Auf einen Blick
Wer sich kürzlich einer Mani- oder Pediküre in einem grösseren Nagelstudio unterzog, tat dies wahrscheinlich in einem vietnamesisch geführten Betrieb. Denn Vietnamesen dominieren die hiesige Nagelstudio-Szene.
Die Ursprünge dafür gehen bis in den Vietnamkrieg zurück, weiss Alexander Ott (61), Chef der Berner Fremdenpolizei. So flüchteten in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche Vietnamesen in den Westen, vornehmlich in die USA. Aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit musste ein schnelles Einkommen her. Die Nagelindustrie mit ihren niedrigen Markteintrittsbarrieren bot sich dafür an: Der Beruf erfordert keine umfangreiche Ausbildung und kann mit begrenzten Sprachkenntnissen ausgeübt werden. Damit begann die vietnamesische Präsenz im westlichen Nageldesign-Business, die bis heute anhält.
«Wie so vieles aus den USA schwappte auch dieser Trend nach Europa über», erklärt Ott, der oft mit den vietnamesischen Angestellten der Studios im Austausch ist. Zuerst in ein klassisches europäisches Einwandererland wie Deutschland, und von da auch in die Schweiz. Laut Ott hat sich das Angebot an Nagelstudios in der Schweiz in den letzten fünf Jahren verdoppelt – auch die neuen Salons seien überwiegend in vietnamesischer Hand.
Schwache Regulierung macht Ausbeutung möglich
Die Dominanz erklärt sich über deren Erschwinglichkeit. Eine Preisstichprobe zeigt: In einem vietnamesischen Studio zahlt man zwischen 60 und 70 Franken, um sich künstliche Nägel auffüllen zu lassen. Bei einem zertifizierten Studio sind es etwa 100 Franken. Die billigen Preise hängen oft mit Ausbeutung der Angestellten zusammen, weiss Ott.
Nagelstudios gehören wie Barbershops, Bubble-Tea-Läden oder Shisha-Bars zu Betrieben, wo fragwürdige Arbeitsbedingungen, Lohndumping sowie schlechte oder fehlende Arbeitsverträge regelmässig anzutreffen sind. Bei Ott und seinem Team tragen diese Branchen den Spitznamen «die Irregulären». Denn: «Ausbeutung kann man dort besonders leicht umsetzen», sagt Ott.
Bei der Eröffnung einer Arztpraxis seien die staatlichen Auflagen enorm. Jeder könne aber nach Belieben ein Nagelstudio eröffnen. Der Begriff «Nageldesigner» ist nicht geschützt. Dies locke auch Menschenhändler an, die billige Arbeitskräfte aus dem Ausland in die Schweiz schleusen.
Die Lösung liegt für Ott auf der Hand: Die kaum regulierte Branche brauche einen gesetzlich festgelegten Gesamtarbeitsvertrag. Er fordert: «Zur Bekämpfung der Ausbeutung ist es essenziell, dass sich seriöse Geschäfte zu einem Verband zusammenschliessen und konkrete Qualitätsstandards festlegen».