Shisha-Bars, Nagelstudios, Bubble-Tea-Läden und Co. im Visier der Behörden
Die «Irregulären» machen mit Personal-Ausbeutung das dicke Geschäft

Hinter spottbilligen Angeboten in Nagelstudios, Bubble-Tea-Läden und Barber-Shops steckt ein finsteres System der Ausbeutung: Während Kunden sparen, schuften Angestellte für Hungerlöhne. Die sogenannten «Irregulären»-Branchen boomen – und Behörden schlagen Alarm.
Publiziert: 25.01.2025 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2025 um 08:48 Uhr
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Was haben Shisha-Bars, Billig-Nagelstudios, Barber-Shops und Bubble-Tea-Läden miteinander gemein? (Symbolbild)
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

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Nathalie BennRedaktorin Wirtschaft

Vietnamesisch geführte Billig-Nagelstudios sind nur die Fingerspitze des Eisbergs: Auch Bubble-Tea-Läden, Barber-Shops und Shisha-Bars rücken immer mehr ins Visier der Behörden. Die Preise der Billig-Anbieter scheinen zu gut, um wahr zu sein. Die Angestellten trauen sich nicht, sich zu wehren, weil sie kaum Deutsch sprechen. Sie sind deshalb besonders gefährdet, Opfer von Ausbeutung durch ihren Arbeitgeber zu werden.

Die Berner Fremdenpolizei bezeichnet diese oft ausländisch geführten Ladenlokale «die Irregulären». Denn in diesen Branchen sind Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen und Lohndumping überdurchschnittlich häufig anzutreffen. All diese Branchenbetriebe haben gemeinsam: Anforderungen zur Eröffnung eines Geschäfts gibt es praktisch keine. Berufsbezeichnungen wie «Nageldesignerin» oder «Barbier» sind nicht geschützt. Ausserdem sind sie allesamt schwach reguliert – und wenn es Verbände gibt, so haben diese kaum Durchsetzungskraft.

«Die Irregulären» verbindet dasselbe perfide Geschäftsmodell: «Um wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen diese Betriebe auf Billig-Preise, was oft nur durch die Ausbeutung der Angestellten möglich ist», weiss Alexander Ott (61), Chef der Berner Fremdenpolizei. «Mit Dumpingpreisen wird die Kundschaft angelockt, währenddessen perfektionieren sie ihr System der Ausbeutung.»

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Billig-Nagelstudios

Hier liegt wohl das Meiste im Argen. In Billig-Nagelstudios schuftet nicht nur ein Grossteil der Angestellten für einen Hungerlohn bis zu zwölf Stunden am Tag. Auch erhalten viele keinen richtigen Arbeitsschutz – sprich Maske und Handschuhe, wie der Fall Rhea K. zeigt, über den Blick kürzlich berichtet hat. Sie können dadurch schwere gesundheitliche Schäden davontragen.

Die schwache gewerkschaftliche Organisation der Nagelstudiobranche zeigt sich am einzigen Schweizer Verband, Swiss Nail Design, in dem landesweit nur 50 Studios vertreten sind. Die Anzahl der Studios wird jedoch auf rund 4300 geschätzt.

Die Angestellten der «Irregulären» werden im Ausland rekrutiert und dann in die Schweiz geschleust. Je nach Branche meist aus Asien oder dem Nahen Osten. Die Hinterleute kommen oft selbst aus dem Ausland. So dominieren Vietnamesen das Geschäft mit den Billig-Nagelstudios.

«Die Belastungen waren enorm, ich habe oft geweint»
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Rhea K. wurde ausgebeutet:«Die Belastungen waren enorm, ich habe oft geweint»
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Bubble-Tea-Läden

Die ebenfalls oft vietnamesischen Angestellten werden von ihren Chefs auch in einer anderen Branche der «Irregulären» eingesetzt und ausgebeutet: «Dasselbe Personal taucht auch in Bubble-Tea-Shops auf», sagt Ott über die Filialen, die das ursprünglich aus Taiwan stammende Tee-Trendgetränk mit kleinen Tapiokaperlen verkaufen.

«Denn diese Kreise gehen vor wie legale Unternehmen, mit den gleichen Managementmethoden: Sie weiten sich auf neue Produktbereiche aus», so der Fremdenpolizeichef. «Von Nagelstudios in die Bubble-Tea-Branche.» Dabei erwähnt er, dass ihm bisher immer nur asiatisch-stämmige Bubble-Tea-Verkaufspersonen begegnet seien.

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Barber-Shops

Ähnlich verhält es sich mit Barber-Shops. Auch dort beherrschen die Drahtzieher – oft ganze Familien oder Verwandtenkreise – aus dem Ausland die Branche. «Hier haben wir es hingegen in vielen Fällen mit Personen aus dem Balkan oder Syrien zu tun», sagt Ott. Nicht selten betreiben diese mehrere Barber-Shops, die aber alle miteinander verwoben sind.

Die Dubiosen unter den Barber-Geschäften sind dem Schweizer Coiffeurverband ein Dorn im Auge. «Seit einigen Jahren schiessen Coiffeursalons, die ihre Dienstleistungen zu Tiefstpreisen anbieten, wie Pilze aus dem Boden und bringen dadurch die bestehenden Geschäfte in grosse Bedrängnis», sagt Damien Ojetti (59), Präsident von Coiffure Suisse.

Eine Massnahme, die der Verband getroffen hatte, war die Ausarbeitung eines Gesamtarbeitsvertrags, der im März 2018 in Kraft trat. Darin werden unter anderem Mindestlöhne für an- und ungelernte Coiffeure festgelegt. Das mache es für die Behörden einfacher, bei Nichteinhaltung Anzeige zu erstatten, so Ojetti. So konnten bei einer unangekündigten Kontrolle in Thun BE bei zehn von zwölf Billig-Salons, in denen Verstösse gegen das Gesetz vorlagen, Anzeige erstattet werden, nennt er eines von vielen Beispielen.

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Shisha-Bars

Shisha-Bars stellen gemäss Fremdenpolizei, ähnlich wie Bubble-Tea-Filialen, einen Auswuchs der «Irregulären» dar. So haben die Hinterleute der Barber-Shops ihre Geschäfte auf Shisha-Bars ausgeweitet, erzählt Ott. «Ihre Machenschaften führen sie aber nicht nur dort, sondern teilweise auch in Kebab- oder Falafelständen weiter», sagt er.

Der Kantonspolizei Aargau sind die fragwürdigen Praktiken der «Irregulären» ebenfalls bekannt. «Wir stellen zudem fest, dass diese Lokale oft als Treffpunkt für Leute mit kriminellen Absichten missbraucht werden», sagt Polizei-Sprecher Daniel Wächter zu Blick. Insbesondere Barber-Shops und Shisha-Bars entpuppen sich als Rückzugsorte und Ausgangspunkte für Straftaten wie Drogengeschäfte oder Vermögensdelikte, hält er fest.

Hohe Dunkelziffer bei den «Irregulären»

Wie viele solcher Studios und Shops es gibt, ist schwer zu ermitteln. Die Betriebe werden – wenn überhaupt – gesamthaft erfasst, sodass man nicht feststellen kann, wer seriös arbeitet und wer nicht. Die Dunkelziffer der «Irregulären» sei enorm hoch, bestätigt Ott. Sowohl die Berner Fremdenpolizei als auch die Kapo Aargau bestätigen: Es gibt immer mehr «Irreguläre».

Die Behördenvertreter stossen alle ins gleiche Horn: Sie wollen die «Irregulären» weiterhin im Auge behalten. Denn hinter ihren Billig-Angeboten stecken leidende Angestellte – und während deren Kundinnen und Kunden lieber sparen, müssen die Angestellten einen teuren Preis dafür zahlen.

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