«Lukrativste Sexarbeit»
Bordelle locken Osteuropäerinnen mit falschen Versprechen in die Schweiz

Der Schweizer Prostitutionsmarkt wirbt mit den besten Arbeitsbedingungen für junge, meist osteuropäische Frauen. Doch statt ein besseres Leben wartet häufig sexuelle Ausbeutung in der Schweiz.
Publiziert: 26.02.2024 um 13:28 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2024 um 13:29 Uhr
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Schweizer Etablissements werben mit illegalen Inseraten auf osteuropäischen Portalen junge Frauen an. (Symbolbild)
Foto: Keystone

In der Schweiz werden jährlich rund 60 Personen wegen Menschenhandels angezeigt. Verurteilt werden nur knapp ein Dutzend. Sie alle sind nur ein kleiner Teil des riesigen Netzes, das sich von der Schweiz bis nach Osteuropa spannt. Wie der «Tages-Anzeiger» in Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Redaktionen berichtet, geistern viele, meist illegale Inserate herum, die vor allem an junge, osteuropäische Frauen gerichtet sind. «Wir bieten die lukrativste Sexarbeit der Schweiz für junge Mädchen», heisst es in einer Anzeige, die eine bessere Zukunft im Zürcher Oberland verspricht.

Die Anzeige ist auf einem ungarischen Portal aufgeschaltet. Bis zu 280 Franken pro Stunde sollen die Sexarbeiterinnen im Zürcher Oberland verdienen. Daneben wird ihnen eine Arbeitszulassung, ein eigenes Zimmer und ein 13. Monatslohn angeboten. Was die Frauen tatsächlich in der Schweiz erwartet, ist sexuelle Ausbeutung, schreibt die Zeitung weiter.

Sie sind jung und besonders verletzlich

Insgesamt finden sie mit Medienhäusern aus den Niederlanden, Deutschland, Rumänien und Ungarn über 40'000 Inserate auf osteuropäischen Plattformen. Während Sexarbeit in der Schweiz legal ist, sind es diese Annoncen keineswegs. Das Bundesgericht entschied 2002 in einem Urteil, dass Menschenhandel vorliegt, wenn man «wirtschaftlich schlecht gestellte junge Frauen im Ausland anwirbt und für seine Bordelle in der Schweiz verpflichtet». 

Annatina Schultz, stellvertretende Generalstaatsanwältin des Kantons Bern und Expertin für Menschenhandel, erklärt sich dieses Phänomen wie folgt: «Hier lässt sich viel Geld verdienen. Das macht die Schweiz besonders attraktiv für ausbeuterische Machenschaften.» Die Inserate sollen Vertrauen erwecken. Viele Betroffene könnten nicht frei entscheiden, ob sie ein Angebot annehmen wollten oder nicht, so Schultz zum «Tages-Anzeiger». «Sie sind jung und besonders vulnerabel, stehen häufig unter grossem Druck aus dem eigenen Umfeld, möglichst viel Geld zu verdienen.» Dies würden die Täter ausnutzen.

Sogar hochschwanger musste sie Dienste anbieten

Dass die Strafverfolgerin die Realität in der Schweiz beschreibt, zeigt auch der Fall einer jungen Ungarin (damals 19). Ihr Fall wurde vor dem Bezirksgericht Zofingen verhandelt. Die junge Frau kam aus armen Verhältnissen, wurde in die Schweiz gelockt und erlebte hier sexuelle Ausbeutung durch ein Zuhälterpaar. Unter anderem musste sie gewalttätige Sexpraktiken erdulden und ungeschützte Dienste anbieten – sogar dann noch, als sie hochschwanger von einem Kunden war. Ihr Sohn wurde im August 2022 zur Adoption freigegeben.

Die Frau des Zuhälterpaares wurde im September 2023 vom Bezirksgericht Zofingen wegen gewerbsmässigen Menschenhandels und Förderung der Prostitution verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Mann des Paars agierte aus Ungarn heraus und kann daher nicht in der Schweiz zur Rechenschaft gezogen werden. (mgf)

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