes Jahr erfolgreich auf die Vier-Tage-Woche umgestellt. «Wir erhalten seither 30 Prozent mehr Bewerbungen», freut sich Direktor Lukas Meier (33). «Wir haben nun wieder den Luxus, zwischen den Bewerbungen auszuwählen.»
Die Branche ist vom Fachkräftemangel geplagt. Innovative, auf die junge Generation Z zugeschnittene Arbeitsmodelle bieten einen Ausweg. Aber nicht für alle, warnt Ruedi Bartel (65), Präsident des kantonalen Branchenverbands Gastro Thurgau. «Kleinbetriebe haben keine Chance, das anzubieten.»
Er führt den Gasthof Krone in Balterswil TG mit sieben Angestellten. Mehr als fünf Wochen Ferien liegen bei ihm nicht drin. Er müsste das Restaurant zwangsläufig schliessen, wenn das Personal derart oft in den Ferien wäre – und auf Einnahmen verzichten. Auch eine Vier-Tage-Woche kann Bartel sich nicht leisten. Wie ihm gehe es diversen kleineren Betrieben auf dem Land, weiss der Thurgauer Gastro-Präsident.
Auch Lukas Meier von den 25-Hours-Hotels gibt zu, dass die Personalkosten durch das neue Arbeitsmodell gestiegen sind. Sein Personal arbeitet an vier Tagen pro Woche je 9½ Stunden – und erhält dadurch im Vergleich zum Vorgängermodell einen halben Arbeitstag geschenkt. «Es ist ein langfristiges Investment, das sich für uns lohnt.»
Aus für Rössli und Hirschen – weil der Nachwuchs fehlt
Die Kehrseite der Medaille: Für ländliche Beizer wie Ruedi Bartel wird es noch schwieriger, Personal zu finden. «Sie haben andernorts lukrativere Angebote», sagt Bartel. «Manche Betriebe müssen deswegen sogar schliessen.»
Dazu gehört etwa das Rössli in Lengwil-Oberhofen TG. Wirt Roland König (49) warf letzten Herbst den Bettel hin. «Batterien sind leer», schreibt er dazu auf seiner Webseite. «Mit dem heutigen Personalbestand ist der Betrieb in den Spitzen einfach nicht mehr zu bewältigen», sagte der Wirt damals zur «Thurgauer Zeitung».
Andere Beizen, gerade im ländlichen Raum, schliessen, weil sie keine Nachfolger finden. So geschehen etwa beim Hirschen in Gloten bei Sirnach TG. Das Wirtepaar Cäcilia und Ruedi Grob-Koster löschte Ende November nach über drei Jahrzehnten zum letzten Mal die Lichter in der Dorfbeiz. Seither bleibt es dunkel im Hirschen, keiner will das Restaurant übernehmen.
Tropfen auf den heissen Stein
«Immer mehr kleine Dörfer auf dem Land haben keine Restaurants mehr», bedauert Ruedi Bartel. «Darunter leidet auch das Vereinsleben. Sie haben keinen Ort mehr, um sich nach der Probe oder dem Training zu treffen.»
Auch in urbanen Regionen hat der Fachkräftemangel die Branche weiter fest im Griff. Die Salatladen-Kette Not Guilty mit drei Läden in der Stadt Zürich etwa hat jüngst in ihrer Filiale am Stauffacher eine Informationstafel angebracht: Die Öffnungszeiten werden eingeschränkt – wegen Personalmangel.
Ein Ende des Fachkräftemangels in der Gastronomie – und anderen Branchen – ist wegen des demografischen Wandels nicht in Sicht. Der nationale Dachverband Gastrosuisse hat eigens einen Fünf-Punkte-Plan lanciert, um die Zukunft zu sichern. Der Branchenverband will etwa mittels Quereinsteigerprogrammen in den Nachwuchs investieren. Doch solche Massnahmen sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.