In der Schweiz werden immer mehr Nagelstudios eröffnet – so auch in der Hauptstadt Bern. Deren Mitarbeiter leiden aber oft unter den prekären Arbeitsbedingungen. Das zeigt zum Beispiel die Geschichte von Dang (33) und Kim (30) Nguyen, wie die «Berner Zeitung» berichtet. Das Paar kam aus Vientam in die Schweiz, um hier mehr Geld zu verdienen. Ihr sechsjähriges Kind liessen sie dafür in ihrer Heimat zurück.
Die beiden kamen über den Landweg in die Schweiz. Ausgestattet mit falschen slowakischen Pässen, die die beiden mehrere Tausend Franken gekostet hatten, zahlten sie rund 30'000 Franken für ihre Reise nach Bern. Die Schlepper, die sie in die Schweiz bringen, sind, da sie durch Prepaid-Telefone kommunizieren, kaum identifizierbar. Die Arbeit und die enormen Summen, die dafür verlangt werden, könnte man jedoch moderner Sklaverei gleichsetzen.
Opfer werden mit guten Jobs gelockt
In den Nagelstudios der Bundesstadt werden «bei praktisch allen Kontrollen in Bern Missbräuche festgestellt», so Alexander Ott, Amtsleiter Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei der Stadt Bern, zur «Berner Zeitung». Neben dem illegalen Aufenthalt in der Schweiz würden auch die Arbeitsverträge gegen das Gesetz verstossen. So arbeiten sie zu viel und werden nicht genügend bezahlt. Rund 60 bis 80 Stunden pro Woche arbeiten viele – teils für wenige Hundert Franken pro Monat, manchmal werden sie gar nicht entlöhnt.
Igor Zoric, Branchenverantwortlicher der Coiffure und der Kosmetikbranche der Gewerkschaft Unia, erklärt: «Die Betroffenen werden von Vermittlern für vermeintlich gute Jobs in der Schweiz angeworben und nehmen die beschwerliche Fahrt nach Europa in Kauf, um ihrer existenziellen Bedrohung durch bittere Armut oder Verfolgung zu entkommen.» Oft wissen die Betroffenen nicht, wo sie sind und wie sie sich wehren können. Auch ihrer Rechte seien sie sich nicht bewusst, weshalb sie von ihren Arbeitgebern schamlos ausgenutzt werden.
Dass das Ehepaar Nguyen öffentlich von den Arbeitsbedingungen erzählt, ist eine Seltenheit. Weil die Schlepper drohen, der Familie in der Heimat Schwierigkeiten zu machen, schweigen die Betroffenen oft.
«Es ist besser, hier zu sein als anderswo»
Laut eigenen Aussagen erhält das Ehepaar je rund 2000 Franken pro Monat. Weil sie aber laut ihrem Chef noch in der Probezeit sind, haben sie noch nicht alle Monatslöhne erhalten. Ein Teil davon fällt aber schon für den Lebensunterhalt weg, und in Zukunft würden sie gerne 500 Franken monatlich ihrer Familie in den Vietnam schicken. Wie viel sie momentan arbeiten, wissen sie nicht – sie teilen sich momentan auch noch eine kleine Wohnung mit anderen Personen.
Trotzdem sagen sie: «Es ist besser, hier zu sein als anderswo. Aber wir leiden sehr unter der Trennung von unserem einzigen Kind.» Um Betroffene zu schützen, muss in der Schweiz endlich mehr gemacht werden. Zoric zur «Berner Zeitung»: «Es benötigt eine Sensibilisierung aller relevanten Akteure. Das Ziel ist ein wirksamer Schutz der Opfer und Zeugen. Dieser soll ab dem ersten Moment des Verdachtes auf Menschenhandel gelten.»
Das Problem: Nagelstudios bieten perfekte Bedingungen für Ausbeutung. Die Arbeit in ihnen bedingt weder Ausbildung noch besondere Sprachkenntnisse. Alexander Ott von der Berner Fremdenpolizei zur «Berner Zeitung»: «Die Mitarbeitenden befinden sich in einer Blase. Sie kennen das Land nicht, sind nur temporär hier, wechseln immer wieder die Stadt oder das Land.» (zun)
*Namen geändert