Konzern bestätigt gravierende Missstände in Brasilien
Syngenta-Tochter hat jahrelang von Zwangsarbeit profitiert

Syngenta sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Eine brasilianische Tochterfirma soll in Zusammenhang mit Ausbeutung und Zwangsarbeit stehen. Konsequenzen gibt es wohl keine. Die Koalition für Konzernverantwortung plant deshalb erneut eine Initiative.
Publiziert: 03.02.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2024 um 00:12 Uhr
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Der Pflanzenschutzmittelhersteller Syngenta steht hart in der Kritik.
Foto: PIUS KOLLER
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Syngenta steht immer wieder hart in der Kritik. Meistens sind Pestizide der Grund. Was viele nicht wissen: Auch beim Kaffeehandel mischt der Pflanzenschutzmittelhersteller mit. Eine Recherche deckt nun Missstände auf.

In Brasilien betreibt der Konzern die Syngenta Proteção de cultivos. Dieser gehört wiederum die Tochterfirma Nutrade Comercial Exportadora, die verschiedene Marken mit Kaffee beliefert. Unter anderen die Marke Nucoffee, die ebenfalls Syngenta gehört, oder Sucafina mit Sitz in Genf.

Laut Recherchen soll die brasilianische Tochterfirma Nutrade Kaffee von brasilianischen Farmen bezogen haben, wo es nicht mit rechten Dingen hergeht. Aufgedeckt hat das die Koalition für Konzernverantwortung in Zusammenarbeit mit dem Recherchekollektiv WAV, wie Blick weiss.

Kein Zugang zu Toilette oder Wasser

Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit – so lauten die Vorwürfe gegen die sechs Farmen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Zwischen 2018 und 2022 wurden rund 125 Arbeiterinnen und Arbeiter aus sklavenähnlichen Bedingungen befreit. Zum Teil hatten sie keinen Arbeitsvertrag und waren unterbezahlt – falls sie überhaupt regelmässig Lohn erhielten. Der Grossteil war unter prekärsten Bedingungen untergebracht – ohne Zugang zu Toiletten oder sauberem Trinkwasser. Die jüngsten Arbeiter waren 13 Jahre alt. Einer der Besitzer einer solchen Farm wurde wegen Menschenhandel angeklagt, wie die Recherchen zeigen.

Dafür kann Syngenta jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. «Syngenta kann heute ohne Konsequenzen Kaffee aus Zwangsarbeit verkaufen und muss nicht einmal dann reagieren, wenn auf den Plantagen Menschen von den brasilianischen Behörden aus sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen befreit werden. Das ist sehr problematisch», sagt alt Nationalrat Dominique de Buman (67, die Mitte), der im Vorstand der Koalition für Konzernverantwortung sitzt.

Denn Syngenta hat ihre Ursprünge in der Schweiz. Entstanden ist die Firma als Joint Venture von Novartis und Astra Zeneca. Seit 2017 ist das Unternehmen zwar in chinesischen Händen. Der Hauptsitz liegt aber nach wie vor in Basel.

Neue Initiative geplant

De Buman kritisiert deshalb: «Die Schweiz braucht endlich ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz, wie es zahlreiche Nachbarländer in Europa bereits eingeführt haben.» Dafür plant die Koalition, eine neue Konzernverantwortungs-Initiative zu lancieren, wie seit Ende 2023 bekannt ist. Die erste Initiative ist am Ständemehr gescheitert. Der exakte Inhalt der zweiten Initiative wird bekannt, sobald die EU ihre Richtlinien festlegt.

Aktiv wurde Syngenta bereits: «Nutrade hatte sofortige Massnahmen ergriffen, um die Vorwürfe über sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen auf Kaffeefarmen in Brasilien in der Vergangenheit zu prüfen, und hat die Zusammenarbeit mit Lieferanten eingestellt, die nachweislich gegen die Vorschriften verstiessen und wo Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit stattfanden», teilt ein Sprecher auf Anfrage mit.

Zudem überprüfe Nutrade laufend und proaktiv die Liste der Farmer auf der schwarzen Liste des Ministeriums, um sicherzustellen, dass das Unternehmen keine Lieferungen von diesen Farmern annehme.

Blick hat auch das Kaffee-Unternehmen Sucafina mit den Vorwürfen kontaktiert, das ebenfalls Kaffee von Nutrade bezogen hatte. Die Firma hat sich bis Redaktionsschluss nicht geäussert.

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