Im spanischen Huelva werden Erdbeeren für die ganze Welt produziert. Das süsse Gut landet am Ende auch bei Migros, Coop oder Lidl in den Regalen. Wovon man im Geschäft nichts mitkriegt, sind die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen. Eigentlich müssten viele Erdbeeren aus Huelva ziemlich bitter schmecken. «Besonders für die Frauen auf den Plantagen ist die Situation prekär», sagt Nora Komposch (30) zur «SonntagsZeitung».
Spaniens Plantagen stehen immer mal wieder in den Schlagzeilen: Nötigung zu Sex, Strafen für Toilettenpausen, Hungerlöhne, Ausbeutung. Komposch liess das Thema nicht los. Sie verbrachte für ihre Doktorarbeit in den vergangenen drei Jahren sieben Monate in Huelva.
Vor Ort sprach sie mit rund 50 Erntearbeiterinnen. Viele von ihnen kommen aus Marokko. Das Land habe ein Abkommen mit Spanien, so Komposch. Dieses sieht vor, dass nur Mütter minderjähriger Kinder ein Arbeitsvisum für die Arbeit in den Gewächshäusern erhalten.
Arbeit wird immer ungewisser
Die Absichten dahinter scheinen klar. Die spanischen Behörden hofften darauf, dass die Frauen das Land nach der Erntesaison wieder verlassen. Ein ähnliches Modell, wie es die Schweiz früher mit dem Saisonnierstatut hatte. Auf den Erdbeerplantagen landen so gemäss Komposch jedes Jahr rund 15'000 Frauen aus Marokko. Sie reiste auch nach Marokko, um dort mit mehreren Familien zu sprechen.
Was sie dabei zu hören bekam, ist alles andere als ein Aufsteller. Der Klimawandel macht die Arbeit auf den Plantagen immer ungewisser. Die Arbeiterinnen wissen nicht, ob sie wegen der zunehmend problematischen Trockenheit in Spanien überhaupt gebraucht werden. Die Familien sind jedoch auf das Geld angewiesen. Deshalb würden immer mehr Frauen illegal in Spanien bleiben. In der Hoffnung, so eher wieder Arbeit, auf den Plantagen zu finden – und nicht auf ein Visum angewiesen zu sein.
Der deutsche Discounter Lidl liess die Situation 2020 vor Ort von einer Beratungsfirma unter die Lupe nehmen. Arbeiterinnen kritisierten nicht bezahlte Überstunden, grossen Druck oder den fehlenden Zugang zu sauberem Wasser. Als Reaktion auf die Studie hat das deutsche EHI Retail Institute nun eine Art Hotline vor Ort eingerichtet. Angestellte können sich dort mit Beschwerden anonym melden, und dann sollen diese geprüft und gemeinsam mit den Betrieben Lösungen gefunden werden.
Das tun Lidl, Coop und Migros
In Deutschland ist seit Jahresbeginn das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Firmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssen demnach garantieren, dass ihre direkten Zulieferer die Umwelt nicht schädigen, für Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen und Zwangs- und Kinderarbeit verhindern. Wer sich nicht daran hält, muss mit hohen Bussen rechnen.
In der Schweiz hingegen scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative am Ständemehr. Weil die Migros die deutsche Supermarktkette Tegut übernommen habe, unterstehe sie nun jedoch auch der deutschen Gesetzgebung, so die «SonntagsZeitung».
Coop hingegen muss hier nicht mitmachen – und tut es auch nicht freiwillig. Über die Berichte aus der Region sei man im Bild. Über die Lieferanten hätte es jedoch keine Beanstandungen gegeben. Man werde aber prüfen, ob es weitergehende Kontrollen brauche. (smt)